Mutig sein: Mitfühlen. Verstehen. Bleiben. Mittwochsandacht

Im Arbeitsalltag zählt oft, was „leistet“: Termine, Ergebnisse, Effizienz. Viele von uns wissen aber aus eigener Erfahrung, dass es etwas anderes ist, was Gruppen und Gemeinschaften stark macht. Soziale Kompetenzen und zwischenmenschliche Fähigkeiten wie Empathie und Verständnis sind nicht nur ein nettes Extra. Ohne sie fehlt dem Miteinander etwas Entscheidendes. Sie sind der unsichtbare Kitt, der Projekte trägt, Spannungen löst und durch schwierige Zeiten hilft.

Für mich sind diese Begriffe einerseits Synonyme. Andererseits betonen sie auch Unterschiedliches. Empathie lässt sich als mitfühlende Nähe beschreiben, in der die Person präsent ist, emotional mitschwingt und begleitet. Es geht um Einfühlungsvermögen. Verstehen hat auch einen kognitiven Aspekt. Ohne aktives Zuhören, ohne sich ein Stück weit in die Person hineinzuversetzen, würde dem Verstehen etwas Elementares fehlen. Richtig verstandenes Einfühlen und Verstehen führt gerade nicht zu einem Harmoniestreben um jeden Preis, welches Konflikte überspielt, nicht ernst nimmt oder gar leugnet.

Wo Einfühlungsvermögen und echtes Verständnis vorhanden sind, öffnen sich die Menschen, trauen sich, Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben, um Hilfe zu bitten. So können alle wachsen, fachlich und menschlich. Es kann gelingen, Lösungen zu finden, die nicht nur Kompromisse sind, sondern zu einem Interessenausgleich führen und vielleicht sogar einem echten Konsens nahekommen. Empathie und Verständnis bewirken noch viel mehr. Auf den ersten Blick Unsichtbares und Verborgenes wird durch sie sichtbar und wahrgenommen.

Weil unsere Wirtschaftsweise aber andere Werte aktiv fördert und belohnt, sind Empathie und Verständnis selten anzutreffen. Sie werden nicht nur nicht belohnt, sondern können für empathische Menschen, denen auch Verständnis wichtig ist, sogar zum Nachteil werden. So sind sie selten, diese Momente, in denen ein anderer Mensch zuhört und man spürt, der fühlt wirklich mit mir. Oder man spricht und merkt plötzlich, da versteht jemand, was ich meine und nimmt mich ernst.

Im betrieblichen Alltag werden diese Fähigkeiten oft gebremst: Wenn der Druck zu groß ist. Wenn man gesehen werden will, weil Konkurrenzdruck und Vergleich dominieren. Wenn ein schneller, sachlicher, effizienter Kommunikationsstil vorherrscht. Wenn man es dennoch tut, ist es auch eine Frage des Mutes: des Mutes, Mensch zu bleiben, wo es am einfachsten wäre, sich hinter Prozessen oder Rollen zu verstecken.

Auch in unserer täglichen Arbeit als Mitarbeitende des kda, bei den vielen Unternehmenskrisen, den damit verbundenen Betriebs- und Personalversammlungen, bei der Begleitung von Menschen in existenziellen Notlagen ist Empathie und Verständnis sehr grundlegend. Wir können in solchen Fällen keine Lösungen anbieten, bestenfalls Wege aufzeigen. Aber das Wichtigste in solchen Situationen ist, einfach da zu sein. Wenn das Leid zu groß ist, hilft nicht Reden, sondern nur Nähe.

Wie Kraftvoll und notwendig diese sein kann, zeigt eine alte Geschichte aus der Bibel. Hiobs Freunde kamen „um zu ihm zu gehen und mit ihm zu klagen und ihn zu trösten.

Und sie setzten sich zu ihm auf die Erde, sieben Tage und sieben Nächte, und keiner sagte ein Wort zu ihm, denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war“

(Hiob 2,11-13, Zürcher 2007)

Einfühlungsvermögen und Verständnis sind zu wertvoll, um verloren zu gehen. Wo kann ich sie heute einüben? Wo kann ich durch sie positive Veränderungen bewirken, wo muss ich einfach schweigend nahe sein?

Thomas Krämer, wissenschaftlicher Mitarbeiter, kda Bayern

Titelbild: KI-generiertes Bild erstellt mit ChatGPT (OpenAI), 2025.

Einfühlungsvermögen, Empathie

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