Bessere Chancen für Asylbewerber?

MÜNCHEN. Der Freistaat Bayern eröffnet laut dem Evangelischen Pressedienst (epd) gut integrierten Asylbewerbern und Geduldeten mehr Chancen auf eine Arbeitsstelle oder eine Ausbildung. Die bayerischen Ausländerbehörden können jetzt „im Rahmen ihres Ermessens“ besondere Integrationsleistungen berücksichtigen, wenn sie entscheiden, ob geflüchtete Menschen eine Berufsausbildung beginnen dürfen. Dies teilte das bayerische Innenministerium am Dienstag mit.

Geänderter Ermessenspielraum

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erläuterte, diese Möglichkeit könnte für besonders engagierte Asylbewerber gelten, die beispielsweise überdurchschnittliche Schulleistungen aufweisen. Auch Asylbewerber mit einem „besonderen bürgerschaftlichen Engagement“ sollten von dieser Regelung profitieren. „Auf diesen Weise schaffen wir mehr Raum, Einzelfällen und ihren Besonderheiten gerecht zu werden“, betonte der Minister.
Die bisherige Praxis sah einen sehr engen Ermessenspielraum vor. Viele Betroffene und Asylhelfer berichteten von massiven Hürden bei der Erlangung einer Arbeitserlaubnis für Geduldete, auch über die sogenannte Ausbildungsduldung („3+2-Regelung“) wonach Geduldete unter bestimmten Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis zum Zwecke einer Ausbildung erhalten sollen. Jedoch hat Bayern an verschiedenen Punkten diese bundeseinheitliche Regelung mit sehr engen Vollzugshinweisen weitgehend unerreichbar gemacht. So galt laut bayerischem Innenministerium (BayIMS v. 1.9.2016, S. 24f) schon die Aufforderung zum Vorlegen eines Passes „zur Vorbereitung einer Abschiebung“ als Ausschlusskriterium zur Erteilung einer Ausbildungsduldung. Andere Bundesländer legten hier die Bundesgesetze etwas großzügiger aus.
Der Freistaat setze aber weiterhin auf eine „saubere“ Klärung der Identiät, „schon aus Sicherheitsgründen“, wie Herrmann betonte. „Wir werden aber dafür künftig nicht nur Pässe akzeptieren, sondern auch andere behördliche Dokumente, sofern sie zum Nachweis der Identität taugen.“ Vor allem diese Lockerung könnte es vielen Menschen erleichtern, ihren Willen zur Mitwirkung am Verfahren zu belegen. Gerade für Geflüchtete aus Ländern, von denen kaum Papiere aus der Ferne zu bekommen sind, ohne gegen asylrechtliche Auflagen zu verstoßen, wäre dies ein großer Gewinn.

Erleichterter Zugang in Branchen mit Fachkräftemangel

Positive Auswirkungen soll es Herrmann zufolge auch haben, wenn ein Asylbewerber eine Ausbildung in einem Beruf mit einem besonderen Fachkräftemangel aufnehmen will. Die Ausländerbehörden könnten von nun an Berufsausbildungen bereits bis zu sechs Monate vor Ausbildungsbeginn erlauben. Das schaffe den Arbeitgebern künftig noch mehr Planungssicherheit, sagte Herrmann.

Dies stellt durchaus eine bemerkenswerte Kehrtwende dar, denn bisher schloss Herrmann eine Verbindung von Asylrecht und Bekämpfung des Fachkräftemangels kategorisch aus. Allerdings gilt es aus Sicht des kda Bayern zu bedenken, dass Beschäftigung nicht nur aufgrund eines wirtschaftlichen Nutzens für Bayern ermöglicht werden sollte, sondern das Bedürfnis nach auskömmlicher Arbeit eines jeden Menschen hier mindestens genauso entscheidend sein sollte. Auch Menschen mit geringerer Qualifikation oder ältere Asylbewerber sollten hiervon profitieren.

Menschen wollen arbeiten – restriktive Praxis verdammt zum Nichtstun

Kritisch betrachtet der Bayerische Flüchtlingsrat die angekündigten Neurungen in einer Pressemitteilung. „Der Fokus auf Abschreckung und Arbeitsverbote bleibt unverändert erhalten“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Bereits länger in Bayern lebende Flüchtlinge sind weiterhin der Willkür der Ausländerbehörden ausgeliefert[…]. Für neu einreisende Flüchtlinge hat diese Weisung zudem keine Auswirkungen. Wer in einem ANKER-Zentrum untergebracht ist, unterliegt einem generellen Arbeitsverbot.“

Inwieweit sich diese Neuregelungen positiv auf die verzweifelte Situation vieler Geflüchteter, Helfer und Betriebe auswirkt, muss sich in den nächsten Monaten zeigen. Grundsätzlich wäre eine weitreichende Lockerung der Vergabepraxis zu begrüßen. Menschen über Monate und Jahre hinweg zum Nichtstun zu verdammen, weil z.T. in ferner Zukunft liegende Abschiebungen erleichtert werden sollen, nimmt Chancen auf eine sinnvolle und menschliche Gestaltung des Aufenthalts in Deutschland.

Weitere Informationen:
Pressemitteilung des Innenministeriums

(Foto: Eiliv-Sonas Aceron on Unsplash)

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