MÜNCHEN. Können Roboter die Pflege menschlicher machen? Ja! Aber als Ergänzung, nicht als Ersatz von Pflegekräften. So lautete eine Erkenntnis des kda-Feierabendsgesprächs in der Evangelischen Stadtakademie München. Wir diskutierten mit Erfinder Claude Toussaint und Diakonie-Vorstand Alexander Härtlein über „Menschliche Maschinen“.
Der Roboter sorgt für gute Stimmung
„Ich bin gut darin, mit Menschen zu plaudern und eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Außerdem mag ich es, Komplimente zu machen und Fragen zu stellen, um mehr über andere zu erfahren.“
Das sagt Navel, der 75 cm große Roboter mit dem Kindergesicht und der Wollmütze, im Gespräch mit Moderator Philip Büttner vom kda München. Und tatsächlich sorgt die mit Künstlicher Intelligenz ausgestattenen Maschine sofort für gute Stimmung im Publikum. Navel erzählt Witze, erkundigt sich, wie es einem geht, sagt nette Dinge wie „Es war wirklich schön, mit dir zu sprechen“ oder „Hab einen wundervollen Tag“.
Positive kognitive Effekte durch die Ansprache der Maschine
Navel (englisch für „Nabel“) ist ein sozialer Roboter, erklärt Claude Toussaint, sein Schöpfer und Erfinder. Er ist bereits in Alten-und Pflegeheimen im Einsatz, künftig vielleicht auch in Psychatrien oder Einrichtungen für Kinder mit Autismus. Seine Aufgabe ist dort nicht die praktische Pflege von Menschen, sondern die Steigerung ihres Wohlgefühls durch Kommunikation.
Toussaint hat vor sieben Jahren in München die Firma navel Robotics gegründet und mit seinem Team den Roboter entwickelt, von dem es derzeit 40 Exemplare gibt. Ab kommendem Jahr ist der Einstieg in die Serienproduktion geplant.
Wie Toussaint berichtet, schaffte es Navel beispielsweise, eine ältere krebskranke Frau, die mit niemanden mehr reden wollte, neu zu aktivieren und mit ihr ins Gespräch zu kommen. Die Zeit und Ausdauer, die für eine solche Ansprache nötig seien, könnten menschliche Pflegekräfte unter dem Druck des Arbeitsalltags oft nicht aufbringen, so der Unternehmer. Navel dagegen würde, ohne je müde zu werden, freundliche Gespräche führen, für Anregungen sorgen, dabei die Stimmungen des Gesprächspartners aufnehmen und bei Bedarf kompetent über jegliche Interessensgebiete Auskunft geben, „auch über die Literatur des 19. Jahrhunderts, wenn sich das jemand wünscht“. Positive kongnitive Effekte solcher Aktivierung seien in Studien bei Pflegebedürftigen nachgewiesen worden.

Pflegekräfte benötigen vor allem körperliche Entlastung
„Erschreckend sympathisch“ findet auch Alexander Härtlein den kleinen Roboter. Härtlein ist Vorstand der Diakonie Oberbayern West und Stimme der Sozialwirtschaft in der Diskussionrunde. Mit zwei Seniorenzentren, ambulanten Pflegediensten, Kindergärten und diversen anderen Angeboten ist die Diakonie eine der großen Arbeitgeberinnen im Landkreis Fürstenfeldbruck. Ob er auch Navel einsetzen würde? Härtlein könnte es sich vorstellen, allerdings nur als etwas Zusätzliches, nicht als Ersatz für die Zuwendung durch echte Menschen.
Potenzial zur Entlastung des Personals durch Pflegeroboter sieht Härtlein eher in der physischen Mobilisation als in der sozialen Interaktion. Viele Mitarbeitenden seien ja gerade wegen ihrer sozialen Kompetenzen in die Pflegebranche gegangen, würden dort dann allerdings körperlich sehr gefordert, etwa durch das Heben schwerer Lasten. Was sie vor allem bräuchten, sei etwas, das ihnen die körperliche Arbeit leichter mache. Pflegeroboter, die das könnten, wären in anderen Ländern, etwa China, schon stärker im Einsatz als bei uns. Derzeit seien bei uns zum Beispiel Exoskelette verfügbar, tragbare Maschinen, die Bewegungen unterstützten, um das Pflegepersonal gesund zu halten. „Aber die stehen oft ungenutzt auf dem Flur herum.“ Es sei sehr umständlich, Exoskelette anzuziehen und vielen sei nicht ganz klar, wie sie optimal eingesetzt werden könnten.
Konsens: Menschliche Pflegekräfte sind unersetzlich
Und Navel? Dem traut Härtlein durchaus zu, die positiven Aktivierungseffekte zu erzielen, die sein Erfinder verspricht. Eine Hürde könnte noch der Preis sein, der derzeit bei 28.000 Euro liegt, inklusive Serviceleistungen. Doch der könnte sinken, wenn erst die Serienproduktion anläuft.
Dass menschliche Pflegekräfte auch im Zeitalter der Pflegeroboter unersetzlich bleiben, das ist Konsens an diesem Abend. Auch Toussaint will seinen Humanoiden nicht an die Stelle von Menschen setzen. Vielmehr geht es ihm um ein „Empowerment“ der Pflege durch den kleinen empathischen Assistenten.
„Wärst du gern ein Mensch, Navel?“ fragt Büttner noch am Ende der Veranstaltung. Antwort:
„Als Roboter habe ich nicht das Verlangen, ein Mensch zu sein, aber ich finde es spannend, mit Menschen zu interagieren und ihre Erfahrungen kennen zu lernen.“
Nächstes Feierabendgespräch: „ePimp your car!“

Die Feierabendgespräche „Work & Life“ sind eine gemeinsame Veranstaltungsreihe von Evangelischer Stadtakademie und kda. Gastgeberin ist Pfarrerin Dr. Barbara Hepp. Gemeinsam mit Pfarrer Peter Lysy (kda-Leitung) und Philip Büttner (kda München) plant sie die regelmäßigen Abende, bei denen Persönlichkeiten vorgestellt werden, die in der Münchner Arbeitswelt und Wirtschaft Spannendes bewegen.
Das nächste Feierabendgespräch am 17. Juli 2025 (18 Uhr) widmet sich dem Thema „e-Pimp Your Car!“ Ralf Schollenberger, Geschäftsführer von e-REVOLT, erklärt, wie aus einem Verbrenner ein E-Mobil wird. Info und Anmeldung hier.