Kirche und Arbeiterschaft – Buchvorstellung mit Diskussion

MÜNCHEN. Am Dienstag wurde das Buch „Kirche und Arbeiterfrage. Eine sozialwissenschaftlich-theologische Untersuchung zu Nähe und Distanz zwischen Arbeiterschaft und Evangelischer Kirche“ (Stuttgart 2017) im Kreise von Fachleuten und Interessierten aus Kirche und Wirtschaft vorgestellt und diskutiert. Als Herausgeber der Studie hatte der Leiter des kda, Prof. Dr. Johannes Rehm in die Regionalstelle des kda Bayern nach München eingeladen. Unter Gesprächsleitung von Elke Zimmermann, Journalistin beim Evangelischen Presseverband (epv) und Mitglied der Evangelischen Landessynode wurde die Frage erörtert, wie Menschen und ihre Arbeitswelt im kirchlichen Leben zur Sprache kommen können.

Wider die Gefahr einer bildungsbürgerlichen Verengung

„Die Tradition und das ehemalige Selbstverständnis der Arbeiterschicht haben sich durch die Globalisierung die Gegebenheiten komplett geändert.“, so Rehm. Vor diesem Hintergrund war mit der Studie die Frage nach der „Arbeiterschaft“ und deren Verhältnis zur Kirche neu zu stellen. Im Übrigen sei die Studie auch ein notwendiger Akzent gegenüber der Gefahr einer „bildungsbürgerlichen Verengung“. Seine Studie rege dazu an, „die Wahrnehmung zu schärfen.“  „Dieses Buch möchte falsche Alternativen vermeiden“, so Rehm. „Unsere Studie zeigt: Es hat sich viel getan in den vergangenen Jahrzehnten“, was die Wahrnehmung der Arbeitswelt innerhalb der Kirche betrifft. „Arbeitnehmende kommen viel häufiger in Kirche vor, als man es annimmt.“ Gerade „Kasualien schaffen die Wahrnehmung, die Menschen brauchen.“

Zugang zur Kirche gegeben

Dem schloss sich Prof. Dr. Klaus Raschzok von der Evangelischen Hochschule Neuendettelsau in seinen Aussagen an. Die Studie „Kirche und Arbeiterfrage“  habe gezeigt, dass insbesondere durch Kasualien und durch die Person des Pfarrers/der Pfarrerin Arbeitnehmende Zugang zu Kirche und Gemeinde finden.  Zudem mache sie insgesamt deutlich, dass die bisher weit verbreitete Annahme, Kirche würde Arbeiter/Arbeitnehmer nicht ansprechen, auf einem Vorurteil beruhe. Tatsächlich zeige sich in der Auswertung der Studie, dass Pfarrer*innen eine wichtige Rolle für die Vermittlung von Kirche zukommt. Wenn deren Sprache und Haltung stimmig sind, spreche die Botschaft der Kirche alle Bevölkerungsschichten an.

Weitere Anknüpfungspunkte wünschenswert

Dies sah der Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, Prof. Dr. Gerhard Wegner, etwas kritischer. Kirche gelinge es bisher nur in Ausnahmefällen, sich millieuübergreifend den Menschen zuzuwenden. Dabei gelte laut Wegner: „Kirche ‚schlägt‘ Milieu.“ Für ihn habe Kirche als Volkskirche für alle da zu sein.

Zudem brauche es seiner Meinung nach innerhalb der Kirche wieder ein stärkeres Verständnis von Arbeit als Beruf(ung). Der Beruf sei nämlich mehr als ein Job. Dies unterstütze seine Wahrnehmung, dass Menschen in ihrer Arbeit heutzutage Sinn suchen.

Außerdem erinnerte Wegner daran, dass das Wort „Kirche“ umgangssprachlich zuerst und fast immer mit dem Gebäude als „Ort des Glaubens“ verbunden werde. Er plädierte deshalb, die Gottesdienste daraufhin zu überprüfen, ob sie für Arbeitnehmende und die Arbeitswelt sprachlich Anknüpfungspunkte bieten.

Kirche in den Betrieben

Demgegenüber stelle sich aus Sicht der arbeitsweltlichen Praxis weniger die Frage, wie die Arbeitswelt in die Kirche komme, sondern vielmehr müsse umgekehrt gedacht werden. „Wir werden die Arbeitnehmer nicht in die Kirche kriegen. Wir arbeiten in unserem Betrieb 365 Tage im Jahr, sieben Tage und 24 Stunden durch. Wir müssen daher christliche Gedanken an den Arbeitsplatz bringen!“, so der Betriebsratsvorsitzende und Vorsitzende der Evangelischen Arbeitnehmerschaft in Bayern (afa) und Deutschland (BVEA), Bernhard Dausend. Gelebte Solidarität sei für ihn hier von zentraler Bedeutung.

Seiner Meinung nach müssen Arbeitnehmende nicht zuletzt am Ort der Arbeit jederzeit das Gefühl haben können, dass Kirche da ist, wenn man sie braucht.

Ethik, Arbeitnehmende, Kirche

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