Inspirierende Frauen!

Wer kocht, versorgt Menschen mit Lebenswichtigem. Die Zubereitung von Speisen ist ein Kulturhandwerk, auch eine Kunstform. Kochen macht Mühe – und Spaß. Es dient der Köchin oder dem Koch wie auch der Gemeinschaft.

Henriette Davidis (1801-1876) würde sich heutzutage gut in einer Koch-Show machen. Sie kann kochen – richtig gut: erfahren, kenntnisreich, praktisch, mit Leidenschaft und Freude. Aber vom Kochen allein kann sie nicht leben. Das schaffen auch heute nicht viele; einige Starköche und ganz wenige Starköchinnen mal ausgenommen. Arbeitsbedingungen und Verdienst in der Gastronomie sind oft dürftig. Weit mehr Frauen als Männer arbeiten hier.  Care-Arbeit steht insgesamt nicht hoch im Kurs.

Seit über hundert Jahren weist der Internationale Frauentag am 8. März auf die eklatanten Benachteiligungen von Frauen hin, auch auf Entgeltunterschiede zwischen den Geschlechtern. Er fordert Geschlechtergerechtigkeit. Er will Wertschätzung für alle Frauen – unabhängig von Herkunft, Alter oder Religion. Er nimmt ihren Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung als gleichwertig wahr – auch und gerade im Care-Bereich. Er verbietet die Missachtung dessen, was Frauen in Beruf oder in privaten Zusammenhängen leisten.

Lydia ist eine inspirierende Frau der Bibel (Apostelgeschichte 16, 14-15.40). Sie ist selbständig und handelt als Purpurhändlerin mit wertvollen Stoffen. Gleichzeitig stellt sie ihr Haus als Versammlungsort zur Verfügung und ist schützende Gastgeberin. Sie symbolisiert sowohl die sorgenden als auch die beruflichen Möglichkeiten von Frauen.

Vom Kochen allein kann Henriette Davidis nicht leben – wohl aber von den Kochbüchern, die sie Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlicht. Damit will sie jungen Mädchen „Anleitung zur selbständigen und sparsamen Führung eines Haushalts“ geben. Das hilft Familien, mit den damals geringen Löhnen im Bergbau des Ruhrgebiets besser zurechtzukommen.

Das entspricht auch den Interessen der Bergbehörde und der Arbeitgeber. Davidis stärkt so ein traditionelles Frauenbild und wird von manchen ihrer Zeitgenossinnen sehr kritisch gesehen.

Zum internationalen Frauentag scheint sie nicht zu passen.

Und doch will sie weder sich selbst noch andere auf das Bild der treu sorgenden Hausfrau reduzieren. Sie gibt Frauen, die für Familie und Haushalt verantwortlich sind, Ansehen. Sie verschafft den damals „typischen Frauentätigkeiten“ Wertschätzung. Als selbstbewusste berufstätige Frau ist sie ein überzeugendes Beispiel für Unabhängigkeit und das Bemühen um Gleichstellung. Als schillernde und beeindruckende Persönlichkeit ihrer Zeit kann sie – wie andere starke Frauen – inspirieren zu einer menschenwürdigen, geschlechtergerechten Zukunft.

Gestern, heute und morgen!

Heike Hilgendieck, im Vorstand des Verbandes „Kirche, Wirtschaft, Arbeitswelt“ (KWA)

Gastgewerbe, Frauen, Gerechtigkeit

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