Sommerzeit ist Pilgerzeit

VŠERUBY/TSCHECHIEN. Wer den Bayerischen Wald in der Grenzregion zur Republik Tschechien kennenlernen und vielleicht sogar mit Zeitzeugen der Grenzöffnung sprechen will, ist auf diesem Pilgerabschnitt genau richtig. Ab Všeruby in Tschechien auf dem Ostbayerischen Jakobsweg bewegte sich diesen Sommer schon zum zweiten Mal eine Gruppe zum Ziel in Regensburg.

In der St. Michaeliskirche in Všeruby bekräftigten die Vertreter der tschechisch-deutschen Partnergemeinden Maruska Homolkova aus Všeruby und Josef Altmann aus Eschlkam die guten nachbarschaftlichen Beziehungen. Nach einer Andacht mit Diakon Thomas Ruthenberg brach die Gruppe zu ihrer ersten Etappe auf.

Aufbruch war auch das Tagesthema, zu dem die Gastgeber eine bewegte Geschichte erzählten: Im Sommer 1990 fiel der „Eiserne Vorhang“, und wie durch ein Wunder wurde der Grenzübergang Eschlkam–Všeruby nach 45 Jahren wiedereröffnet. Wo früher Wege endeten, ist heute ein reger Straßenverkehr, man pendelt hin und her. Auch Josef Altmann hat mit dem Projekt Pilgern viele Brücken zu Verständigung und Begegnung zwischen Ost und West gebaut und wurde nicht müde, diese im Zeichen der Muschel mit Leben zu füllen.

So aufzubrechen ist immer wieder ein Erlebnis und am Abend anzukommen eine große Freude, dazwischen ist viel Raum für Ungeplantes. Es ist einfach schön, Menschen zu treffen, die „Du bist herzlich willkommen!“ ausstrahlen. Herzlichkeit ist das Herz der Gastfreundschaft. Sie öffnet Türen, begrüßt freundlich, bittet ins Haus und lässt Wohlbefinden aufkommen: „Hier kann ich sein und wieder Kraft schöpfen für die nächste Zeit.“

Am ersten Tagesziel fühlte man sich bereits miteinander verbunden. Die eigene Geschichte in den Schilderungen des Anderen wiederzufinden, ganz ähnliche Freuden, Ansichten und Sorgen zu teilen, das schaffte schnell Vertrautheit. Zuweilen erlebte man auch Aufregendes, Anstrengendes, das gemeinsam bewältigt oder einfach so stehen gelassen wurde. Am geografischen Höhepunkt des Weges, auf dem Sattel des Hohenbogens, wurde uns in der kleinen, von einer rührigen Frau geführten Wirtschaft und angesichts der Totenbretter in der Kapelle das ganze Ausmaß der Schönheit und Tragik des Wachsens und Vergehens im ewigen Kreislauf des Lebens bewusst. Und mit Psalm 139, 2-16 spürten wir der Geborgenheit all dessen in Gott nach.

In Neukirchen, Bad Kötzting und Neurandsberg, Haunkenzell und Wörth a. d.Donau übernachteten wir jeweils nach einem wohlschmeckenden Abendessen, gelegentlich ergab sich sogar die Möglichkeit zu schwimmen. Klares Wasser aus dem Pilgerbrunnen, weicher Waldboden zwischen kühlenden Bäumen, Sonnenschein nach einem Regenguss, ein weiches Kissen unter dem Kopf am Abend – es waren meist einfache Dinge, die unsere Begeisterung hervorbrachten. Vieles davon erscheint uns im Alltag selbstverständlich, hier, in der intensiven Wahrnehmung der Schöpfung, die sich infolge der Entspannung einstellte, wurde ein Blütenblatt genauso besonders wie ein weiß schimmernder Jakobusapfel oder der Gesang der Vögel, die uns begleiteten.

Auf dem letzten Wegabschnitt ließen wir gelassen die Landschaft am Ufer der Donau an uns vorbeiziehen und nahmen unsere Erlebnisse, Freuden und Hoffnungen mit in die Stadt, zum Bahnhof und nach Hause.

Fotos und Text: Thomas Ruthenberg

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Steht schon auf dem Schild „Ostbayerischer Jakobsweg“
Foto: kda Bayern
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Die Marktgemeinde Eschlkam grenzt an Tschechien. Daher beginnt der Ostbayerische Jakobsweg direkt am Grenzübergang Eschlkam/Všeruby.
Foto: kda Bayern
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