„Wie man in den Wald ruft, so ruft es zurück.“ Ein Stück Lebensweisheit ist das ja, weitergetragen von Generation zu Generation. Lebensweisheit, die auch von Erfahrungen im Berufsleben gespeist ist. Einem nörglerischen Kunden begegnet man in der Regel mindestens reservierter als einem freundlichen. Ein grantlerischer Kollege erlebt vermutlich eher Kollegen und Kolleginnen, die auf Distanz sind oder zurückgranteln, als welche, die den Kontakt suchen. Und eine motivierende Chefin reißt ihre Mitarbeitenden eher mit als ein stets kritischer Chef.
Bewusst sage ich: „eher“. Denn dies ist ja nicht immer der Fall. Es gibt diese bemerkenswert freundlichen Kundenbetreuerinnen, die jeden positiv ansprechen, egal wie er oder sie sich gibt. Und es gibt die motivierenden Chefinnen, die doch nicht beim Team durchdringen, aus welchem Grund auch immer. „Wie man in den Wald ruft, so ruft es zurück.“ ist keine Regel, die stets zum Erwünschten oder Erwarteten führt, aber sicherlich eine hilfreiche, durchaus kluge Orientierung. Sonst wäre sie schon längst vergessen und nicht im Volksmund aufbewahrt.
Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
(Mt 5,7)
Auch dieses Wort ist aufbewahrt, in der Bibel. Es klingt sehr ähnlich wie das Sprichwort aus dem Wald. Ist es also eine weitere Lebensweisheit, auch für den Berufsalltag?
Es gibt zumindest einen Hinweis, wohin man schauen kann (nicht nur) in den Momenten, in denen der gewünschte oder erhoffte Rückruf aus dem Wald nicht erfolgt. Denn dieses Wort beginnt bereits vor dem, was Menschen so in den Wald rufen und zurückrufen. Es setzt bei Gottes Ruf an, der als barmherzig gekennzeichnet wird und den wir erwarten, wenn wir beten: „Gib uns unser täglich Brot“.
Anders als zwischen uns Menschen erwartet dieser Ruf keinen vergleichbaren Rückruf, sondern einen Weiterruf. Gottes Barmherzigkeit will geteilt und mitgeteilt sein. Sie verbraucht sich nicht, sondern ist jeden Morgen neu. Daher hat es auch kein Ende mit ihr, wenn der Rückruf aus dem Wald nicht wie erwartet oder gewünscht erfolgt. Und daher können wir mit ihr auch verschwenderisch umgehen, auch im Berufsalltag. GottseiDank.
Pfarrer Peter Lysy, Leiter kda Bayern
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