Change of Life

Manche: „Was kommt denn jetzt wohl! Reicht es nicht mal langsam? Vorletzte Woche Barbie und nun die Wechseljahre, wer will denn das genauer wissen?!“

Wir: „Schade, genauso ist es.“

Frauengesundheit und gerade dabei auch Themen, die abseits der Regelungen rund um Mutterschutz und Elternzeit liegen, sind in Deutschland immer noch Tabuthemen, auch in den Betrieben. Wir als kirchliche Mitarbeiter*innen aber schauen auf Übergange des Lebens, auf erfolgreiche und beflügelnde, aber auch auf steinige und krisenbehaftete. Weil Kirche Menschen in Übergängen begleiten will und für solche Situationen Worte findet, auch für Übergänge im Arbeitsleben.

Menopause als Tabuthema im Arbeitsumfeld

Rücken wir heute also die weibliche mittelalte Generation in den Blickwinkel, nennen wir sie mit gutem Vorbild „Generation 47+“ und betrachten ein bis vor kurzem noch stark unterbelichtetes Thema in diesem Alter: die Menopause (Wechseljahre). Erst im letzten Jahr sind vielfältige Studien und Initiativen gegründet und veröffentlicht – und damit auch medial nach vorne gerückt worden.

Wir: „Halten Sie durch? Sie schaffen das! Und wenn Ihnen das zu einseitig ist: wir freuen uns sehr über Ihre Texte zu Männergesundheit im Arbeitsleben in dieser Lebensphase“.

Kurz zu den Fakten: Die Menopause, medizinisch als Klimakterium bezeichnet, sind eine natürliche Lebensphase, die bei Frauen typischerweise zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr auftritt. In dieser Zeit kommt es zu hormonellen Veränderungen, die verschiedene körperliche und psychische Symptome hervorrufen können. Diese beeinflussen nicht nur das Privatleben, sondern auch die berufliche Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Soweit bekannt.

Aber auch die Ausmaße? In Deutschland sind 9 Millionen Frauen in der Altersphase der Menopause. Etwa ein Drittel der Frauen erlebt diese Symptome so stark, dass sie ihre Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erheblich beeinträchtigen.

Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt. Psychologisch gesehen befinden sich Frauen in den Wechseljahren oft in einer Phase der Neuorientierung. Die Kinder sind möglicherweise aus dem Haus, und es entsteht Raum für persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Kompromissloser als früher, sinnsuchend, mit neuen Zielen – das bedeutet bei vielen Frauen vielerorts ein Absprung vom bisherigen Job. Wir sprechen also von über 3 Millionen Arbeitskräften.

Sei es wegen der einschränkenden Symptome oder aufgrund von Unzufriedenheit mit dem bisherigen Job: Eine Studie der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ergab, dass über die Hälfte der befragten Frauen das Thema am Arbeitsplatz als tabuisiert empfindet. Diese Tabuisierung führt dazu, dass betroffene Frauen ihre Beschwerden oder ihre Umorientierung verschweigen, notwendige oder mögliche Unterstützung nicht erhalten. Infolgedessen reduzieren viele Frauen ihre Arbeitszeit oder ziehen sich ganz aus dem Berufsleben zurück, was für Unternehmen den Verlust wertvoller Fachkräfte bedeutet und für die Frauen einen weiteren Baustein hin zum Risiko der Altersarmut.

Abhilfe ist einfach

Dabei braucht es nicht viel, um Frauen in dieser Lebensphase zu unterstützen und ihre Potenziale im Unternehmen zu erhalten, schreibt Andrea Rumler, Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Marketing als die Studienleiterin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin, zahlreichen Interviewer*innen ins Heft.

Und es gibt sie, die Unternehmen, die in ihrer Personalentwicklung nicht nur auf die Generation Z schielen, sondern – oft über das Thema Wissensmanagement kommend (dazu in einem kommenden Beitrag des „Frauenmonats März“ noch mehr) – auch ihre langjährigen Fachkräfte halten wollen.

Eine Anpassung des Arbeitsumfelds durch klimatisierte Arbeitsplätze oder eine Bereitstellung von Ruheräumen können das Wohlbefinden am Arbeitsplatz steigern. Das Standardangebot der betrieblichen Gesundheitsmanagements kann leicht um Passendes erweitert werden. Eine generelle Sensibilisierung, eine offene Kommunikation und Austauschmöglichkeiten rücken das Thema aus der Schmuddelecke. So beispielsweise praktiziert bei SAP, wo die Betriebsärztin Dr. Lea Scheidt sich am Vorbild Großbritannien orientiert hat, die bei dem Thema viel weiter sind.

Und um Frauen im Alter 47+ nicht nur im hormonellen Übergang, sondern auch bei ihrem Aufbruch zur beruflichen Neuorientierung zu begleiten, können Unternehmen darüber hinaus frühzeitig Orientierung geben, Führungskräfte Zielgespräche anbieten und Weiterbildungsoptionen schaffen, damit Frauen im Betrieb ihre Karriereplanung realisieren – so etwa eingeführt von Erdmute Thalmann, Managerin Diversity & WorkLife bei Vodafone.

Gute Personalarbeit ist der Schlüssel

Fassen wir das Wesentliche zusammen: Zur Menopause gehören nicht nur medizinische und psychologische, sondern auch soziale und betriebliche Perspektiven. Der Ruf nach strategischen Personalentwicklung für alle Mitarbeitenden liegt nahe – wenn, ja wenn die Wirklichkeit oft nicht anders aussehen würde.

In vielen Betrieben wird strategische Personalentwicklung durch Instrumente wie dem goldenen Handschlag für ältere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (ok, vornehmliche für Mitarbeiter, seien wir ehrlich) konterkariert, mit dem der Risikofaktor Gesundheit gegen verdiente Menschen ausgespielt wird und sich ihrer entledigt wird. Frauen, die vermeintlich freiwillig reduzieren oder sich aus dem Betrieb zurückziehen, passen in diese Strategie. Ob das aber angesichts des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels wirklich Probleme löst, sei dahingestellt. Auch das kirchliche Credo, dass jeder Mensch als solcher wertvoll ist und idealerweise an seinen Gaben und Möglichkeiten ausgerichtet ihren / seinen Platz im Beruf findet, stützt eine menschzentrierte Perspektive der Personalentwicklung.

Als „pars pro toto“ zeigt dieser kurze Blick auf Frauengesundheit, dass wir doch erst am Beginn stehen, Leerstellen und Stolpersteine im Berufsleben wahrzunehmen und soziale Innovationen zu entwickeln, die diese adressieren. Die Wechseljahre sind nicht nur eine persönliche Herausforderung, sondern durchaus ein gesellschaftlich und volkswirtschaftlich relevantes Thema mit weitreichenden Auswirkungen auf unsere Arbeits(platz)kultur. Eben ein „Change of life“, wie sie im englischen Sprachraum heißen.

Wir: „Sind Sie nun immer noch der Meinung, es reicht mit dem Thema Wechseljahre? Denken Sie vielleicht immer noch an Dragee- und Zelluloseprodukte aus Apotheke und Drogerien? Wir finden, es reicht nicht. Und Sie?“

Autorin: Annelies Bruhne, Referentin Wirtschaft, Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und Geschäftsführerin im Ev. Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA)

Foto: via pixabay

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