Interview zum Internationalen Frauentag 2025

NÜRNBERG. Der Internationale Frauentag ist eine Aneinanderreihung von zähen und langen Kämpfen, die Frauen für die Gleichstellung geführt haben. Gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Allgemeine Gelichstellungsgesetz oder die Erweiterung des Gleichstellungs-Artikels Art. 3 unserer Verfassung haben einiges vorangebracht. Doch es müssen noch viele Gesetze angepasst werden und dem Status Quo der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aufgreifen.

Das betrifft auch das Bayerische Gleichstellungsgesetz (BayGlG). Es trat im Jahr 1996 in Kraft und wurde seit 2006 nicht mehr geändert. Die bayerische Frauenorganisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB Frauen) haben gemeinsam mit Gleichstellungsbeauftragten aus allen Bereichen des Freistaates seit 2016 für die Novellierung des Gesetzes gekämpft. Diese überfällige Gesetzes-Anpassung wurde von der Bayerischen Regierung immer wieder vertagt und verzögert. Nun liegt endlich ein neuer Gesetzesentwurf vor, der sich zurzeit im politischen Abstimmungsprozess befindet.

Also alles gut? Nein!

Das sagen viele Frauen und bayerische Frauenorganisationen. Ein wirksames Gleichstellungsgesetz sollte das Ziel haben, die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt sowie in allen gesellschaftlichen Bereichen weiter zu fördern. Doch der Entwurf bleibt hinter seinem eigenen Ziel und vielen Maßnahmen zurück, die wirksam und dringend nötig wären auf dem Weg zur Gleichberechtigung.

Der 8. März bleibt ein Kampftag für Gleichstellung in Bayern. Leider.

Zum Internationalen Frauentag 2025 hat Nina Golf vom kda Bayern bei Martha Büllesbach, Abteilungsleiterin Frauen- und Gleichstellungspolitik im DGB Bayern, und Bettina Messinger, Vorsitzende des DGB Bezirksfrauenausschusses und Frauensekretärin des ver.di Landesbezirks Bayern, nachgefragt. DGB und kda sind Mitglieder des Bayerischen Landesfrauenrates.

Bayern soll ein neues Gleichstellungsgesetz bekommen. Wird es nach so vielen Jahren endlich Wirklichkeit? Warum brauchte es eine Erneuerung des BayGlG?

Büllesbach: Das Bayerische Gleichstellungsgesetz ist in seiner aktuellen Form weitgehend wirkungslos, was auch die Gleichstellungsberichte der Staatsregierung verdeutlichen. Es benötigt dringend eine grundlegende Überarbeitung. Ein Beispiel dafür liefert das Saarland, das bereits 2015 das Gleichstellungsgesetz reformierte. Dort haben Gleichstellungsbeauftragte ein Klagerecht, und es gibt klare Regelungen zur Freistellung der Beauftragten.

Messinger: Obwohl mehrfach eine Reform des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes angekündigt wurde, ist bislang keine Umsetzung erfolgt. Stattdessen wurden immer wieder neue Ausreden vorgebracht, warum eine Reform gerade nicht möglich sei. Einmal hieß es: „Angesichts der aktuellen Energie- und Flüchtlingskrise ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.“

Diese Argumentation verdeutlicht, wie wenig Priorität die Gleichstellung für die Staatsregierung hat, obwohl sie sogar in der Verfassung verankert ist.

In Niedersachsen gibt es beispielsweise 1,7 Gleichstellungsbeauftragte pro 100.000 Einwohner*innen, während es in Bayern lediglich 0,3 sind. In Bayern verfügen zudem 21 % der Dienststellen über kein Gleichstellungskonzept. Bei 35 % der bestehenden Konzepte fehlen Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Führungspositionen. Hinzu kommt, dass es keine Sanktionen gibt, wenn das Gesetz nicht eingehalten wird.

Für wen ist das Gesetz? Gilt es auch für uns Kirchenbeschäftigte? Was sind die Big Points, von denen wir uns als Frauen etwas versprechen dürfen?

Messinger: Das BayGlG gilt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Andere Gleichstellungsgesetze haben den Geltungsbereich erweitert auf Mehrheitsbeteiligungen des jeweiligen Bundeslandes. Das Bayerische Gleichstellungsgesetz (BayGlG) und die meisten anderen Gleichstellungsgesetze der Bundesländer gelten nicht direkt für kirchliche Einrichtungen, da Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland eine Sonderstellung genießen.

Büllesbach: Kommunale Gleichstellungsbeauftragte arbeiten eng mit lokalen Organisationen, wie beispielsweise Frauenhäusern, zusammen, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Sie sind aktiv in politische Prozesse der Gemeinden und Städte eingebunden und tragen zum Aufbau eines starken Netzwerks für Gleichstellung bei. Zudem unterstützen sie Frauenprojekte, fördern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und leisten wichtige Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit.

Was ist die Hauptkritik des DGB und der Frauenorganisationen am Regierungsentwurf?

Büllesbach:

Der aktuell vorliegende Regierungsentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung und wird ausdrücklich begrüßt. Aber der Gesetzentwurf geht nicht weit genug, und ist für die Verwirklichung der Gleichstellung in Bayern nach wie vor zu schwach.

Der letzte Gleichstellungsbericht hat deutliche Umsetzungsdefizit hinsichtlich der Erstellung von Gleichstellungskonzepten aufgezeigt. Im vorliegenden Gesetzentwurf wird ein Mediationsverfahren vorgeschlagen, aber ohne verbindlich geregelte Sanktionen wird diesem Defizit nicht beizukommen sein. Auch muss die Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt werden, dazu gehört u.a. eine angemessene Freistellung. Besonders kommunale Gleichstellungsbeauftragte sind wichtige Bindeglieder zwischen Kommunalverwaltung und der Gesellschaft.

Was können wir tun, damit das Gleichstellungsgesetz tatsächlich im Alltag Anwendung findet?

Messinger: Es ist bedauerlich, dass die bevorstehende Novellierung des Gleichstellungsgesetzes in Bayern keine tatsächlichen Fortschritte für die Gleichstellung bringt. Stattdessen wird im Gesetz bereits festgelegt, dass das Gesetz abgeschafft werden soll, sobald die festgelegten Ziele erreicht sind. Dies wirft die Frage auf, ob die Staatsregierung tatsächlich langfristige Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung anstrebt oder ob die Reform lediglich als symbolische Geste ohne nachhaltige Wirkung dient.

Und wenn das geschafft ist, was ist der nächste frauenpolitische Meilenstein in Bayern sein?

Messinger: Gleichstellung ist eine verfassungsmäßige Aufgabe! Im Freistaat Bayern gibt es nach wie vor einen erheblichen Nachholbedarf in Bezug auf die Gleichstellung.

Der Frauenanteil im Landtag ist bei der letzten Wahl auf ein historisches Tief von nur 25,1 Prozent gesunken. Zudem belastet die Lohnlücke von 18 Prozent (Stand 2024) Frauen erheblich, und jede vierte Frau in Bayern ist von Altersarmut bedroht. Es gibt also mehr als genug Themen, die dringend angegangen werden müssen.

Büllesbach: Trotz dieser Herausforderungen geben wir die Hoffnung nicht auf, dass es auch in Bayern gelingt, das Gleichstellungsgesetz so zu reformieren, dass es nicht nur ein zahnloser Tiger bleibt, sondern endlich die notwendige Wirkung entfaltet. Der Freistaat hat als Arbeitgeber hier eine Vorbildfunktion.

Gleichstellung stärkt die Demokratie und darf keinesfalls zu einem Nischenthema degradiert werden.

Danke für Eure Expertise!

Hintergrund: Evangelische Frauen in Bayern (EFB) fordern Novellierung des Kirchlichen Gleichstellungsgesetzes
Die Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) haben bei ihrer letzten außerordentlichen Mitgliederversammlung, darunter auch Vertreterinnen von afa und kda, einstimmig beschlossen, sich für eine Novellierung des Kirchlichen Gleichstellungsgesetzes (KGlG) stark zu machen. Dieses Gesetz, das seit über 20 Jahren in Kraft ist, soll angesichts der veränderten Strukturen in der evangelischen Landeskirche überprüft und an die neuen Verhältnisse angepasst werden.

Hintergrund:

Die Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) haben bei ihrer letzten außerordentlichen Mitgliederversammlung, darunter auch Vertreterinnen von afa und kda, einstimmig beschlossen, sich für eine Novellierung des Kirchlichen Gleichstellungsgesetzes (KGlG) stark zu machen.

Dieses Gesetz, das seit über 20 Jahren in Kraft ist, soll angesichts der veränderten Strukturen in der evangelischen Landeskirche überprüft und an die neuen Verhältnisse angepasst werden.

Frauen, Politik, Geschlechtergerechtigkeit

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