„Fast keine Entscheidung ohne MAV“ – Interview mit Gerda Keilwerth

NÜRNBERG. Gerda Keilwerth steht für 35 Jahre Mitarbeitervertretung (MAV) und 20 Jahre Erfahrung beim Verband Kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (vkm). Der kda Bayern hat die heutige Regionalbeauftragte des vkm-Bayern nach ihren vielfältigen Erfahrungen mit MAV-Arbeit und den anstehenden Wahlen in Kirche und Diakonie befragt.

kda: Wo sehen Sie im Prozess der Mitbestimmung, Mitsprache, Beratung der MAVen die demokratischen Elemente ?

Keilwerth: Die MAV vertritt die Mitarbeiterschaft gegenüber der Dienststellenleitung. Das ist ihre durch das Mitarbeitervertretungsgesetz (MVG) definierte Aufgabe. Ab fünf Wahlberechtigten hat der Dienstgeber dafür zu sorgen, dass die Wahl angeboten wird. Es liegt nicht in seiner Entscheidungshoheit, ob es eine MAV gibt oder nicht. Wenn eine Einrichtungsleitung die vielfältigen Rechte und Aufgaben der MAV ernst nimmt, kann fast keine Entscheidung ohne MAV, also ohne die Interessenvertretung der Mitarbeitenden, getroffen werden.

Es ist in diesem Zusammenhang schade, dass es wenige Schwerbehindertenvertreter*innen gibt, weil diese noch mehr Rechte haben. Diese beiden Gremien sind u.a. die Grundlage dafür, dass bei Kirche und Diakonie demokratisch gearbeitet und gehandelt wird. Ein wichtiges demokratisches Element ist die Wahl. Alle vier Jahre. Da schwitzt man als Mitarbeitervertreterin: „Werde ich wieder gewählt?“ Durch die Wahl gibt es eine Rückmeldung: hat man mich wahrgenommen, ist man mit meiner Arbeit zufrieden gewesen? Die Wahlbeteiligung ist allerdings aus meiner Sicht auf alle Fälle zu niedrig. Das liegt auch daran, dass das Instrument der Briefwahl noch zu wenig bekannt ist.

kda: Können Sie uns ein paar konkrete Beispiele nennen, wo MAVen mitbestimmen?

Keilwerth: Die Mitarbeitervertretungen verhandeln mit der Leitung zum Beispiel darüber, ob es einen Nachtdienst oder eine Nachtbereitschaft gibt, wie Dienstpläne gestaltet sind – also die Umsetzung der Arbeitsschutzvorgaben – und über Arbeitszeiten. Viele Maßnahmen können nur mit Zustimmung der MAV umgesetzt werden. Das erfordert umfassende Information und Diskussion. Auch die Anrufung des Kirchengerichts ist eine Möglichkeit, auch wenn die Durchsetzung der Beschlüsse nicht immer einfach ist. In der Kirchengemeinde müssen MAVen zum Beispiel aufpassen, dass nicht zu viel Arbeit ins Ehrenamt abrutscht.

kda: Die MAV-Wahlen wurden 2022 um ein Jahr vorgezogen und finden nun wieder parallel zu den Betriebsratswahlen statt. Was erhoffen Sie sich von den vorgezogenen MAV-Wahlen 2022? Mehr Beteiligung, mehr MAV-Gremien?

Keilwerth: Die Initiative zum Vorziehen der Wahlen bzw. zur Verkürzung der Amtsperiode ging vom Gesamtausschuss Bayern aus. Das war eine notwendige Korrektur, nachdem die MAVen einmal unvorhergesehen ein Jahr länger im Amt waren. So können die Delegationen in die übergeordneten Gremien auf Deutschlandebene synchronisiert werden. Auch die Wahl der Schwerbehindertenvertretung findet dann zum Zeitpunkt statt, wenn diese in den nicht kirchlichen/ diakonischen Einrichtungen durchgeführt wird.
Wir hoffen natürlich immer auf eine höhere Wahlbeteiligung und bei jeder Wahl suchen wir im Vorfeld die „weiße Flecken“, wo (noch) keine MAV existiert. Denn es ist gemäß dem Mitarbeitervertretungsgesetz ein Rechtsverstoß, wenn es in einer Einrichtung ab fünf Wahlberechtigten keine MAV gibt.

Zur Person:
1986 hat sich Keilwerth zum ersten Mal in eine MAV wählen lassen – 1996 hat sie deren Vorsitz übernommen. Damit verbunden kam sie als normales Mitglied in die Gesamtmitarbeitenden-Vertretung von Diakoneo, deren Vorsitz sie vom Jahr 2000 bis 2019 wahrnahm. Bis zu ihrem Renteneintritt im Sommer 2021 war sie stellvertretende Vorsitzende. Sie wurde in den Gesamtausschuss Bayern für die Diakonie gewählt, war dort stellv. Vorsitzende und hat diesen mit aufgebaut. Seit 2001 ist sie Mitglied im vkm, weil sie „dort mitarbeiten wollte, wo in Gremien etwas bewegt werden kann“ – wie sie selbst sagt: EZVK, Kirchengericht, Schlichtungsstelle, Arbeitsrechtliche Kommission. Und das soll auch mindestens bis 2024 so weitergehen. Als Regionalbeauftragte berät sie Mitglieder und ist Referentin bei Schulungen für MAVen: MVG, AVR, Schwerbehindertenvertretung, Eingliederungsmanagement, Arbeitsschutz. „Das ist bisher ein unruhiger Ruhestand“, so Gerda Keilwerth über ihr Engagement.

Das Interview führte Hanna Kaltenhäuser, wissenschaftliche Referentin des kda Bayern.
Weitere Teile des Gesprächs können Sie hier in den kommenden Wochen lesen.

(Foto: Gerda Keilwerth)

Arbeitnehmende, Kirche, Mitbestimmung

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