Abstiegskrampf

Was spielten sich am vergangenen Wochenende wieder für Szenen ab! Völlige Begeisterung traf auf lähmende Stille, Jubelschreie auf Rufe der Verzweiflung und Wut. Und vielen dröhnten die Ohren inmitten gellender Pfeifkonzerte. Um was ging es? Man ahnt es vielleicht schon. König Fußball versuchte an Samstag und Sonntag noch einmal alles an Emotionen zu liefern, was coronabedingt oder anderweitig in den vergangenen Monaten auf der Strecke geblieben war.

Es hat schon etwas Faszinierendes, wenn in einem Stadion Begeisterung über die Ränge wogt, wenn Freudentränen vergossen und hemmungslos gejubelt wird. Daran denkt man gerne zurück. Auf der anderen Seite hat es etwas Beängstigendes, Erschreckendes, wenn Enttäuschung und Wut sich ihren Weg bahnen, wenn Spieler, Schiedsrichter, gegnerische oder sogar eigene Fans angeschrien, beleidigt, sogar bedroht werden. An vielen Spieltagen ist es eine Mischung aus beidem.

Allerdings ist es immer wieder beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit über die Fähigkeiten oder die Arbeitsnachweise der Spieler lautstark geurteilt wird. Da wird geschimpft und kritisiert und noch viel mehr. Ich frage mich immer wieder: Wie werden eigentlich diese Kritiker unter den Fans, diese Menschen in ihrer (Arbeits)Welt behandelt? Werden sie da auch angeschrien oder beleidigt? Wie geht man da mit ihren Fehlern um, wie wird überhaupt mit Leistungsdruck und Fehlern auf der Arbeit umgegangen?

Unbestritten ist gerade das Finanzielle im Profisport nicht mehr nachvollziehbar. Und ob die Fähigkeit eines Menschen, mit beiden Füßen einen Ball zu treffen und diesem auch noch eine bestimmte Richtung mitzugeben, mit dreistelligen Millionensummen honoriert werden muss – geschenkt. Aber wie wird mit Menschen umgegangen? Wie hoch ist eigentlich der Druck, der mediale und psychische Druck? Der Arbeitsdruck ist immens. Und die Zeit, in der man und frau mit dem Sport Geld verdienen können, ist überschaubar. Ja, es gibt Millionäre und ja, an manchen Tagen beschleicht einen beim Betrachten so eines Spiels das Gefühl, zumindest annähernd auch so über einen Kunstrasenplatz stolpern zu können.

Aber die Frage muss doch sein: wie gehe ich mit dem Gegenüber um? Würde ich so ein Verhalten in meinem Arbeitsumfeld akzeptieren? Würde ich mir da solche Sprüche anhören? Apropos Sprüche, ein sehr schöner ist da in der Bibel zu finden, im Buch der Sprüche 15, Vers 28: „Das Herz des Gerechten bedenkt, was zu antworten ist; aber der Mund der Gottlosen schäumt Böses.“

Eigentlich ein guter Merkspruch, den man sich zu Herzen nehmen kann, nicht nur fürs Fußballstadion, sondern für alle Momente, in denen man Gefahr läuft, sich im Ton zu vergreifen. Und was König Fußball angeht – auch nach einem aufregenden Liga-Wochenende sollte klar sein: Es ist nur ein Spiel, bei dem 22 Menschen einer Kugel meist aus Plastik hinterherlaufen. In diesem Sinne eine schöne Relegation und auch mal Fehler verzeihen!

Ulrich Gottwald, kda Augsburg

Foto: UASUMY, Getty Images

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