Den Sprung ins Berufsleben schaffen! – Das war der Sozialpolitische Buß- und Bettag in München

MÜNCHEN. Wie gelingt der Übergang von der Schule in den Beruf ohne Stolpern und Straucheln? Mit dieser Frage beschäftigten sich über 90 Teilnehmende beim diesjährigen Sozialpolitischen Buß- und Bettag, einer gemeinsamen Veranstaltung von Diakoniekirche, ejsa Bayern, Diakonie Hasenbergl e.V. und kda. Unter ihnen waren neben vielen Praxis-Expert*innen auch 20 Auszubildende und der Münchner Regionalbischof.

“Mind the gap!” lautete das Motto in der Diakoniekirche im Münchner Hasenbergl. Wie schwer die Lücke zwischen Schule und Beruf mitunter zu überwinden ist, erklärte Dr. Stefan Hofherr vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) anhand aktueller Studienergebnisse (s. Präsentation). Über zehn Prozent der Ausbildungsplatzsuchenden werden demnach nicht fündig, obwohl ebenfalls gut zehn Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben.

Ausbildungswünsche und Ausbildungsplätze passen oft nicht zusammen

Die Passungsprobleme sind teilweise regionaler Natur, das heißt vorhandene Ausbildungsstellen befinden sich nicht dort, wo die Bewerber*innen sind. Zudem klaffen Berufswünsche und Ausbildungsmöglichkeiten fachlich zunehmend auseinander. So bleiben laut Hofherr vor allem Ausbildungssuchende in der Informatik oder in Verkaufsberufen aufgrund von hoher Konkurrenz oft unversorgt. Auf der anderen Seite suchen besonders Hotels und Gaststätten, das Ernährungshandwerk oder Reinigungsbetriebe häufig vergeblich nach Ausbildungsnachwuchs.

RkdaBayern
Vortrag von Dr. Stefan Hofherr, Deutsches Jugendinstitut (DJI)

In anderen Fällen liegt das Passungsproblem eher an mangelnder Eignung oder Ausbildungsreife der Schulabgänger*innen – ein Umstand, dem fast 40 Prozent der Betriebe inzwischen durch besondere betriebsinterne Förderung und Nachhilfe zu begegnen versuchen. Wie Hofherr anhand von Verlaufsdaten zu den ersten fünf Jahren nach Verlassen der Schule anschaulich zeigte, gelingt vor allem denjenigen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, nur selten der Einstieg in die Ausbildung. Sie finden sich, so der Soziologe, häufig in ungelernten Tätigkeiten, in Erwerbslosigkeit oder in anderen prekären Lagen wieder.

Melanie Mahabat Bahar von der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern

Der Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral mit kda-Leiter Peter Lysy und Pfarrerin Sophie Schuster von der Diakoniekirche

Von den Statistiken zur Praxis: Austausch im World Café

Nach dem empirischen Startschuss folgte im “World Café” die Diskussion mit Expert*innen aus der Praxis: Martin Kilian vom Münchner Schlüsseldienst Kilian und Stefan Töllner von der Adolf-Kolping-Berufsschule berichteten an ihren Tischen von konkreten Erfahrungen mit jungen Menschen in der Ausbildung. Dr. Christof Prechtl von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und Leon Schwartz von der DGB Jugend Bayern diskutierten aus landesweiter Perspektive gemeinsam über die Hürden beim Einstieg ins Berufsleben. Karl-Heinz Gimpfl, U25-Koordinator im Jobcenter München, fächerte die vielfältigen Angebote der Sozialbehörde auf. Barbara Klamt, Geschäftsführerin der ejsa Bayern, bot an ihrem Tisch einen Austausch aus dem Blickwinkel der Auszubildenden an. Nimet Gökmenoğlu (Bündnis 90/Die Grünen) und Jens Luther (CSU) eröffneten stadtpolitische Perspektiven auf das Thema, nachdem zuvor bereits die 3. Bürgermeisterin Münchens, Verena Dietl, ein Video-Grußwort an die Veranstaltung gerichtet hatte.

Der Austausch in drei Runden lebte davon, dass die Teilnehmenden ihr eigenes Erfahrungswissen und ihre Expertise aus Betrieben, Behörden, Jugendhilfe, Kirche und Diakonie einbrachten. Unter ihnen waren auch zwanzig Auszubildende von Junge Arbeit der Diakonie Hasenbergl e.V., die in den dortigen Werkstätten das Schreinerhandwerk, Malerei oder Siebdruck lernen. Als Zuhörer und engagierter Diskutant nahm zudem Thomas Prieto Peral, Regionalbischof von München und Oberbayern, an den Gesprächen teil. Die Ideen, Fragen und Stichpunkte des World Cafés füllten am Ende mehrere Plakate (s. Ergebnisse).

Talente sehen statt Defizite!

Der Sozialpolitische Buß- und Bettag 2024 schloss mit einem großen Menschenkreis im Kirchenraum und dem Segen des Regionalbischofs. Thomas Prieto Peral ermutigte die Teilnehmenden, ganz im Sinne dieser Veranstaltung, den Blick weiterhin auf die Talente der Menschen zu richten statt auf ihre Schwächen oder Defizite.

Als Bonus zur Veranstaltung stellte Ute Hoffmann von der Münchner Volkshochschule ein interessantes Netzwerk-Projekt mit gleichlautendem Titel “Mind the gap” und ähnlichem Thema vor: “Grundbildungspfade anschlussfähig und passgenau gestalten”. (s. Link)

Flyer zum Sozialpolitischen Buß- und Bettag München 2024

Fotos: Roland Hacker, kda Bayern, Kirche und Handwerk
Titelbild: Martin Kilian vom Münchner Schlüsseldienst Kilian im Gespräch mit Teilnehmenden

Bildung, Gottesdienst, Arbeitslosigkeit, Führungskräfte, Wandel der Arbeitswelt, Betrieb, Ausbildung

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