Christa* (69) hätte sich nicht vorstellen können, einmal in der Rente arbeiten zu müssen. Dass es jetzt doch so gekommen ist, hat verschiedene Gründe. Obwohl sie 46 Jahre berufstätig war, reicht ihr die Rente als Alleinstehende, die lange auch alleinerziehend war, nicht weit über die Fixkosten hinaus. „Mit der Rente könnte ich nur bei Aldi einkaufen und den Kaffee zuhause trinken. Reisen – was mir sehr wichtig ist – wäre nicht drin. Ich habe von Anfang an gesagt: Das will ich nicht“, sagt Christa. Und so arbeitet die Fremdsprachen-Korrespondentin im Minijob an zwei Tagen zehn Stunden in der Woche weiter in ihrer alten Firma im Bereich Export und Zollabwicklung.
Gymnasium war nicht drin
Christas Eltern waren finanziell eher schlecht dran, wie sie sagt. Mit vier Kindern war das Geld immer knapp – Gymnasium war nicht drin. „Die wollten, dass ich möglichst schnell selbständig bin und Geld verdiene“. Also hat sie nach der mittleren Reife mit 16 Jahren als Kontoristin bei einem großem Maschinenbau-Unternehmen in der Personalabteilung angefangen zu arbeiten. „Damals lagen die Stellen auf der Straße, ich konnte es mir raussuchen. Ich habe dort angefangen ohne Ausbildung“, erzählt Christa.
Eine Zeit lang war sie Chefsekretärin, dann wechselte sie zu einer Krankenkasse, wo sie 12 Jahre beschäftigt war. Als sie ihr Kind bekommt, soll sie nach der Elternzeit wieder 40 Stunden arbeiten. Das wollte Christa nicht und steigt bei der Krankenkasse aus.
„Wenn ich dageblieben wäre, hätte ich eine bessere Rente“, meint sie rückblickend. Mit 30 hat sie noch das Abitur nachgeholt – am Abend. „Ich wollte raus aus dem Büro, wollte eigentlich Sozialpädagogik studieren“, erzählt Christa. Sie geht dann zwar nicht studieren aber auf die Sprachenschule, wird Fremdsprachenkorrespondentin, wodurch sich neue berufliche Perspektiven ergeben.
Als ihr Sohn noch klein ist, arbeitete sie 30 Stunden. Sie ist alleinerziehend und in dieser Zeit in kleinen mittelständischen Firmen ohne Tarifvertrag beschäftigt, die „wirklich sehr schlecht bezahlt haben“. Zweimal war sie von Firmen-Insolvenzen betroffen aber sie hat immer wieder „sofort etwas Neues“ gefunden.
„Ich habe meinen Sohn mit Dispo-Kredit großgezogen und keinen Unterhalt bekommen“, bilanziert Christa. Sie war zweimal verheiratet und hat zweimal auf den Versorgungsausgleich verzichtet. „Wenn man noch jünger ist, geht man das Risiko ein. Ich wollte immer selbständig sein“, sagt sie dazu.
„Ich merke genau meine Grenzen“
„Trotzdem habe ich mir nicht träumen lassen, dass ich von meiner Rente mal nicht sorgenfrei leben kann“. Denn eigentlich hätte sich Christa im Alter lieber in der Flüchtlingsarbeit oder in einer Beratungsstelle engagiert. Und so ist sie fast jeden Tag neben ihrer Erwerbsarbeit auch ehrenamtlich unterwegs. „Das ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Mir wäre nie langweilig geworden.“ weiß Christa. Sogar ein politisches Mandat im Stadtrat hätte sie gerne gemacht aber das „war nicht vereinbar mit Beruf und Kind“.
Einerseits ist sie durch die Erwerbsarbeit „total angehängt“ und kann nicht spontan länger wegfahren. Aber sie empfindet es als Geschenk, dass sie außerhalb der Arbeitstage länger schlafen kann. „Aufstehen ist immer der wunde Punkt. Ich mag es nicht, wenn der Wecker klingelt. Aber das war schon mein Leben lang so“.
Wenn sie jetzt zweimal in der Woche die Kolleginnen sieht, dann kann sie ihre Arbeit mit viel Routine und wenig Druck machen. „Für das, was ich mache, kann ich mithalten, weil ich nicht mehr die Verantwortung wie früher habe. Aber ich merke ganz genau meine Grenzen und bin dankbar, wenn ich am Dienstag >Schönes Wochenende< sage“, beschreibt Christa ihre Situation.
Auch wenn sie im Vergleich zu den etwas jüngeren Kolleg*innen keinen großen Unterschied sieht in der Leistung und was die Gesundheit betrifft, so will sie auch nicht unbegrenzt in der Rente arbeiten: „Ich hab in der Personalabteilung gesagt: Mit dem Rollator komm ich nicht rein“, meint sie scherzhaft.
*Name von der Redaktion geändert
Hanna Kaltenhäuser, sozialwissenschaftliche Referentin kda Bayern
Foto: Shironosov / canva
