Für Leib und Seele und zum Teilen

Predigt zu Lukas 9,10-17 gehalten am 7. Sonntag nach Trinitatis anlässlich der Eröffnung der Aktion „5000 Brote – Konfis backen Brot für die Welt“

Sind Sie, seid Ihr, heute Morgen satt, liebe Gemeinde, liebe Konfis?
Habt Ihr gut gefrühstückt? Oder gehört Ihr zu denen, die morgens nicht viel runter kriegen und wo sich der Hunger dann spätestens um 10.30 Uhr meldet?
Sind Sie heute Morgen satt? Auch im übertragenen Sinn? Es gibt ja auch einen anderen Hunger als den rein körperlichen im Magen. Sind Ihre seelischen Bedürfnisse gestillt? Fühlen Sie einen Mangel? Tragen Sie womöglich eine schwere Last mit sich herum? Ist jemand traurig von Euch, oder hat Angst vor morgen?

Die Menschen liefen Jesus und seinen Jüngern nach, weil sie diesen Hunger nach mehr spürten:
Wo er hinkam, da strömten die Leute zu ihm. Von allen Städten und Dörfern eilten sie herbei; alle kamen sie, um ihn zu sehen und zu hören. Ganz Verwegene und Mutige trauten sich sogar, ihn anzufassen oder zumindest sein Gewand.
Gelegentlich nahm der Zulauf solche Ausmaße an, dass Jesus einen kleinen Berg oder ein Fischerboot auf dem See für seine Reden nutzen musste. Und dann hingen die Menschen wie gebannt an seinen Lippen, damit ihnen nur ja kein Wort entging. Nie zuvor hatte jemand so zu ihnen gesprochen, so ergreifend, so lebendig, so tröstlich. Aber es waren keineswegs nur seine Reden, die Eindruck machten. Mindestens ebenso bemerkenswert waren seine Taten, vor allem die Krankenheilungen. Es schien überhaupt kein Leiden zu geben, dem er nicht gewachsen war; ja, sogar von Totenerweckungen war die Rede.
Die Menschen erlebten bei Jesus, dass er ihren Lebenshunger stillen konnte. Dass er ihnen ihre Lasten abnehmen konnte, dass das Leben mit ihm eine andere Farbe bekam und sich leichter anfühlte. Und danach sehnten sich viele, so wie heute auch.

Jesus hat ihren spirituellen Hunger gestillt. Sie können zufrieden sein. Nun – könnte man meinen, wäre ja alles gut, die Leute könnten wieder nach Hause gehen Aber da ist auch der andere Hunger, der ganz reale, in der Magengrube spürbare Hunger. Die Jünger finden eine nüchterne und pragmatische Lösung, die wie ich finde, gar nicht so schlecht ist. Die Versammlung wird aufgelöst und die Leute sollen nach Hause gehen oder in die umliegenden Dörfer und Städte und da was zu essen kaufen. Jeder kümmert sich um sich selbst. Das ist doch klug!
Aber Jesus sagt ganz einfach, fast lapidar: Gebt ihr ihnen zu essen!
Und dann kommen die zu erwartenden, ganz verständlichen Einwände. Da werden mir die Jünger richtig sympathisch: Wie sollen wir das machen, es sind zu viele, wir haben nicht genug für alle, und unser Geld reicht nicht, um für alle etwas zu kaufen.
Und was dann geschieht, muss sie vollends verblüffen. Die wenigen Brote und Fische reichen tatsächlich aus für Tausende von Menschen. Alle werden satt. Am Ende ist sogar noch weitaus mehr übrig, als anfänglich vorhanden war. Das Brot hat sich nicht ver-zehrt, sondern ver-mehrt.
Lukas, der diese Geschichte erzählt, hält sich in seiner Erzählung ziemlich bedeckt, wie das und was da genau vor sich geht.
Eines aber wird deutlich: Das Teilen dessen, was da ist, spielt eine große Rolle bei diesem Wunder.
Viele haben ein wenig Proviant dabei und wenn alle zusammenlegen, kann es reichen. Die Menschen behalten das Ihre nicht für sich, obwohl sie selber dann weniger haben. Nein, ein Teil des Wunders ist, dass Menschen abgeben, von dem, was ihnen gehört. Jesus steckt zum Teilen an. Jemand, der von Jesus seelisch satt gemacht wurde, sieht, wo andere Not leiden und handelt.

Aber so eine Erklärung wird der Erzählung wohl nicht ganz gerecht. Lukas löst das Geheimnis
bewusst nicht auf, wie sich das Brot wirklich vermehrt, sondern lässt es einfach so stehen.
Etwas anderes ist ihm offensichtlich viel wichtiger: Seinen Lesern und somit auch uns deutlich zu
machen, welche Fülle an Leben und Heil von Jesus ausging und auf die Menschen ausstrahlte. Erst
predigt und heilt er und schließlich sättigt er. Das Gottesreich, das er bringt, bezieht den ganzen
Menschen ein, seine Seele, seinen Geist und seinen Leib. Es soll uns rundherum gut gehen. Alle
Menschen sollen Hilfe erfahren für ihren Körper und ihre Seele.
Wenn Jesus Verantwortung für den ganzen Menschen übernahm, dann, so meine ich, dürfen wir
Christen uns in seiner Nachfolge auch nicht aufs Predigen allein beschränken. Bei einem Besuch in
der Stadtmission in Berlin, die sich ja besonders um arme Menschen am Rande unserer Gesellschaft
kümmert, wie um Obdachlose, aus dem Gefängnis Entlassene, erzählte eine Mitarbeiterin: „Wenn ich von Jesus als dem Brot des Lebens spreche, versteht das hier niemand, wenn ihm der Magen knurrt.“ Der Hunger in der Welt kann uns nicht egal sein. Die Not unserer nahen und fernen Nächsten darf uns nicht gleichgültig sein.
Es geht um viel mehr als nur um Brot, um eine Grundversorgung an Nahrungsmitteln.
Martin Luther hat in seiner Auslegung zur vierten Bitte des Vaterunsers (Unser tägliches Brot gib uns heute) auf die Frage „Was heißt denn tägliches Brot“ geantwortet: „Alles was not tut für Leib und Leben, wie Essen, Trinken, Kleider, Haus, Hof, Geld, gute Regierung, Frieden, Gesundheit, gute
Freunde, und noch viel mehr.
Jesus sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Damit meint er sicher nicht nur das Brot und die Fische,
sondern eben auch ein Dach über dem Kopf, Sicherheit, Schul- und Berufsausbildung, und
gegenseitige Unterstützung, Trost und Freundschaft. Es geht auch um die Veränderung der
Lebensbedingungen von Jugendlichen wie Wendy, Alexis und Stefany aus El Salvador, von denen
Ihr, die Konfis, uns zu Beginn des Gottesdienstes eindrücklich erzählt habt.
Gebt Ihr Ihnen zu essen: Was können wir dazu tun, dass Wendy, Alexis und Stefany ein gutes Leben
finden, so wie Jesus es sich für alle Menschen wünscht? Wie können wir teilen und ihnen damit zum
Leben helfen?
Die Aktion „Konfis backen Brot für die Welt“ tut auch beides: Sie sorgt für Leib und Seele von
Menschen, die weniger haben als wir und lädt uns zum Teilen ein. Und es wird etwas Wunderbares
daraus.

Nun kann man sagen – so wie die Jünger: Wir haben viel zu wenig für so viele. Das alles ist ein
Tropfen auf den heißen Stein. Damit können wir die Welt nicht retten. Solche Wunder, wie Jesus tat,
passieren heute nicht mehr. Also, was soll‘s?

Jesus sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“
Das fordert mich heraus. Und auch ich kann nur sagen, meine Möglichkeiten sind begrenzt, ich kann nicht die Probleme der Welt lösen: Ich habe zu wenig für so viel Not.
Was macht Jesus in der Situation zuallererst?
Jesus blickt zum Himmel auf und spricht das Dankgebet. Er dankt Gott angesichts des
Riesenproblems, das sich da auftut. Er dankt auch für das Wenige, was da ist. Und dann lässt er das,
was sie haben, austeilen und die Geschichte nimmt ihren wunderbaren Verlauf.
Wir können die Welt nicht retten. Damit sollen wir uns aber auch nicht herausreden und gar nichts
machen. Jesus zeigt uns einen anderen Weg. Er dankt Gott für die begrenzten Möglichkeiten.
Lasst uns Gott danken für die begrenzten Möglichkeiten, die wir haben. Angefangen mit dem Brot,
das wir essen, und das für alles steht, was wir sind und haben, und das wir weitergeben und einsetzen können für ein gutes und sicheres Leben.

Um aus ganzem Herzen danken zu können, muss ich wertschätzen, was ich habe. Indem ihr Konfis
Brote backt, erfahrt ihr auch, wie viel Arbeit das macht, wieviel Zeit es braucht, vom
Zusammenkneten der Zutaten bis hin zum fertigen Brot. Ihr wisst nun besser, wie wertvoll Brot ist
und wofür wir danken. Vielleicht wundert Ihr euch auch, wie billig Brot zu haben ist, obwohl doch so
viel Mühe drin steckt. Unsere Bauern und Bäcker leisten uns einen lebenswichtigen Dienst mit ihrer
Arbeit für unser Brot. Auch ihnen gebühren unser Dank und unser Respekt.
Indem Ihr mit dem Erlös aus dem Verkauf der Brote ein Projekt von „Brot für die Welt“ in El
Salvador unterstützt, helft ihr außerdem mit, dass auch von den anderen Dingen etwas Wirklichkeit
werden kann, die zum täglichen Brot gehören und von denen Martin Luther gesprochen hat:
Lebensverhältnisse, in denen Wendy, Alexis und Stefany aus El Salvador eine Zukunft haben. Das
heißt, Ihr zeigt uns, wie wir unsere begrenzten Möglichkeiten mit anderen teilen können.
So kann sich auch aus unserem Dank und unserem Teilen etwas Wunderbares entwickeln. Wir
können zwar immer noch nicht die Welt retten und werden auch nicht allen helfen können.
Aber für einige, wie Wendy, Alexis und Stefany verändert sich dadurch alles. Ihre Welt wird gerettet.
Und das ist doch ganz viel! Dank an die Konfis und die Bäckerinnung!
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.

Autorin: Regionalbischöfin Gisela Bornowski