Wofür leben wir? Mittwochsandacht

Morgen ist es soweit – dann endet wieder ein Schuljahr in Bayern. Man könnte jetzt über das Schulsystem schreiben oder streiten, vielleicht Bezug nehmen auf die öffentliche Äußerung in den letzten Wochen, dass Schulferien zu lange sind (anstatt sich über Ferienbetreuung Gedanken zu machen). Man könnte über den Vorwurf sinnieren, dass wohl die Anforderungen an Schüler zu gering sind, weil ja die Abiturnoten besser werden in den letzten Jahren (interessante Form der Motivation – lerne und ich glaube es dir nicht). Man könnte über Ängste von Schüler:innen vor dem Sitzenbleiben oder dem Ärger zuhause schreiben, von ausgebrannten Lehrer:innen, die einfach nur einen guten Unterricht machen wollen und doch als Ersatzerzieher:innen und Verwaltungskräfte herangezogen werden. Ach, es gäbe so vieles, nicht immer Schönes, was man am Tag vor dem letzten Schultag über dieses ganze System schreiben könnte…

Wissen Sie, was Heinrich Heine mal gesagt haben soll? So ein bisschen Bildung ziert den Menschen. Ich finde, das ist ein sehr schöner Satz, auch wenn mir klar ist, dass Bildung oft im Auge des Betrachters liegt. Was für eine Bildung also war das in dem vergangenen Schuljahr – nicht nur für Schüler:innen, sondern für einen jeden von uns? Oft und viel wird ja heutzutage vom „lebenslangen Lernen“ gesprochen, gerade in Betrieben und Wirtschaftsverbänden angesichts einer sich stets verändernden Arbeitswelt.

Ich finde den Anreiz, sein Leben lang lernen zu dürfen, gut, nicht nur auf der Arbeit. Es bedeutet für mich, dass ich ein ganzes Leben lang Zeit habe, mich zu entwickeln, neue Dinge erfahren zu dürfen, Neues auszuprobieren, sich mit neuen Techniken, Ansichten, Meinungen auch auseinanderzusetzen. Ja, für mich sind da auch Entwicklungen dabei, die mich überfordern oder die ich nicht nachvollziehen kann (und da ist einiges aus der Technikecke dabei).

Aber geht es nicht auch darum, „wieder“ etwas zu lernen? Am Ende des Schuljahres wäre doch eigentlich ein guter Zeitpunkt, mal kurz innezuhalten und darüber nachzudenken, was ich dieses Jahr gelernt habe? Was habe ich in meiner Beziehung gelernt, was vielleicht von meinen Kindern (und glauben sie mir – von Kindern kann man unendlich lernen!)? Was möchte ich mir von dem Gelernten bewahren? Welche Erfahrungen waren mir eine Lehre, was habe ich vor langem gelernt und nutze es heute immer noch in meinem Alltag, zuhause oder auf der Arbeit?

Und dann stellt sich die Frage nach den Orten des Lernens, denn nicht nur die Schule oder der Arbeitsplatz ist ein solcher Ort: Wo lernen wir etwa noch respektvollen Umgang, wo lernen wir uns gegenseitig zuzuhören? Wo lernen wir Menschlichkeit, Güte, Solidarität? Wenn sich das Schuljahr jetzt dem Ende neigt, schauen Sie doch mal bei den Psalmen vorbei. Psalm 25, Vers 5.

Leite mich in Wahrheit und lehre mich! Denn du bist der Gott, der mir hilft, täglich harre ich auf dich.

Ein bisschen Bildung ziert den Menschen. Das mein Gegenüber ein Mensch ist. Wertvoll. Und Noten nur Zahlen sind. Weil am Ende das Leben ein Lernen ist und nur die Menschlichkeit zählt.

Genießen sie die Ferien, wo und wie auch immer. Und bleiben sie behütet.

Diakon Ulrich Gottwald, kda-Regionalstelle Augsburg

Foto: Aflo Images, Empty Classroom with Wooden Desks and Stationery

Bildung, Auszeit, Gerechtigkeit

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