KRONACH. Pfarrer Reinhold König hat sich viele Jahrzehnte an der Seite von afa und kda für Arbeitnehmende eingesetzt. Jetzt ist er im Ruhestand und denkt gar nicht daran, damit aufzuhören. Er ist weiterhin aktiv in der Arbeitsseelsorge, stellvertretender afa-Landespfarrer und theologischer Berater des Bundesverbands der evangelischen Arbeitnehmer-Organisationen (BVEA). Wir haben ihn nach den Motiven für sein Engagement gefragt.
Welche Erfahrungen und Menschen in der Arbeitswelt haben dich als afa-Pfarrer geprägt?
Ich war Vikar in der Arbeitergemeinde Sulzbach-Rosenberg. Dort gab es damals vor 40 Jahren die Maxhütte, das einzige Eisen- und Stahlwerk in Bayern mit damals noch 10.000 Beschäftigten. Bei meinen Hausbesuchen lernte die Probleme der Schichtarbeiter kennen und die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Denn damals fing es an, dass immer mehr Arbeitsplätze in der Maxhütte abgebaut wurden. Viele hatten sich dort eine Existenz aufgebaut, ein Haus gekauft oder gebaut. Und plötzlich standen sie vor einer ungewissen Zukunft.
Was hat geholfen in einer solchen Situation?
Mein Lehrpfarrer Dr. Roland Gierth und ich konnten natürlich keine Arbeitsplätze schaffen. Wir merkten aber: da sein, zuhören, Interesse an den Menschen und ihrem Schicksal haben, hat ihnen gutgetan. Die wollten auch keine Lösungen von uns, sondern waren froh, dass wir Solidarität zeigten und Gespräche mit ihnen führten. Die Gefahr, seinen sicher geglaubten Arbeitsplatz zu verlieren, hat die Menschen erschüttert und wir konnten Seelsorger in Präsenz sein.
Damals wurde ich auf die afa (Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen) aufmerksam. Ich habe nicht geahnt, dass sie mich mein ganzes Berufsleben lang begleiten und prägen sollte.
Wie bist du mit den Regionen Oberpfalz und Oberfranken persönlich und beruflich verwachsen?
Nach meiner Lehrzeit kam ich als Pfarrer z. A. nach Tettau. Dort gab es viele Glasmacher und Porzellanhersteller und einen afa-Kreis. Meine Aufgabe als Pfarrer vor Ort war es, diesen Kreis zu begleiten. Sehr schnell konnte ich das Vertrauen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen gewinnen. Regelmäßig gab es Vorträge zu sozialpolitischen Themen, Ausflüge zum Amt für Industrie- und Sozialarbeit in Nürnberg, Betriebsbesichtigungen bei den Tettauer Glaswerken in Alexanderhütte und oder in Kleintettau bei der Firma Carl-August-Heinz. Gespräche mit den Betriebsräten waren selbstverständlich. Natürlich kam ich mit den Porzellinern zusammen, die mir ihre Nöte und Sorgen mitteilten. Es genügte schon, wenn ich einfach zuhörte und mich für sie interessierte.
Als Pfarrer in Kronach organsierte ich als kda-Beauftragter Betriebsbesichtigungen für das Pfarrkapitel bei der Firma Loewe Opta, Fernseh-Hersteller, bei Dr. Schneider in Neuses, einer Automobilzulieferfirma für Autoteile oder bei der Porzellanfabrik Rosenthal. Nach den Führungen schloss sich immer ein Gespräch mit den Leitungskräften an. Ergebnis: Die Verantwortlichen wünschen sich die Kirche. Sie freuen sich, wenn ihre Arbeit gesehen wird als Arbeitgeber und Brotgeber für viele Menschen in der Region.
Welche arbeitsweltlichen Themen sind dir ein Anliegen gewesen?
Die Sorgen und Nöte der arbeitenden Bevölkerung lagen mit schon immer am Herzen. Ich wollte als Pfarrer Seelsorger sein für die Schwächsten in der Gesellschaft. Dazu gehören für mich die Arbeitnehmenden.
Arm trotz Arbeit, Lohn oder Rente, die gerade so zum Leben reichen, Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Schieflagen in der Gesellschaft, Sonntagsschutz – das alles waren Themen, die mich tief bewegten, betroffen machten und manchmal sogar empörten.
Was bewegt dich, auch im Ruhestand noch für afa und die Arbeitswelt aktiv zu bleiben?
Ich weiß, dass ich nicht die ganze Welt retten kann, aber in meinen Umkreis, in meinem Beruf, in meiner Nachbarschaft, in meiner Familie will ich die Welt ein bisschen besser machen als ich sie vorfinde.
Als privilegierter Mensch, als Christ sehe ich es als meine Aufgabe und Pflicht an, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass es in der Welt menschlicher, gnädiger und barmherziger zugeht.
Ich sehe es als Sinn des Lebens, mich zu engagieren und damit Spuren zu hinterlassen. Und das kann ich, indem ich Menschen das Gefühl gebe, dass sie gesehen werden. Jetzt im Ruhestand habe ich endlich die Zeit dazu, meine jahrelange Erfahrung weiterzugeben und den Arbeitnehmenden zu vermitteln, dass Kirche für sie da ist. Und das passiert für mich in der afa und im „Bundesverband Evangelischer Arbeitnehmerorganisationen“ (BVEA).
Das Interview mit Reinhold König führte Hanna Kaltenhäuser, wissenschaftliche Referentin im kda Bayern.
Foto: privat