Prognosen und Modell-Rechnungen: Ein kritischer Blick

Wir Menschen ertragen Ungewissheit nur schwer. Gleiches gilt für das Gefühl einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein. Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir viel für das Gefühl tun, die Dinge selbst in der Hand zu haben. Prognosen und Modell-Rechnungen sollen uns dabei helfen, mit der ungewissen Zukunft umzugehen. Das setzt ein nicht-deterministisches Weltbild voraus. Denn wenn alles vorherbestimmt wäre, könnten auch Prognosen und Modell-Rechnungen nichts daran ändern. Sie sind nur dann sinnvoll, wenn die Zukunft noch beeinflusst werden kann.

Zeitreihen-Analysen

Bei Prognosen mit Hilfe von Zeitreihen-Analysen geht man davon aus, dass Zusammenhänge, Prozesse und Entwicklungen im Zeitablauf unveränderlich sind und daher auch in die Zukunft fortgeschrieben werden können. Außerdem wird angenommen, dass es keine „exogenen Schocks“ wie Kriege, Umweltkatastrophen oder Terroranschläge gibt und dass alle relevanten „exogenen Schocks“, die in der betrachteten Vergangenheit aufgetreten sind, berücksichtigt wurden.

Es wird also davon ausgegangen, dass alles, was für die geschätzte Größe relevant ist in dem Zustand, in dem sie sich seit dem letzten exogenen Schock befinden, unverändert fortgeschrieben werden können. Genau in dieser Annahme von unter sonst gleichen Umständen („ceteris paribus“) liegt das Problem und die Grenze dieser Prognosen. In einem dynamischen Umfeld, in dem „exogene Schocks“ immer häufiger auftreten, werden sie immer ungenauer.

Aber auch unter optimalen Bedingungen entspricht die Grundannahme des “ceteris paribus” nie der Realität des menschlichen Lebens. Darüber hinaus haben Zeitreihen-Analysen keinen Erklärungsgehalt. Sie erklären nicht, warum der Zukunftswert so und so hoch ist. Denn hier ist die Zeit die unabhängige Variable und die Zeit erklärt nichts.

Modell-Rechnungen

Etwas anders verhält es sich bei Modell-Rechnungen. Hier werden Zusammenhänge, Prozesse und Entwicklungen mithilfe einer Theorie modelliert. Die gewählte Theorie und die verwendeten Parameter haben einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Die Parameter werden entweder anhand von Vergangenheitsdaten geschätzt oder von Personen mit Expertenwissen möglichst plausibel festgelegt.

Es gibt jedoch keine ökonomische Theorie, welche die Realität auch nur annähernd abbildet. Die Fehlerhaftigkeit der Mainstream-Theorien zeigt sich auch darin, dass Modell-Rechnungen, die auf diesen Theorien basieren, selbst große systemimmanente Krisen wie die Finanzkrise 2007/08 nicht vorhersagen konnten. Auf Basis falscher Annahmen können aber keine wahren Aussagen getroffen werden. Es ist daher nicht möglich, mithilfe von Modell-Rechnungen zutreffende Vorhersagen zu treffen.

Theorien und ihre Grundannahmen sind jedoch erstaunlich veränderungsresistent. Und wenn sie angepasst werden, dann oft so, dass die Theorie in diesem Punkt gegen Kritik immunisiert wird. Nach Karl Popper ist dies jedoch kein wissenschaftliches Vorgehen.

Die Problematik, dass es keine Theorie gibt, die die Wirklichkeit annähernd ausreichend abbildet, führt zu einer Auswahl verschiedener Theorien und verwendbarer Parameter. Eine entsprechende Auswahl birgt jedoch die Gefahr, dass ein in der Tendenz gewünschtes Ergebnis der Modell-Rechnung erzielt wird.

Prognosen an den Finanzmärkten

Wenn es um Vorhersagen geht, insbesondere zu Werten an den Finanzmärkten, spielt die „sich selbst erfüllende Prophezeiung“ eine große Rolle. Hier empfehlen Personen mit Handelskenntnissen, manchmal auch „Gurus“ genannt, ein bestimmtes Wertpapier zu kaufen oder zu verkaufen. Oft wird dabei von Investieren gesprochen. Mit einer echten Investition hat das aber nichts zu tun. Hier wechselt lediglich der Besitz an Aktien. Viele kaufen oder verkaufen diese Papiere aufgrund der Empfehlung. Entsprechend steigen oder fallen die Kurse wie erwartet. Das Ganze funktioniert so lange, wie diesen Personen geglaubt wird und ihre Begründungen plausibel erscheinen. Aber auch Konjunktur-Prognosen haben das Potenzial, die Stimmung zusätzlich zu verbessern oder zu verschlechtern.

Eine gehörige Portion Skepsis ist notwendig

Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass alle Wirtschaftsprognosen mit einer gesunden Portion Skepsis und Kritik betrachtet werden sollten. Dies gilt insbesondere für Prognosen, die Aussagen über die fernere Zukunft treffen wollen.

Schnell werden Prognosen zu mathematisch-statistischen Spielereien, die nur dogmatische Ergebnisse liefern. An solche Glaubenssätze kann man glauben, wenn man will. Besser beraten ist, wer es nicht oder nur mit kritischer Distanz tut. Eine Punktlandung wird es nur durch Zufall geben, Konfidenz-Intervalle hin oder her. Viele Prognose-Verfahren gaukeln eine Sicherheit vor, die es nicht gibt.

Es wäre wahrhaftiger, nur Tendenzen abzuschätzen und diese Einschätzungen gut zu begründen, als einen Wert auf die Nachkommastelle genau vorherzusagen. Aber es ist bequem, die Verantwortung für die Richtigkeit einer Vorhersage auf die Zahlen und die Theorie abzuwälzen und zu erklären, warum es im konkreten Fall nicht stimmen konnte. Erklärungen für Abweichungen lassen sich immer finden.

Die Kunst des Kratzens

Prognosen und Vorhersagen menschlichen und insbesondere wirtschaftlichen Verhaltens so mathematisch und statistisch ausgefeilt sie auch sein mögen, bleiben letztlich zumindest ein gutes Stück weit wie der Blick in die Glaskugel. Und so bleibt Prognose eben die Kunst, sich zu kratzen, bevor es juckt. Man kann nie sicher sein, ob es nicht juckt, weil man sich gekratzt hat, oder ob es juckt, weil man sich nicht (genug) gekratzt hat. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so, denn es ist Ausdruck unserer Freiheit.

Und als Menschen christlichen Glaubens dürfen wir, wenn uns Sorgen und Nöte plagen, auf Gott vertrauen. Jesus hat das in seinen Ausführungen zum Schätze-Sammeln und Sorgen deutlich gemacht (Matthäus 6,19-34). Wir müssen nicht Mammon anbeten und die Gurus zu Hohepriestern machen.

Thomas Krämer, wissenschaftlicher Referent im kda Bayern

Foto: mizar_21984 / Getty Images via Canva Pro

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