Saisonende

Eine der wunderbarsten Nebensächlichkeiten der Welt ist am vergangenen Wochenende wieder zu Ende gegangen. Hunderttausende waren unterwegs um es sich live anzuschauen, Millionen haben es über Internet, Fernsehen oder klassisch im Radio verfolgt.

Unglaubliche Dramen haben sich abgespielt, frenetische Jubelfeiern gab es, Freundschaften wurden aufgegeben und neue Freundschaften geschlossen. Gezittert wurde, gezaubert wurde und hin und wieder wurde sich die Frage gestellt, was die Hauptprotagonisten eigentlich beruflich machen.

Sie fragen sich, was das sein könnte?

König Fußball – besser gesagt: die Bundesliga – hat nach 34 Spieltagen wieder einiges an Überraschungen zu bieten gehabt. Selbst Menschen, denen dieser Sport mehr als herzlich egal ist, dürfte nicht entgangen sein, dass nach vielen Jahren mal eine andere Mannschaft die Meisterschale in den Himmel heben durfte.

Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

Epheser 4, 32

Warum ich aber mit dem Fußball um die Ecke komme?

Am vergangenen Wochenende boten sich wieder zahlreiche Gelegenheiten an, Fehler anzuschauen. Kleinere Fehler, aber auch große, zum Teil spielentscheidende Fehler. Diese, gerne in Zeitlupe direkt im Stadion nochmals anzuschauen, boten natürlich ausreichend Gelegenheit, sich über den Fehler, noch mehr aber über den Spieler, zu amüsieren oder zu ärgern.

Beleidigend auch und im schlimmsten Falle hasserfüllt wurden nicht die Fehler, sondern wurde der Spieler, der Mensch kommentiert. Und ja, auch mir passiert das im Stadion, das ich mich aufrege, ereifere wie denn „sowas“ passieren könne. Ich schimpfe mit. Und ich vergesse, dass ich nicht auf dem Platz stehe. Dass nicht die Last von Millionenverträgen auf meinen Schultern liegt. Vergesse, dass ich nicht unter der Aufsicht von Zehntausenden im Stadion und Millionen an Fernsehern, Streaming usw. bin. Dass meine Fehler nicht bis in kleinste Detail in einer Wiederholung mit unzähligen Kameraeinstellungen zu sehen sind. Dass sich nicht vermeintliche Expertenrunden am nächsten Tag in eigenen Sendungen damit auseinandersetzen und nochmals, geradezu genüsslich, den Fehler immer und immer wieder betrachten.

Kennen Sie die Fernsehserie Ted Lasso?

Ja, es geht oberflächlich betrachtet um eine fiktiven Fußballverein in England, aber eigentlich geht es um die Höhen und Tiefen des Lebens. Ich könnte mehrere Stunden über diese Serie begeistert erzählen, aber eine Szene hat mich sehr beeindruckt. In einem Spiel erhält ein Spieler einen Platzverweis nachdem er „austickt“. Natürlich wird sich über den Spieler ereifert. Auch auf der anschließenden Pressekonferenz mit dem Co-Trainer geht es um diesen Spieler und wie er der Mannschaft und dem Verein mit seinem Verhalten geschadet habe. Der Co-Trainer aber (ein mehr als raubeiniger Charakter) kommt in seiner Rede dann zu dem Schluss, das Menschen meinen, mit ihrer Stadionkarte das Recht gekauft zu haben, über die Spieler zu urteilen. Dass es aber nicht nur Spieler seien, sondern Menschen und niemand wisse, was in diesen Spielern vorgehe. Was sie bewege, welchen Rucksack sie gerade tragen müssten, welche Schicksalsschläge sie erleiden würden. Er schließt mit (frei übersetzt – schauen sie bitte das englischsprachige Original da wirkt das sehr viel besser):

„Egal was der Spieler getan hat, auch wenn es vielleicht falsch war, von mir bekommt er Liebe. Und warum er es getan hat – darüber habe ich nicht zu urteilen“.

Ja, es waren auch am letzten Spieltag Fehler zu sehen. Und zu meinen Glück waren es nicht meine Eigenen. Und wie glücklich kann ich mich schätzen, dass bei mir nicht Millionen Menschen zusehen. In diesem Sinne – und auch im Angesicht der anstehenden Endspiele, Meisterschaften, Turniere, denken Sie daran: … auch Athleten sind Menschen.

Einen sportlichen Sommer wünscht
Diakon Ulrich Gottwald

Foto: Pixabay, Jarmoluk

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