Andacht zu 2. Korinther 9,6-11 gehalten im Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU)
2. Korinther 9
6 Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.
7 Ein jeder, wie er’s sich im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.
8 Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;
9 wie geschrieben steht (Psalm 112,9): »Er hat ausgestreut und den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit.«
10 Der aber Samen gibt dem Sämann und Brot zur Speise, der wird auch euch Samen geben und ihn mehren und wachsen lassen die Früchte eurer Gerechtigkeit.
11 So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.
Liebe AEU-Gemeinde,
„Die Knappheit der Güter ist ein wirtschaftliches Grundproblem und macht wirtschaftliches Handeln des Menschen notwendig, um eine bestmögliche Versorgung mit Gütern zu gewährleisten. Je knapper ein Gut ist, desto höher ist sein Preis.“
Was man so im Wirtschaftsduden unter dem Begriff „Knappheit“ nachlesen kann, wird wohl in jeder VWL- oder BWL-Einführungs-Vorlesung so oder so ähnlich gelehrt. Es ist quasi ein ehernes Gesetz der Ökonomie. Weil die Güter knapp sind, darum wirtschaften, ja man könnte sogar sagen, machen die Menschen überhaupt irgendetwas.
Nur im Schlaraffenland, wenn überhaupt, könnte man den ganzen Tag faul herumliegen – wobei bei diesem Verhalten nach einiger Zeit die eigene Gesundheit und damit auch das eigene Leben zum knappen Gut werden würde.
Im Angesicht des eigenen Todes, der jede und jeden von uns einmal ereilt, bleiben nun einmal für jeden von uns alle weltlichen Güter knapp, weil zeitlich begrenzt. Eine Ökonomie, die die Knappheit als ehernes Gesetz anerkennt, ist damit vor dem Hintergrund unserer Sterblichkeit eine realistische Wissenschaft.
Umso mehr erstaunt da, dass der Apostel Paulus den Korinthern gegenüber ganz anders, ja gegenteilig argumentiert. Er will sie bewegen, zu geben, zu spenden. Der Apostel hat eine Mission, nein, er hat einen Auftrag: die neu gegründeten christlichen Gemeinden, deren Glieder bekehrte Heiden sind, mögen die Urgemeinde in Jerusalem, deren Glieder Judenchristen sind, finanziell unterstützen.
Es war wohl eine Art Deal, die dahinter stand: Paulus sollte mit seinem Team weiterhin unter den Heiden missionieren dürfen; dafür sollte er sich mit den neuen Gemeinden der Armen in der Jerusalemer Urgemeinde annehmen.
Wäre das nicht ein Lehrbeispiel gewesen, das Argument der Knappheit als ökonomischen Handlungsgrund anzuführen – so nach dem Motto: „Schaut her, ich bringe euch die Heilsbotschaft, die unter euch knapp ist; dafür will ich euer Geld für die Armen in Jerusalem?“
Paulus schreibt aber folgendes zu den Korinthern: „Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;… So werdet ihr reich sein in allen Dingen, zu geben in aller Lauterkeit, die durch uns wirkt Danksagung an Gott.“
Im ganzen Abschnitt wird nur ein einziges Mal von Knappheit gesprochen, ganz am Anfang, wo es heißt: “Ich meine aber dies: Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten“ – was ja nun jeder Bauer weiß – und dann geht es nur um Reichtum, um volle Genüge, um Reich sein, ja um Fülle in Hülle und Fülle.
Ist das nun ein alternativer ökonomischer Ansatz, den Paulus hier beschwört? Vielleicht hilft es uns, dem Wörtchen nachzugehen, das Paulus hier verwendet, um die Fülle zu beschreiben. Es taucht nämlich auch in anderen biblischen Kontexten auf – rund neunzigmal.
Zum Beispiel in der Geschichte der Speisung der 5000. Da wird es auf die Brotreste verwendet, die übrig bleiben, nachdem alle satt geworden sind.
„Gott aber kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk;“
Gott kann das: so reich beschenken, dass man voll genug hat und noch reich genug bleibt, um damit etwas Gutes anzufangen.
Gott kann das, weil Gott selbst überreich ist an allem, wie Paulus nicht müde wird zu beschreiben, immer wieder dieses Wörtchen verwendend: Gott ist überreich an Wahrheit, am Gnade, an Herrlichkeit.
Und in Folge dessen, dass Gott all dies nicht für sich behält – wie Paulus ja den 112. Psalm zitiert: „Er hat ausgestreut und den Armen gegeben;“ – den Armen, nämlich uns, die nur Knappheit kennen, weil unsere Tage knapp sind – weil Gott all dies nicht für sich behält, sondern uns Armen austeilt, sind auch wir überreich: an Trost, an Freude, an Liebe, an Ruhm. So argumentiert Paulus, der Ökonom Gottes.
Und wo wird diese Fülle, die Paulus behauptet, ansichtig? Im eigenen Geldbeutel, in der Anzahl der eigenen, wohl geratenen Kinder, in den Titeln, die einer trägt? Nun ja.
Hören wir noch einmal Paulus, diesmal ein Kapitel vorher: „Ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Um euretwillen ist er arm geworden, obwohl er reich war, um euch durch seine Armut reich zu machen.“ Wer Gottes Fülle erkennen will, kann sie wahrnehmen in der Hingabe seines Sohnes. Dort, in der Armut, die er annimmt, weil sie nicht seine, sondern unsere ist, wird der Reichtum deutlich, den er uns schenkt. Sein Reichtum, der uns zugutekommt.
In der Ökonomie Gottes, das ist für uns Knappheitsdenker so schwer zu begreifen, ist also bereits alles getan, dass unsere Armut schon in Fülle verwandelt ist.
Es ist schwer zu begreifen, aber es ist möglich, aus dieser Fülle zu leben. Das sagt Paulus. Das dürfen wir glauben.
Und damit Gott danken und loben, der eben „machen kann, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk.“ Amen.
Autor: Pfarrer Peter Lysy