Überwachung wäre möglich – Interview mit Gerda Keilwerth, Folge 3

Gerda Keilwerth hat 35 Jahre Erfahrung als Mitarbeitervertreterin, war stellvertretende Vorsitzende im Gesamtausschuss Bayern für die Diakonie und berät heute als Regionalbeauftragte des VKM Mitarbeitendenvertretungen (MAV) in Kirche und Diakonie. für die Aktion „Mitbestimmen!“ haben wir mit ihr über Überwachung am Arbeitsplatz und Behinderung der Arbeit von MAVen gesprochen.

kda: Sehen Sie in Kirche und Diakonie die Tendenz zu Überwachung am Arbeitsplatz – Stichwort Pflege-Doku?

Gerda Keilwerth: Das Problem ist hier: Die Pflege-Doku ist eine externe Anforderung zum Beispiel des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen Anm. d. Red.). Wie mit den aus der Doku gewonnen Daten umgegangen wird, das ist die Frage. Da gibt es Fachvorgesetzte, die diese Daten nutzen, um zu überwachen. Zunächst gilt: Die Einführung der Regelungen über die Pflege-Dokumentation sind mitbestimmungspflichtig. Wir als MAV stimmen dem unter der Bedingung zu, dass die Erkenntnisse, die gewonnen werden, nicht zur Bewertung und Erhebung der Arbeitsleistung genutzt werden dürfen. Die Einhaltung solcher Regeln muss überwacht werden. Auch in Dienstplanprogramme kann sich ein Controller von außen einwählen und ihn einsehen. Da muss man transparent und gut zusammenarbeiten, denn wir bekommen zunehmend Instrumente, die eine Überwachung bis ins Kleinste zulassen. Der Stationsleiter kann sehen, ob jemand im ambulanten Dienst an einer Ampel steht oder am Patientenbett.
Jede Schwestern-Rufanlage hat heute ein Programm, das im Hintergrund aufzeichnet, wann der Patient geklingelt hat und wann der Mitarbeitende gedrückt hat, dass er vor Ort ist.

Was halten Sie deshalb für wichtig?

Ohne eine ordentliche Dienstvereinbarung sollten diese Instrumente nicht zum Einsatz kommen. Es muss kommuniziert werden, was mit der Technik möglich ist. Das muss gut geregelt und unzulässige Kontrolle untersagt werden.

Kennen Sie (anonyme) Beispiele, wo MAVen an ihrer Arbeit gehindert wurden?

Ja, das gibt es natürlich. Es fällt immer noch vielen Einrichtungsleitungen schwer, die MAV als das Gremium anzuerkennen und zu akzeptieren, das sie beteiligen müssen. In manchen Einrichtungen herrscht ein bedenkliches Klima: Der oder die Mitarbeitende sagt besser nicht, dass er Informationen von der MAV hat, weil er sonst benachteiligt wird. Ich habe auch erlebt, dass Mitarbeitende durch die Hintertür zu mir kommen, weil sie nicht wollten, dass die Leitung sieht, dass sie zur MAV gehen. Leider gehören Sätze wie „Wenn ihr MAVler so viele Sitzungen habt, müssen die anderen für euch mitarbeiten“ auch heute noch zum Alltag. Ein gutes miteinanderarbeiten ist leider noch nicht überall Standard.

Nach Ihren jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem „Dritten Weg“/dem kirchlichen Arbeitsrecht – würden Sie daran etwas ändern wollen – und wenn ja, was?

Für mich ist der „Dritte Weg“ eigentlich die Grundlage für das vertrauensvolle partnerschaftliche Zusammenarbeiten. Ich durfte das erleben, sonst hätte ich die Arbeit als MAV nicht so lange und so gerne gemacht. Es war ein gutes, konstruktives Miteinander und ich konnte viel für Mitarbeitende erreichen. Zusammen nach Lösungen für Mitarbeitende suchen – das ist für mich der „Dritte Weg“. Es war für mich jedes Mal enttäuschend, wenn es woanders nicht funktioniert.

Nach einem Blick in das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist mir aufgefallen: Bezüglich der digitalen Sitzungen ist das Mitarbeitervertretungsgesetz schon entsprechend angepasst. Dass es Spielregeln zum Datenschutz gibt, ist gut und auch, dass sich die MAV selbst damit auseinandersetzen muss. Gut finde ich auch die Änderungen beim Kündigungsschutz: dass Menschen die für eine Interessenvertretung kandidieren, zum frühestmöglichen Zeitpunkt (ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Kandidatur) geschützt sind. Diese Regelung finde ich sehr gut.

Vielen Dank für das Gespräch!

Lesen Sie auch den ersten Teil und den zweiten Teil des Interviews

Das Interview führte Hanna Kaltenhäuser, wissenschaftlicher Referentin, kda Bayern.

(Foto: privat)

Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung, Digitalisierung, Arbeitnehmende, Wandel der Arbeitswelt

Meldungsarchiv

Vorheriger Beitrag
Geschichte der Mitbestimmung in Deutschland – ein Überblick
Nächster Beitrag
Ermutigt durch die Jahreszeiten

Ähnliche Beiträge