Brems dich

In Gedanken rolle ich mit dem Auto in das kleine Dorf ein, als mich ein gelbes Banner schlagartig aufrüttelt. In großen Buchstaben steht dort: BREMS DICH – Schule hat begonnen. „Stimmt,“ denke ich mir, „in dieser Woche beginnt für viele wieder die Schule. Brems Dich zu Schulstart? Na gut, es ist ja auch ein Banner der Verkehrswacht.“

Da wird der Autofahrer angesprochen. Gerade am Anfang des Schuljahres sollte man besonders aufmerksam unterwegs sein, denn Kinder gehören zu den schwächsten Verkehrsteilnehmern. Das ist bekannt. Die Aufforderung ist mehr als nachvollziehbar. „Es müsste eigentlich so selbstverständlich sein, dass es das nicht braucht!“, denke ich mir und lasse mich innerlich über Raser und Falschparker vor Schulen aus, als ich das Banner am Ortsausgang wieder sehe.

Brems Dich. Schule hat begonnen. Für viele beginnt im September (wieder) etwas Neues. Grundschüler:innen gehen aufgeregt in den ersten Schultag. Übertrittsschüler:innen kommen in eine neue Schule mit neuen Klassenkamerad:innen, neuen Fächer, neuen Gebäuden. Lehrer:innen beginnen auch in „ihren“ ersten Schultag mit neuen Kolleg:innen, neuen Schüler:innen und zahlreichen Schreiben der Kultusministerien mit neuen Vorgaben, Ideen und Bestimmungen. Und viele Eltern starten in das Schuljahr mit der Ungewissheit, wie ihr Kind es meistert und ob man es ausreichend unterstützen kann.

Gleich zum Schulstart steht der Wahnsinn der Materialbesorgung. Wer selber Kinder hat, weiß, was an Geld für Stifte, unzählige (natürlich unterschiedliche) Hefte und weiterem Schulmaterial über die Ladentheke geht. Wer ein schmales Budget hat, droht da schon abgehängt zu werden. Daher nimmt etwa die Stadt München Geld in die Hand, um die zu unterstützen, die sich eine Erstausstattung für die Schule nicht leisten können.

Im Angesicht von Corona, dem Krieg in der Ukraine und der Preisexplosion im Supermarkt, für Strom und Gas ist es diesmal auch noch ein besonderer Schulstart. Überall wird schon gewarnt, wie schlimm und hart der Winter werden soll. Wie werden sie alle zurecht kommen? Werden die Kinder trotz des Drucks, die Schule zu schaffen, die Zeit haben, einfach Kind zu sein? Wie wird es den Lehrer:innen ergehen, die auch unter Stress stehen, weil Lehrer:innenmangel Alltag ist, Corona Spuren hinterlassen hat, sie sich als Verfügungsmasse erleben? Wie werden die Eltern zurechtkommen, die neben den eigenen Alltagssorgen sich auch Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen?

Brems Dich. Schule hat begonnen. Im Matthäusevangelium steht wohl eines der bekanntesten Zitate über Kinder: „Jesus sprach: lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir kommen; den solchen gehört das Himmelreich“ (Matthäus 19,14). Momentan ist es alles andere als einfach, nur mit Gottvertrauen auf die Zukunft der Kinder zu hoffen, aber es schadet sicher nicht, es auch mit Gottvertrauen zu versuchen. Und die Anfangszeit langsam zu beginnen, zuzuhören, sich, in welcher Form auch immer, Zeit zu nehmen. Sich zu bremsen zu Schulbeginn. Und auch zu wissen das Kindsein und Erwachsenwerden mehr ist als „nur“ Schule.

Brems Dich. Schule hat begonnen. Und allen Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern einen gesegneten Start in das neue Schuljahr.

Diakon Uli Gottwald, kda Augsburg

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