Geschichte der Mitbestimmung

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Mitbestimmung in Betrieben und in der Evangelischen Kirche in Deutschland hat eine lange, wenn auch unterschiedliche Tradition. Wir nehmen Sie mit auf einen Streifzug durch die Geschichte – von den Anfängen auf der Nationalversammlung in Frankfurt im 19. Jahrhundert bis zur Ermöglichung von digitalen Arbeitsformen von Betriebsräten in der Gegenwart.

1848

Erster Versuch einer staatlich geregelten Mitbestimmung. Während der Nationalversammlung in der Pauluskirche in Frankfurt reicht eine Gruppe Abgeordneter um Carl Degenkolb, ein sächsischer Textilfabrikant, einen alternativen Entwurf zur Gewerbeordnung ein. Dieser sieht ein umfassendes System betrieblicher und überbetrieblicher Mitbestimmung vor. Mit dem Ende der Revolutionsbewegung, endete auch die Bemühung um eine staatliche Regelung der betrieblichen Mitbestimmung.

1891

Durch eine Novelle der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich können nun Arbeiterausschüsse eingerichtet werden. Die Einrichtung liegt jedoch im Ermessen der Arbeitgeber*innen.

1905

Die ersten Arbeiterausschüsse müssen gebildet werden. Das preußische Berggesetz zwingt Bergbaubetriebe mit mehr als 100 Beschäftigten dazu.

1916

Auf Grundlage des Vaterländischen Hilfsdienstgesetzes müssen in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten nun Arbeiter- und Angestelltenausschüsse gebildet werden. Ihnen steht ein Anhörungsrecht in sozialen Angelegenheiten zu.

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1920

Das erste Betriebsrätegesetz wird am 4.2.1920 verabschiedet. Es sieht vor, dass in Betrieben ab fünf Beschäftigten eine Vertrauensperson und ab 20 Beschäftigten ein aus mehreren Personen bestehender Betriebsrat zu wählen ist. Sie erhalten bestimmte Rechte, wie beispielsweise das Recht die Rechnungsbücher einzusehen. § 1 fordert jedoch eine doppelte Loyalität von den Personen. Sie sollen einerseits die wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter*innen und Angestellten gegenüber dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin wahren, andererseits diese bei der Erfüllung der Betriebszwecke unterstützen.

1922

Per Gesetz können nun ein bis zwei Betriebsratsmitglieder in die Aufsichtsräte der Kapitalgesellschaften entsendet werden. Dies regelt das „Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat“ vom 15.2.1922.

Am 24.4. regelt die „Verordnung über Beiräte für die Deutsche Reichsbahn“, dass den gebildeten Landeseisenbahnräten und dem Reichseisenbahnrat auch Vertreter der Arbeiter*innen, Angestellten und Beamten angehören.

1934

Im Nationalsozialismus endet am 20.1.1934 jede Form der Mitbestimmung mit dem „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“. Dieses führt das „Führerprinzip“ in die Wirtschaft ein. Danach haben Vorgesetzte absolute Befehlsgewalt und die ihnen Untergebenen werden zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet. Fortan wird nicht mehr von Belegschaft im Betrieb, sondern von „Gefolgschaft“ gesprochen. Mitbestimmung ist damit unmöglich geworden und das Recht und die Möglichkeit zur Beschwerde sind sehr stark eingeschränkt.

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1946

Mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 22 vom 10.4.1946 wird wieder eine rechtliche Grundlage für die betriebliche Mitbestimmung geschaffen. Es gilt in allen Besatzungszonen. Nun können Betriebsräte nach demokratischen Grundsätzen mittels geheimer Wahl eingerichtet werden. Die Betriebsratstätigkeit ist nur allgemein umschrieben. Im Gegensatz zu der Regelung von 1920, besteht keine Verpflichtung der Betriebsräte zur Unterstützung der Arbeitgeber*innen mehr. Die Aufgabe der Betriebsräte besteht in der „Wahrnehmung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiter und Angestellten in den einzelnen Betrieben.“ Zugleich werden die Betriebsräte in diesem Gesetz zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften aufgefordert.

Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 wird in den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen, Württemberg-Hohenzollern, Schleswig-Holstein und Bayern im Laufe des Jahres 1950 wegen entstandenen gesetzlichen Regelungen zum Betriebsverfassungsgesetz außer Kraft gesetzt. In den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Bremen kam es 1952 zu Änderungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 22. Für den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), wurde es 1952 außer Kraft gesetzt. 1955 folgte dann die Außerkraftsetzung für den Geltungsbereich des Personalvertretungsgesetzes in der BRD. Der Ministerrat der UdSSR setzt es 1955 mit einem Beschluss „über die Auflösung der Hohen Kommission der Sowjetunion in Deutschland“ außer Kraft.

1947 / 1948

Die britische Militärregierung legt im Rahmen der Entflechtung von Konzernen der Eisen- und Stahlindustrie in ihrer Besatzungszone fest, dass in den im Zuge der Entflechtung ausgegliederten Betrieben Aufsichtsräte wie folgt zusammengesetzt sind: fünf Vertretende der Unternehmensseite und fünf Vertretende der Arbeitnehmendenseite. Ein neutrales elftes Mitglied wurde von der Treuhandverwaltung eingesetzt und hatte regelmäßig den Vorsitz inne. Des Weiteren gehört dem Vorstand ein*e Arbeitsdirektor*in an.

1949

Bizone: Mit dem Tarifvertragsgesetz, das am 9.4.1949 erlassen wurde, erhalten die Sozialpartner die Befugnis auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu regeln.

DDR: Die Verfassung der DDR vom 7.8.1949 verspricht den Arbeiter*innen und Angestellten in Artikel 17 eine „maßgebliche Mitbestimmung“ bei der „Regelung der Produktion sowie der Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Betrieben“. Zugleich gehen die Vertreter*innen des Marxismus-Leninismus davon aus, dass die im Kapitalismus typischen Widersprüche und Konflikte zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitsnehmer*innen nicht mehr in Betrieben bestehen, die sich im Volkseigentum befinden. Daher gäbe es für eine Mitbestimmung, wie sie während der Industrialisierung von der Arbeiter*innenbewegung erkämpft wurde, keine Notwendigkeit mehr. Ein Bedarf wird höchstens noch in der verbleibenden Privatwirtschaft gesehen. Der Mitbestimmungsbegriff ist demnach anders gefüllt, als der vorsozialistische. Dennoch besteht zwischen dem Artikel 17 und der gesellschaftlichen Realität eine große Diskrepanz.

Bizone: Das Gesetz über die Wählbarkeit zum Betriebsrat vom 9.8.1949 legt fest, dass Arbeitnehmende, welche aufgrund ihrer Unterstützung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ohne aktives Wahlrecht für politische Körperschaften sind, nicht zu Betriebsratsmitgliedern oder Ersatzmitgliedern gewählt werden können.

1950

DDR: Das „Gesetz der Arbeit“ vom 1.5.1950, legt fest, dass das Recht von Angestellten und Arbeiter*innen zur Mitbestimmung zukünftig durch staatliche Organe verwirklicht wird. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) ist alleiniger „gesetzlicher Vertreter“ der Beschäftigten.

1951

BRD: Das Montan-Mitbestimmungsgesetz für Kohle- und Stahlunternehmen wird am 21.5.1951 erlassen. Zuvor waren Urabstimmungen notwendig, bei der sich 90 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Streik ausgesprochen haben, sollte die Regierung nicht einlenken. Das Gesetz regelt im Wesentlichen die Zusammensetzung der Aufsichtsräte in Montanbetrieben. Seither sitzen bundesweit in diesen zu gleichen Teilen Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innenvertreter*innen. Zudem wird ein*e Arbeitsdirektor*in als gleichberechtigtes Mitglied im Vorstand bestellt. Sie/er kann nur mit Zustimmung der Arbeitnehmendenseite bestellt werden. Das Montan-Mitbestimmungsgesetz übernimmt für diesen Industriezeig damit die Regelung der britischen Militärregierung von 1947/1948.

1952

BRD: Das Betriebsverfassungsgesetz wird am 11.10.1952 erlassen. Das Gesetz geht vom Betriebsrätegesetz von 1920 aus und schreibt allen Privatbetrieben mit mindestens fünf ständigen Wahlberechtigten vor, einen Betriebsrat zu bilden. Dieser hat eingeschränkte Mitwirkungsrechte in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dennoch sind es mehr Rechte, als das Betriebsrätegesetz von 1920 vorsah. Das Betriebsverfassungsgesetz legt die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und eine betriebliche Friedenspflicht fest. Der Betriebsrat soll der Vertreter aller Arbeitnehmenden im Betrieb sein. Zugleich hat die Tarifautonomie Vorrang vor den betrieblichen Beteiligungsrechten.

Das Betriebsverfassungsgesetz bleibt weit hinter den Regelungen des Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 zurück. Den Gewerkschaften gelang es nicht, ähnliche Regelungen in allen Wirtschaftsbereichen durchzusetzen. In den Aufsichtsräten der großen Kapitalgesellschaften sind nur ein Drittel der Sitze für die Arbeitnehmendenseite reserviert. Hiervon sind nur Familiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmenden ausgenommen.

1953

BRD: Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter vom 16.6.1953 enthält Regelungen zur Beschäftigungspflicht der Arbeitgeber*innenn und Kündigungsschutzregelungen für den betroffenen Personenkreis. In ihm werden Pflichten der Betriebsräte und „Vertrauensmännern“ der Schwerbeschädigten festgelegt.

1955

BRD: Am 5.8.1955 wird das Personalvertretungsgesetz erlassen. Dieses Gesetz sieht weniger Rechte für Personalräte vor, als das Betriebsverfassungsgesetz es für Betriebsräte tut. Die Rechte der Personalräte bestehen hauptsächlich in sozialen, personellen sowie organisatorischen Angelegenheiten. Es dient als Rahmengesetz für die Personalvertretungsgesetze der Länder.

1956

BRD: Da die paritätische Mitbestimmung auf den Montanbereich beschränkt ist, versuchen Unternehmen die Mitbestimmungsregeln durch Umbau der Konzerne auszuhebeln. Mit der sogenannten Holding-Novelle, die am 7. 8. 1956 erlassen wurde, wird dieser Aushebelung entgegengewirkt. Sie sichert die paritätische Mitbestimmung in Konzernobergesellschaften des Montan-Bereichs. Voraussetzung für die paritätische Mitbestimmung in den Obergesellschaften ist, dass mehr als 50 Prozent des Konzernumsatzes durch Montanbetriebe erwirtschaftet werden.

1961

DDR: Am 12.4.1961 wird in der DDR das „Gesetzbuch der Arbeit“ verabschiedet. Es versucht die Arbeitsbeziehungen in ihrer Gesamtheit juristisch zu kodifizieren. Das Gesetzbuch umfasst Regelungen zu Einzelleitungen von Betrieben, betriebliche Mitwirkung, Abschluss und Auflösung von Arbeitsverträgen, Lohn und Lohnformen, kulturelle, sportliche und soziale Betreuung in Betrieb, Förderung von Frauen und Jugendlichen, Berufsausbildung und Qualifikation, Arbeitszeit, Erholungsurlaub, Gesundheits- und Arbeitsschutz, Sozialversicherung, Arbeitsdisziplin und Arbeitsgerichtsverfahren. Die Einzelleitung des Betriebs, einem Prinzip wonach jede Leitungsaufgabe nur einer Person mit voller Entscheidungskompetenz, Weisungsbefugnis und persönlicher Verantwortung übertragen werden sollte, stärkt eher die Macht der Wirtschaftsleitungen als die der Gewerkschaften und Arbeitnehmenden. Das Gesetz verwendet den Begriff Mitbestimmung nicht mehr, sondern benutzt stattdessen den Begriff Mitwirkung.

1967

BRD: Das am 27.4.1967 erlassene „Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie“ sichert noch in fünf aufeinander folgende Jahre die paritätische Mitbestimmung in Montanbetrieben, wenn die Voraussetzung für die Anwendung der sogenannten Holding-Novelle von 1956 nicht mehr vorliegt.

1968

DDR: Die Verfassung der DDR vom 9.4.1968 nimmt den Begriff der Mitbestimmung wieder auf. Diese Mitbestimmung soll dadurch gewährleistet sein, dass die Bürger alle Machtorgane demokratisch wählen, Rechenschaft über die Tätigkeit von den „Volksvertretungen, ihren Abgeordneten, den Leitern staatlicher und wirtschaftlicher Organe“ fordern, Anliegen und Vorschläge einreichen sowie an Volksabstimmungen teilnehmen können. Die Gewerkschaften im FDGB sollen die Interessen der Werktätigen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wahrnehmen.

BRD: Die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift über das Zusammenwirken der technischen Aufsichtsbeamten der Träger der Unfallversicherung mit den Betriebsvertretungen“ vom 21.6.1968 verpflichtet die technischen Aufsichtsbeamten zur engen Zusammenarbeit mit den Betriebsvertretungen zur Unfallverhütung. Hierzu gehören der Erfahrungsaustausch, Betriebsbesichtigungen, Unfalluntersuchungen, Unterrichtung und Anhörung, Ausarbeitung sicherheitstechnischer Regeln und Lehrgänge.

1969

BRD: Das Kündigungsschutzgesetz regelt den besonderen Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfassung und der Personalvertretung. Der Betriebsrat ist rechtzeitig über Gründe, Zahl und Zeitraum bei anzeigepflichtigen Entlassungen zu unterrichten. Er hat ein Beratungsrecht.

1971

BRD: Am 29.11.1971 wird das sogenannte Mitbestimmungsfortgeltungsgesetz erlassen. Es sichert die paritätische Mitbestimmung in Betrieben der Montanunion um maximal fünf weitere Jahre. Unternehmen werden nur aus der Montan-Mitbestimmung entlassen, wenn sie die Montan-Produktion vollständig eingestellt haben. Konzernobergesellschaften werden entlassen, wenn der Anteil des Montan-Umsatzes in fünf aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unter 40 Prozent oder in zwe aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unter 25 Prozent gefallen ist. Dieses Gesetz war bis Ende 1975 befristet.

1972

BRD: Das Betriebsverfassungsgesetz wird am 15.1.1972 grundlegend novelliert. Es stärkt im Vergleich zum Betriebsverfassungsgesetz von 1952 die Mitwirkungsrechte und Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte. Neben den Betriebsräten sieht es auch Jugendvertretungen vor. Die Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmenden umfasst nun folgende Angelegenheiten: soziale (inklusive Arbeitsschutz), personelle (inklusive Berufsbildung und Kündigungen) und wirtschaftliche (inklusive Betriebsänderungen und den Interessensausgleich über Sozialpläne). Es erleichtert die Betriebsratsarbeit durch vermehrte Freistellungen und verbesserte soziale Absicherung. Zugleich schützt es das Engagement der Arbeitnehmenden in tarifpolitischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Eine Einigungsstelle kann nun bei Bedarf gebildet werden. Mit ihrer Hilfe können Maßnahmen per Mehrheitsbeschluss festgelegt werden. Die Einigungsstelle ist paritätisch besetzt und hat einen unparteiischen Vorsitz. Können sich die beiden Parteien nicht auf einen solche vorsitzende Person einigen, bestellt das Arbeitsgericht diese.

BRD: Das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung vom 7. 8. 1972 legt fest, dass Leiharbeitnehmende betriebsverfassungsrechtlich grundsätzlich dem Betrieb des Verleihers zugeordnet sind. Die Betriebsräte der Entleihbetriebe haben jedoch gewisse Aufgaben und Beteiligungsrechte hinsichtlich der Leiharbeitnehmenden.

1973

BRD: Das Land Berlin regelt im Eigenbetriebsgesetz, dass die Verwaltungsräte in den kommunalen Betrieben paritätisch zu besetzen sind.

1974

BRD: Der Bundestag erlässt am 15. 3. 1974 das Bundespersonalvertretungsgesetz. Es ist die Rechtsgrundlage für die Bildung und Tätigkeit von Personalräten und Jugendvertretungen in den Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Diensts des Bundes. Das Gesetz gilt für Arbeiter*innen, Angestellte und Beamte. Für Beamte wird die Mitbestimmung eingeführt. Das Gesetz erweitert die Mitbestimmungsrechte der Personalräte in formellen, sozialen und organisatorischen Angelegenheiten der Beschäftigten. Die Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sowie der Kündigungsschutz der Personalratsmitglieder, des Vertrauensmannes der Schwerbeschädigten und der Jugendvertretungen werden verbessert. Eine Einigungsstelle ähnlich der aus dem Betriebsverfassungsgesetz von 1972 wird eingerichtet. Können sich die Parteien nicht auf eine Person mit dem Vorsitz einigen, so wird diese vom Bundesverwaltungsgericht bestellt.

1976

BRD: Am 4.5.1976 wird das Mitbestimmungsgesetz erlassen. Es ist für alle Kapitalgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs der Montan-Mitbestimmung gültig, die mehr als 2.000 Beschäftigte haben. In den Aufsichtsräten solcher Großunternehmen sitzen zu gleichen Teilen Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innenvertreter*innen. Allerdings sind auf Arbeitnehmer*innenseite auch Vertreter der leitenden Angestellten vorgesehen. Bei Stimmengleichheit besitzt der/die Aufsichtsratvorsitzende, die/der von der Kapitalseite gestellt wird, eine ausschlaggebende Zweitstimme. Insofern herrscht im Vergleich zum Bereich der Montan-Mitbestimmung keine wirklich paritätische Mitbestimmung. Für Unternehmen und Konzerne mit weniger als 2.000 Beschäftigten bleibt die Ein-Drittel-Beteiligung nach dem Betriebsverfassungsgesetz von 1952 weiterhin gültig.

1977

DDR: Das Arbeitsgesetzbuch der DDR, das am 16. 6. 1977 verabschiedet wird, unterscheidet erstmals systematisch zwischen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten des FDGB als einzigem gesetzlichen Vertreter der Werktätigen. Die meisten Mitbestimmungsrechte beziehen sich auf die gesamtgesellschaftliche und volkswirtschaftliche Ebene. Auf betrieblicher Ebene gibt es sie nur in ganz geringem Umfang. Die Mitwirkungsrechte beziehen sich dagegen überwiegend auf die betriebliche Ebene. Das Arbeitsgesetzbuch erhöht im Vergleich zum abgelösten Gesetzbuch der Arbeit die Rechte im Bereich personeller und sozialer Angelegenheiten. Das Gesetz enthält Bestimmungen in folgenden Bereichen: Leitung der Betriebe, Förderung von Frauen und Jugendlichen, Arbeitsrecht, Arbeitsorganisation, Arbeitsdisziplin, Entlohnung und Prämierung, Berufs- und Weiterbildung, Arbeitszeit und Erholungsurlaub, Gesundheits- und Arbeitsschutz, Sonderrechte von Frauen und Schwangeren sowie Sozialversicherung.

1979

BRD: Am 1.3.1979 weist das Bundesverfassungsgericht eine Klage der Arbeitgeber*innen gegen das Mitbestimmungsgesetz ab und bestätigt die Funktion der Unternehmensmitbestimmung. Diese Mitbestimmung habe „die Aufgabe, die mit der Unterordnung der Arbeitnehmer unter fremde Leitungs- und Organisationsgewalt in größeren Unternehmen verbundene Fremdbestimmung durch die institutionelle Beteiligung an den unternehmerischen Entscheidungen zu mildern und die ökonomische Legitimation der Unternehmensleitung durch eine soziale zu ergänzen“.

1981

BRD: Das Änderungsgesetz zur Montan-Mitbestimmung, das am 21.5.1981 erlassen wird, sichert zeitlich befristet die qualifizierte Mitbestimmung in der Montan-Industrie ab, selbst wenn die Voraussetzungen dafür am 1.7.1981 entfallen würden. Zugleich schränkt es die Rechte der Gewerkschaften innerhalb der Montan-Mitbestimmung ein.

1986

BRD: Das „Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft“ vom 26.8.1986 regelt unter anderem die Institution, Rechtsstellung und Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung neu. Auch das Verhältnis zu den Betriebsverfassungsorganen wird neu geregelt. Die Vertrauensperson der Schwerbehinderten besitzen nun die gleiche persönliche Rechtsstellung gegenüber den Arbeitgeber*innen, wie Mitglieder des Betriebs- oder Personalrats. Die Schwerbehindertenvertretung hat nun das Recht an allen Betriebsrats- oder Personalratssitzungen teilzunehmen.

1987

BRD: Gesetz zur Verlängerung der Auslaufzeiten in der Montanmitbestimmung verlängert die Ablauffrist bis zum 31.12.1988. Es wird am 23.7.1987 vom Bundestag erlassen.

1988

BRD: Das „Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen“ und das „Gesetz zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in Betrieben“, beide vom 13. 7. 1988, bilden die Rechtsgrundlagen für die Jugend- und Auszubildendenvertretungen in Verwaltungen und Betrieben. Die bisherigen reinen Jugendvertretungen werden zur Jugend- und Auszubildendenvertretungen ausgebaut. Sie vertreten einerseits jugendliche Arbeitnehmende sowie andererseits Auszubildende, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Das „Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung“, wird am 20.12.1988 erlassen. Es stärkt den Minderheitenschutz, verlängert die Amtszeit der Betriebsräte von drei auf vier Jahre und erweitert die Rechte des Betriebsrats bei der Einführung neuer Techniken. Zugleich präzisiert es den Begriff des leitenden Angestellten und führt gesetzliche Sprecherausschüsse für leitenden Angestellte ein. Konzernobergesellschaften bleiben solange montan-mitbestimmt, solange der Anteil der montan-mitbestimmten Tochtergesellschaften am Konzernumsatz mindestens 20 Prozent beträgt oder die Tochtergesellschaften mehr als 2.000 Arbeitnehmende beschäftigen.

1989

BRD: Am 10.7.1989 wird das Bundespersonalvertretungsgesetz geändert. Es erweitert die Minderheitsrechte konkurrierender Gewerkschaften und erleichtert das Wahlvorschlagsrecht der Beschäftigten. Zugleich verlängert es die Amtszeit der Personalvertretungen von drei auf vier Jahre und dehnt die Äußerungsfrist des Personalrats auf zehn Tage aus.

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1990

Der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes bringt für viele einen enormen Wandel mit sich. Ab dem 1.7.1990 ist das Betriebsverfassungsgesetz auch in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost als DDR-Recht in Kraft gesetzt worden. Ab dem 3.10.1990 gilt es als Bundesrecht in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost. Die vier Systeme einer Beteiligung von Arbeitnehmendenvertretungen in Aufsichtsräten von Unternehmen und Konzernen wird im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit auf dieses Gebiet erstreckt.

1992

Am 6. 11. 1992 verabschiedet die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland das erste Kirchengesetz über Mitarbeitervertretung (MVG-EKD). Davor gab es nur unübersichtliche und zersplitterte Regelungen in den Landeskirchen. Die Landeskirchen besitzen die Option, von dieser Regelung abzuweichen. 17 Gliedkirchen haben die Regelung übernommen. Zwei haben eigene Mitarbeitervertretungsgesetze in Anlehnung an das MVG-EKD erlassen. Die Rechte der Mitarbeitervertretungen unterscheiden sich von denen der Betriebs- und Personalräte.

1994

Das Betriebsverfassungsgesetz wird am 24. 6. 1994 durch das „Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ geändert. Es enthält nun Soll-Vorschriften zur Förderung von Frauen in Betrieben.

Das „Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vom 22. 8. 1994 sieht für Aktiengesellschaften, die nach dem 10. 8. 1994 gegründet wurden und weniger als 500 Arbeitnehmende haben, keine Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mehr vor.

Die EU-Richtlinie 94/45/EG vom 22. 9. 1994 verlangt von gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen entweder einen Europäischen Betriebsrats einzusetzen oder ein Verfahren zu schaffen, das die Arbeitnehmenden unterrichtet und eine Anhörung ermöglicht.

Das Umwandlungsgesetz, das am 28. 10. 1994 erlassen wurde, vervielfacht die Möglichkeiten zur Umwandlung von Unternehmen, beispielsweise durch Fusion oder Aufspaltung. Mitbestimmungsregeln bleiben nach Abspaltungen und Ausgliederungen jedoch fünf Jahre bestehen.

1995

Am 24. 5. 1995 urteilt das Bundesverfassungsgericht und erklärt wesentliche Teile des Landespersonalvertretungsgesetzes von Schleswig-Holstein für verfassungswidrig. Damit setzte das Gericht dem Ausbau der Rechte der Personalräte von 1974 ein Ende.

1996

Durch das „Gesetz über Europäische Betriebsräte“ vom 28.10.1996 wird die Richtlinie 94/45/EG zu den Europäischen Betriebsräten nationales Recht. Das Gesetz ist auf Unternehmen und Unternehmensgruppen mit Sitz in Deutschland anwendbar, wenn sie in anderen EU-Mitgliedsstaaten mindestens 1.000 Arbeitnehmende insgesamt und davon jeweils mindestens 150 Arbeitnehmende in zwei Mitgliedsstaaten haben. Die Zuständigkeit des europäischen Betriebsrats beschränkt sich auf wirtschaftliche Angelegenheiten, wenn Betriebe oder Unternehmen in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten betroffen sind.

Mit der Änderung vom 6.11.1996 wird das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland das erste Mal geändert. Die Freistellung wird neu geregelt. So werden Teilzeitbeschäftigt mit nicht mehr als zehn Stunden nunmehr nur mit ihrem Anteil an der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit berücksichtigt. Zudem werden die Gründe für eine zulässige Verweigerung der Zustimmung bei ordentlichen Kündigungen nach der Probezeit erheblich eingeschränkt. Es entfallen die Gründe aufgrund von sozialen Gesichtspunkten, einer möglichen Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz, Weiterbeschäftigung unter anderen Vertragsbedingungen oder nach Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus wird der Bereich des Rechtsschutzes überarbeitet. Die erste Instanz besteht nun aus Schlichtungsstellen und die zweite Instanz aus dem Verwaltungsgericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche in Deutschland.

1999

Am 2.3.1999 urteilt das Bundesverfassungsgericht im Verfahren zur Montan-Mitbestimmung, dass die Montan-Mitbestimmung in Konzernobergesellschaften gilt, wenn der Montanbereich mehr als 20 Prozent des Umsatzes am Hauptgeschäft ausmacht oder 20 Prozent der Mitarbeitenden im Montanbereich beschäftigt sind. Es sieht die aktuellen Regelungen zur Montan-Mitbestimmung als mit dem Grundgesetz vereinbar an.

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2001

Am 23.7.2001 wird das Betriebsverfassungsgesetzes novelliert. Die Mitbestimmungsrechte werden gegenüber den Gesetzen von 1952 und 1972 ausgeweitet. Das Gesetz verbessert die Arbeitsmöglichkeiten der Betriebsräte, die nun in kleineren Betrieben auch leichter gebildet werden können. Zudem hebt es die Trennung zwischen Arbeiter*innen und Angestellten auf. Gleiches gilt für Vertretung der Mitarbeitenden im Aufsichtsrat. Dem Wesen nach ist die Betriebsverfassung kooperativ und nicht auf Konflikt angelegt. Der Grundsatz liegt in der „vertrauensvollen Zusammenarbeit zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs“.

2002

Am 7.11.2002 wird das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland novelliert. Es erfolgen hauptsächlich Anpassungen an Europarecht und das geänderte Betriebsverfassungsgesetz. Von besonderer Bedeutung waren die geänderten Tätigkeitsanforderungen diakonischer Einrichtungen. Ziel waren flexiblere, den Refinanzierungsbedingungen entsprechende Strukturen.

2003

Mit der Änderung vom 6.11.2003 am Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland wird das kirchenarbeitsgerichtliche Verfahren in Mitarbeitervertretungssachen eingeführt. Bislang waren Schlichtungsstellen und in zweiter Instanz ein kirchliches Verwaltungsgericht vorgesehen.

2004

Am 18. 5. 2004 wird das sogenannte Drittelbeteiligungsgesetz verabschiedet. Dieses Gesetz löst die Regelung zur Wahl der Arbeitnehmenden in den Aufsichtsrat von 1952 ab. In Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkte Haftung, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und Genossenschaften sind nun ein Drittel der Sitze durch Arbeitnehmende besetzt, sofern die Firmen mehr als 500 Beschäftigt haben. Für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gibt die Drittelregelung auch bei weniger als 500 Beschäftigten, sofern sie vor dem 10.8.1994 eingetragen wurden und keine Familiengesellschaften sind. Am 23.6.2004 wird die entsprechende Wahlverordnung erlassen.

Das „Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG)“ vom 22.12.2004, regelt die Mitbestimmung in Europäischen Gesellschaften, sogenannten SEs. Neu ist für das deutsche Recht die Regelung der Mitbestimmung. Sie wird grundsätzlich auf dem Weg von Verhandlungen zwischen dem Verhandlungsgremium der Arbeitnehmendenseite und der Gesellschaftsleitung festgelegt. Kommt es zu keinem Konsens, gilt eine gesetzliche Auffangregelung. Diese sieht die Bildung eines SE-Betriebsrats vor. Dessen Aufgaben und Funktionen entsprechen im Wesentlichen denen des Europäischen Betriebsrats.

2005

Per Gesetz vom 8.6.2005 wird das Mitbestimmungsgesetz und das Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz aufgrund eines Bundesverfassungsgerichtsurteils geändert. Es passt das Unterschriftenquorum für Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl auf fünf Prozent oder 50 wahlberechtigte Arbeitnehmende an. Dies entspricht der Regelung im Betriebsverfassungsgesetz.

2006

Am 14.8.2006 wird das „Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG)“ erlassen. Es fordert unter anderem den Betriebsrat auf, an der Erreichung des Ziels der Gleichbehandlung mitzuwirken. Der Betriebsrat erhält die Möglichkeit bestimmte Rechte betrieblich geltend zu machen.

Das „Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG)“ vom 21.12.2006 sieht eine Verhandlungslösung zur Mitbestimmung vor. Scheitert diese, so greift eine Auffanglösung, welche ein hohes Niveau an Mitbestimmung der Arbeitnehmenden vorsieht.

2009

Die EU-Richtlinie 94/45/EG aus dem Jahr 1994 wurde durch die Richtlinie 2009/38/EG vom 16.5.2009 neugefasst. Die Unterrichtungspflicht und das Anhörungsrecht des Europäischen Betriebsrats wurden verbessert. Die Richtlinie stellt darüber hinaus klar, dass Europäische Betriebsräte die Mittel für die kollektive Vertretung der Beschäftigten erhalten müssen. Die alte und neue Richtlinie enthalten keine konkreten Maßnahmen für den Fall, dass die Richtlinien nicht eingehalten werden. So ist beispielsweise nicht geregelt, ob der Europäische Betriebsrat eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung einer Maßnahme durchsetzen kann, über deren Inhalt er hätte unterrichtet werden müssen. Auch die Umsetzung ins deutsche Recht sieht hier keine Maßnahme vor.

Mit einer Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 29.7.2009 gelten nun auch Beamte und Soldaten sowie Arbeitnehmende und Auszubildende des öffentlichen Diensts als Arbeitnehmende im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, sofern sie in Betrieben tätig sind, die privatwirtschaftlich organisiert sind.

Am 29.10.2009 wurde Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland umfangreich überarbeitet. Es stärkt die Fortbildungsrechte des Wahlvorstands und der teilzeitbeschäftigten Mitglieder der Mitarbeitervertretung. Die Grundsätze der Dienstplangestaltung und die Grundsätze des betrieblichen Vorschlagwesens sind nun mitbestimmungspflichtig. Zudem stellt die Änderung klar, dass Anwaltskosten als Sachkosten der Mitarbeitervertretung gelten und übernommen werden müssen. Im dem Fall, dass Mitglieder der Mitarbeitervertretung ausgeschieden sind, kann fortan eine Nachwahl statt einer Neuwahl durchgeführt werden. Eine gemeinsame Mitarbeitervertretung benachbarter Dienststellen kann nun einseitig von einer beteiligten Seite mit Wirkung auf die nächste Amtszeit widerrufen werden. Eine Gründung einer gemeinsamen Mitarbeitervertretung ist im Einvernehmen aller möglich.

2011

Die EU-Richtlinie 2009/38/EG aus dem Jahr 2009 wird per Gesetz vom 14. 7. 2011 in nationales Recht umgesetzt.

9.11.2011: die Evangelische Kirche in Deutschland passt ihr Mitarbeitervertretungsgesetz an. Fortan entfällt die eingeschränkte Mitbestimmung bei der Anstellung von Personen in beamtenrechtlichen Dienstverhältnissen.

2013

Am 12.11.2013 wird das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland umfassend geändert. Einigungsstellen sind nun optional vorgesehen, sofern im Einvernehmen eine entsprechende Dienstvereinbarung abgeschlossen wird. Außerhalb der Einigungsstelle kann eine Mitarbeitervertretung mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen nur zuzustimmen oder ihr widersprechen. Sie kann keine Änderung erzwingen oder Vorschläge durchsetzen. Die Regelung zur Freistellung wird angepasst. Maßgeblich ist ab nun die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeitenden. Das Mitbestimmungsrecht bei der Einführung sowie Grundsätze der Durchführung von Mitarbeiter-Jahresgesprächen wurde gestärkt. Die Änderungen verbessern zudem die Vertretung von schwerbehinderten Mitarbeitenden. Letztlich sind arbeitsgerichtliche Kirchengerichtsurteile nun erstmalig sanktionierbar, wenn sie nicht umgesetzt werden. Hierzu bedarf es des Antrags eines Beteiligten, der frühestens ein Monat nach Rechtskraft des Urteils gestellt werden kann. Das Gesetz regelt nicht, wie das Ordnungsgeld beigetrieben werden kann. Damit bedarf es bei Nichtbezahlung zivilrechtlicher Klagen mit wahrscheinlich mäßigen Erfolgsaussichten.

2015

Das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ vom 24.4.2015 führt eine Geschlechterquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte ein, deren Unternehmen börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, werden verpflichtet, Zielgrößen für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen festzulegen und öffentlich zu kommunizieren. Von der Regelung werden auch GmbHs, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Eine Mindestzielgröße ist nicht vorgesehen.

2018

Am 14. 11. 2018 verabschiedet die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland Änderungen am Mitarbeitervertretungsgesetz. Für die Wählbarkeit in die Mitarbeitervertretung wird die sogenannte ACK-Klausel abgeschafft, nach der nur Mitarbeitende wählbar waren, die einer Kirche oder Gemeinschaft angehörten, welche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angehört. Zudem ist die 2013 eingeführte Einigungsstelle auf Antrag einer Seite zu bilden. Dieser Antrag kann nicht abgelehnt werden. Ein solcher Antrag ist für jeden Mitbestimmungsfall neu zu stellen, sofern nicht in einer Dienstvereinbarung eine ständige Einigungsstelle eingerichtet wird. Die Änderungen zur Einigungsstelle tritt im Gegensatz zu den anderen Regelungen erst ab dem 1.1.2020 in Kraft.

2019

Mit der Änderung des Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 13.11.2019 gilt eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme als unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist. Handelt es sich bei der Maßnahme um einen neuen Arbeitsvertrag, so ist dieser dennoch wirksam. Allerdings kann die Mitarbeitervertretung verlangen, dass die Person solange nicht beschäftigt wird, bis eine Einigung erzielt oder diese gerichtlich ersetzt wurde.

2020

11.9.2020, MVG-EKD Beschlüsse sind nun auch im Umlaufverfahren möglich, sofern sie dabei einstimmig beschlossen werden. Die Änderung sieht zudem die Möglichkeit vor, dass Sitzungen der Mitarbeitervertretung per Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden können.

2021

Das „Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz)“ vom 14.6.2021 ändert das Betriebsverfassungsgesetz und anderes Arbeitsrecht. Folgende Änderungen würden vorgenommen: Betriebsratswahl und Betriebsratsgründung wurden vereinfacht, es gibt Mitbestimmung bei mobiler Arbeit, die Rechte und Pflichten in Bezug auf Datenschutz wurden festgelegt, der Betriebsrat erhält mehr Rechte bei Qualifizierung und der Einführung von künstlicher Intelligenz und für Auszubildende gibt es Verbesserungen. Letztlich kann der Betriebsrat seine Sitzungen als Telefon- oder Videokonferenz durchführen, solange die Präsenzsitzung weiterhin Vorrang hat. Die Bedingungen hierfür kann das Gremium selbst setzen.

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