Praktizierte Verantwortung

Die Adventszeit hilft uns, nach innen zu schauen, inne zu halten und zu reflektieren. Dabei kann es eine Hilfe sein, die „heilige Familie“ auf ihren Weg nach Bethlehem zu begleiten. Als Wegweisung und Wegzerrung empfehle ich die Bibelstellen Matthäus 1, 18 – 25 und 2, 13 – 15.

In der Weihnachtsgeschichte steht Maria im Vordergrund; Josef wird oft übersehen. Es lohnt sich, ihn und seine Situation in den Blick zu nehmen: Er ist mit dem Mädchen Maria verlobt. Er träumt vermutlich von vielen Kindern, von einer Familie, für die er sorgen möchte. Eine wichtige Aufgabe, der er sich gerne stellen möchte, auch in seiner Profession als Zimmermann.

Dann erfährt er, dass Maria schwanger ist – schwanger nicht von ihm. Es wird dunkel um ihn. Josef hadert, denn das kann nicht sein. Er grübelt und denkt tagelang über einen Ausweg nach, wie er aus dieser Zwickmühle wieder herauskommt. Er fühlt sich betrogen von der Frau, mit der er sein Leben verbringen wollte, die er liebt.

Was soll er machen? Am liebsten möchte er alles hinschmeißen, einen neuen Plan machen, mit jemand anderem.

Ich mag den Josef. Den Menschen und das Vorbild aus der Bibel. Josef spürt, dass er im Moment nur wenig selbstbestimmt tun kann, aber genau das Wenige tut er: Er bleibt und steht zu Maria. Ich bewundere, wie er Unbequemes wagt; wie er Verantwortung lebt. Womöglich wäre ein anderer dieser Fremdbestimmung aus dem Weg gegangen. Mit kritischem Blick kann man in ihm auch einen Mann sehen, der sich nicht durchsetzt, zu wenig offensichtliches Selbstbewusstsein entwickelt.

Josef hat sich bewusst entschieden und scheut nicht das Unbequeme. Er übernimmt Verantwortung. Seine Initiative bei der Flucht nach Ägypten unterstreicht dies!

Wir brauchen Menschen und Vorbilder wie Josef, die uns in den Höhen und mehr noch in den Tiefen unserer Arbeits- und Lebenswelt ermutigen und uns das Bewusstsein für Heiles schenken. Wir brauchen Menschen, die uns stärken und motivieren, Verletztes zu erkennen, zu versorgen und zu heilen. Josef steht zum Beispiel für das christliche Arbeitsethos. Der Blick der Kunst in die Werkstatt Josephs zeigt dies.

In der Adventszeit wird uns Menschen klar, dass wir Verantwortung nicht aus eigener Kraft schultern können. Wir wissen als Christinnen und Christen, das Gott uns Menschen seine Schöpfung anvertraut. Wir wissen, dass wir Leben und Arbeiten als Segen für uns und für andere gestalten können.

Ich möchte uns für den Gang durch diese Adventszeit, durch die Zeit der Krise, des „Gürtel enger Schnallens“, der Dunkelheit und der Unsicherheit ermutigen. Vertrauen wir – auch und gerade in Krisenzeiten – auf die Güte, die Barmherzigkeit und den Segen „des Mensch gewordenen Gottes“.

Klaus Hubert, afa-Geschäftsführer + kda-Arbeitsseelsorger, Schweinfurt

Bild: Kathedrale von Dieppe, Klaus Hubert

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