“Not lehrt beten.” So haben es die Alten oft gesagt. Für manche ist das ein Erweis, dass Menschen einen lieben Gott nur brauchen, wenn es ihnen schlecht geht. Sonst lassen sie ihn gerne einen lieben Gott sein.
In diesen Zeiten klingt dieser Satz noch etwas anders für mich, in Zeiten, in denen viele Menschen unter Dauerstress erscheinen, von einer Krise in die nächste stolpern, eine zehrender als die andere. Die Not unserer Zeit: Dauererschöpfung durch Dauerstress?
Lehrt Not da beten? Wenn ich mich umhöre und umschaue, beobachte ich eher anderes: „Not lehrt Bitterkeit.“ „Not lehrt Zynismus.“ „Not lehrt Zorn, blinde Wut, Hass.“ „Not lehrt Verzweiflung.“ „Not lehrt Neid.“ Das fällt mir auf.
Können Sie das nachvollziehen, wenn Sie sich umhören und umschauen, im Freundes- und Familienkreis, unter Kolleginnen und Kunden, in ihrem eigenen Herzen?
Es ist jedenfalls nicht selbstverständlich, dass Not beten lehrt. Wozu auch? Ich antworte mit einer Zeile aus einem Gebet:
Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir. (Jona 2,8)
Was hier als frommer Spruch daherkommt, das ist eigentlich eingebettet in eine dramatische Situation. Es ist dem Gebet des Propheten Jona entnommen, als er drei Tage und drei Nächte im Leib eines Fisches zubrachte.
Wie kam er dahin? Nun, folgt man der Geschichte, dann muss man sagen: weil er seinen Job nicht gemacht hat. Denn Jona war von Gott, dem HERRN, beauftragt, der Stadt Ninive zu predigen, dass sie von ihren bösen Wegen umkehrten und dem HERRN neu vertrauten. Tja, und was macht Jona? Haut ab auf ein Schiff, um, wie es heißt, „dem HERRN aus den Augen zu kommen.“ (Jona 1,3). Als ob das möglich wäre. War es ja auch nicht. Denn nach den Tagen und Nächten im Fisch wurde er an Land gespien und war so weit wie am Anfang der Geschichte. Lektion gelernt. Jona geht und erledigt seinen Job. Die Stadt Ninive bekehrt sich nach seiner Bußpredigt.
Die Jona-Geschichte ist mit gutem Grund beliebt bei Kindergottesdiensten und Kinderbibeltagen. Eindrücklich ist der so oft gemalte im Fisch sitzende Prophet, eindrücklich sein Gebet, dessen Quintessenz in diesem Vers zum Ausdruck kommt: „Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir.“ (Jona 2,8)
Wie kommt man aber in dieses Gebet und was bringt es? Hinweise gibt der Vers: „Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN.“ Da erinnert sich einer des HERRN, was voraussetzt: da weiß einer um den HERRN und des HERRN Worte und Wege. Jona und der HERR – it goes a long way back. So wie einer beheimatet ist in den Worten der Schrift, die zum Nachsprechen und selbst Sprechen anregen, die überhaupt Worte geben für sonst Unaussprechliches oder Unbesprechbares.
Die Jona-Geschichte ist ja auch so eingänglich und beliebt, weil sie exemplarisch uns diese Worte gibt, die starken Bilder, von denen das Gebet des Jona lebt: „Ich schrie aus dem Rachen des Todes…Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben…ich sank hinunter zu der Berge Gründen.“
Sie macht nicht nur die Not besprechbar, sondern auch den Gott, der aus dieser Not rettet, und zwar als Urheber dieser Not: „Du warfest mich in die Tiefe, mitten ins Meer, daß die Fluten mich umgaben.“ Klar werden wir da schnell zögerlich, wenn wir das lesen. Denn verallgemeinernd ist dies falsch. In dieser Geschichte stimmt es. Zugleich regt es aber an, sich zu fragen: Wie ist es denn in meiner Geschichte? Was ist mein Gebet, dass in meiner Not stimmt?
So lehrt Not beten, und diesem Lernen ist verheißen, was Jona so sagt (übrigens noch im Fisch, also in seiner Not sitzend): „..und mein Gebet kam zu dir.“
Pfarrer Peter Lysy, Leiter kda Bayern
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