Eines der „guilty pleasures“, der sündigen Vergnügen, denen ich mich manchmal hingebe, sind kleine Videos von so genannten „Tradwives“, die ich mir abends auf meinem Handy anschaue: junge Frauen, die in schönen Kleidern und sorgfältig geschminkt in ihrem Haushalt wirken. Ich tauche ein in ihre Phantasie- und Märchenwelt und stelle mir vor, auch ich würde Gummibärchen oder Bratwürste selbst herstellen, Tischdecken umhäkeln oder meinen acht Kindern beibringen, wie man Kühe von Hand melkt.
Keine Frau, die ich kenne, hat für sowas Zeit. Genau deshalb ist der Trend ja so faszinierend. Die Tradwives inszenieren ein trotziges Gegenbild zur modernen, emanzipierten Frau, die – wie die meisten von uns – erwerbstätig ist, immer zu wenig Zeit hat, und im ständigen Spagat zwischen ihren vielfältigen Verpflichtungen kurz vorm Burnout balanciert.
Seit einiger Zeit sind die Tradwives so etwas wie die Buhfrauen des Internet. Fast als hätten sie persönlich Donald Trump ins Amt katapultiert (und nicht etwa die vor allem weißen Männer, die ihn ganz überproportional gewählt haben). Sie werden kritisiert als Antifeministinnen, die jungen Frauen eine Welt vorgaukeln, die es nicht gibt, und sie davon abhalten, sich auf ihre Berufe und Karrieren zu konzentrieren.
Und ja, da ist natürlich was dran. Frauen beim Backen, Putzen und Kinderbespielen zuzuschauen, die unendlich viel Zeit und sichtlich keinerlei Geldsorgen haben, ist eine Flucht vor der Realität. Und für die emanzipierte Frau von heute eine Faszination des Schreckens. Darf man das denn? Ist das nicht jugendgefährdend?
Aber die Sehnsucht hinter dem Trend ist real. Die Tradwife-Influencerinnen legen ihre mehlbesprenkelten Finger in die Wunden der heutigen Erwerbsarbeitswelt, die oft wenig Befriedigung mit sich bringt, dafür aber Leistungsdruck, Stress, Zeitmangel. Aller feministischen Kritik zum Trotz ist sie immer noch auf kerngesunde Menschen ohne Care-Verpflichtungen eingerichtet. Die vermeintliche „Vereinbarkeit“ von Kindererziehung, Sorge für Alte und Pflegebedürfte und Berufstätigkeit ist ein Witz, und den Preis bezahlen in der Regel Frauen, die bis zur ständigen Erschöpfung rennen und schuften.
Zugegeben: Plüschige Hausfrauennostalgie ist auch keine Lösung. Aber Sünde, so wissen wir doch, ist nicht individuelle Schuld, sondern die Verstrickung in gottlose Strukturen. Und es sind die Strukturen, auf die sich auch die Kritik am Kult der „Tradwives“ richten muss, nicht einzelne Frauen, die „unfeministische“ Videos drehen. Oder sich anschauen.
Antje Schrupp, Journalistin und Politologin
Foto: Marisa Howenstine via unsplash