Ein Wort, so habe ich den Eindruck, muss gerade für ganz schön viel herhalten. Das Wort „Zeit“ ist in vieler Munde – in ganz unterschiedlichen Kontexten.
Es wurde von einer „Zeitenwende“ gesprochen. Politiker fordern die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Lebensarbeitszeit soll gesteigert werden. Immer wieder hört man von unruhigen Zeiten, von verrückten Zeiten.
Die Ferienzeit ist für Schülerinnen und Schüler vorbei und steht doch im Sommer wieder an. Die Urlaubszeit als die schönste Zeit des Jahres wird genannt. Und einer Klub-WM zum Trotz freut sich so mancher, wenn die fußballfreie Zeit wieder vorbei ist.
Der guten alten Zeit wird nachgetrauert (wobei dies immer sehr individuell und verklärend ist). In der Technik werden immer wieder neue Zeitalter angekündigt. Auch die Sommerzeit ist da, die Freibadzeit, die Eiszeit (natürlich ist da die schmelzende Köstlichkeit gemeint). Zeit, Zeit, Zeit…
Womit verbringe ich eigentlich meine Zeit? Was macht mir „meine“ Zeit wertvoll? Habe überhaupt ich Zeit – oder hat „die“ Zeit mich? Hier „ist die Zeit wie im Fluge vergangen“, da „ist die Zeit gerannt“ – sie kennen diese Formulierungen und vielleicht auch die Empfindung.
Wenn ich gefragt werde, ob ich Zeit habe. Wenn man sagt, dass man keine Zeit hat (obwohl man vielleicht einfach nur keine Lust hat). Die Zeit noch einmal zurückdrehen können, die Zeit anhalten in besonders schönen Momenten. Kann ich über Zeit überhaupt verfügen? Ich habe dabei nicht das technisierte Werk an Uhren und Kalendarien vor Augen, sondern die persönlichen To-Do Listen, um möglichst viel in meine Zeit zu packen.
Ich habe einmal den Satz an einer Hauswand gelesen: „Die Zeit ist eine Illusion, die wir erschaffen, um die Welt um uns herum zu verstehen“. Leider war der Verfasser dieses Gedankens nicht mit notiert.
Ist Zeit eine Illusion? Was wäre, wenn es eine zeitlose Welt gäbe? Würde man etwas vermissen? Was wäre, wenn es keine Arbeitszeiterfassung gäbe, was, wenn keine Freizeit vorhanden wäre? Keine Stunden, keine Tage? Würde ich es vermissen, wenn ich nicht mehr die Zeit abwarten könnte bis zu einem schönen Ereignis? Was wäre, wenn ich wüsste, wieviel Zeit mir noch bleibt? Würde es mich lähmen oder beflügeln? Würde ich überhaupt wissen wollen, wann meine Zeit gekommen ist?
Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.
So steht es in der Bibel, im Buch Prediger 3,1.
Diese kleine Passage der Bibel beschreibt Zeit als etwas, über das der Menschen nicht verfügt. Nicht der Mensch ist Herrscher über die Zeit. Der Mensch ist in der Zeit. Unmittelbar.
So sehr Menschen vielleicht versuchen, mit einem Zeitmanagement ihr Leben zu strukturieren, zu planen und vielleicht auch bestmöglich zu lenken, erfährt der Mensch doch die Ereignisse in der Zeit, die Gott ihm zufallen lässt. In einer immer unruhigeren Welt ist vielleicht genau diese, von Gott zugestandene Zeit, eines der Lebensgeheimnisse. „Meine Zeit steht in deinen Händen“, heißt es in einem Lied von Peter Strauch. Vielleicht kann dieses Bewusstsein einem helfen, vielleicht kann es Druck rausnehmen, auch Zeitdruck. Ich mag versuchen, meine Zeit zu planen, meine Zeit effizienter nutzen, meine Zeit zu kontrollieren, aber letztendlich sollte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass meine Zeit in Gottes Händen liegt. Und da, daran glaube ich, liegt sie gut.
Genießen Sie die Zeit und bleiben Sie behütet
Diakon Ulrich Gottwald, kda-Regionalstelle Augsburg
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