Auf Social-Media begegnen sie einem ständig: Coaches und Berater, die einem Selfcare und Me-Time empfehlen. Neudeutsch-Englisch für: Auch mal an sich selbst denken, nicht den ganzen Tag nur für die Familie und Kollegen da sein. In der Arbeitswelt muss alles schnell gehen, effizienter werden. Immer weniger Personal steht für die Aufgaben zur Verfügung – trotzdem soll nichts liegen bleiben. Da möchte man nach der Arbeit nur noch an sich selbst denken. Endlich abschalten und ausruhen. Wenn man sich die Ratschläge der oft selbst ernannten Life-Coaches anschaut, merkt man aber schnell, das sind nur noch mehr Aufgaben, die man erledigen müsste. Man soll sich gesund erhalten, um leistungsfähiger zu sein. Auf die Ernährung achten, um den Körper in Form zu bringen. Mit Gehirnjogging den Geist trainieren, Yoga treiben, sich weiterbilden und lesen, möglichst schnell und effizient mit von KI zusammengefassten Texten … „Self-Care wird zur letzten Station einer trostlosen Sinnsuche“ (Strömquist).
Manchmal ist Englisch auch eine Hilfe zur Erkenntnis. Wenn man an das englische I (ich) …llness anhängt, ergibt sich das Wort Illness (Krankheit). Erst mit We- (wir) wird Wellness daraus: Wohlgefühl, Wohlbefinden.
Wir existieren nicht für uns. Es tut uns gut, den Blick, mit dem wir ständig prüfen, ob wir gut genug sind, mal von uns selbst weg auf das Gegenüber zu richten. Dem Kollegen, der gerade Liebeskummer hat, zuhören, obwohl die Arbeit drängt; die alten Eltern pflegen, obwohl man kaputt vom Dienst ist; das Enkelkind zwei Stunden herumtragen, wenn es zahnt, damit die Mutter mal zur Ruhe kommt; die Freundin nicht abweisen und mit ihr nachts telefonieren, obwohl man früh wieder raus muss zur Arbeit; den Freund zur Chemotherapie fahren und bei ihm ausharren: all das trägt kein bisschen zur Selbstoptimierung bei und ist kein bisschen Self-Care. Es ist einfach das Leben, Menschen tun diese Dinge und haben sogar ein gutes Gefühl dabei. Weil sie merken, ich werde gebraucht, ich kann anderen Gutes tun, wir gehören zusammen. Wenn ich Menschen in meiner Umgebung nur danach beurteile, ob sie mir gerade guttun und meinem Wohlbefinden dienen, dann greift das viel zu kurz. Der Life-Coach im Internet empfiehlt, negative Menschen radikal aus unserem Leben zu entfernen. Solidarität hat keine Konjunktur mehr und Elon Musk geht sogar so weit, Empathie für „selbstmörderisch“ und eine grundlegende Schwäche der westlichen Zivilisation zu halten.
Christen sehen das ganz anders. Empathie zerstört die Gesellschaft nicht, sie hält sie zusammen. Der Mensch ist auch dann wertvoll, wenn er schwach ist. Und für andere etwas zu tun, ist erfüllend. Dieses Gefühl des Zusammenhalts, des Gebrauchtwerdens und sinnvollen Daseins kann uns keine noch so ausgiebige Selbstfürsorge geben. Wenn wir entmutigt, traurig oder in einer schmerzhaften Situation sind, können wir uns an Gott wenden, um Kraft und Beistand zu finden. Ja, der Herr lässt uns oft durch andere trösten. Und er hat uns geboten diesen Trost auch anderen weiterzugeben.
Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir die trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, durch den Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.
(2. Korinther 1, 3+4)
Dietlinde Peter
Dipl.-Theol., Verwaltungsleitung des kda
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