Wenn Spitzenmanager in sozialen Einrichtungen arbeiten – Jubiläum von „Seitenwechsel“

MÜNCHEN. Das Programm „SeitenWechsel“ feiert Jubiläum: 400 Manager und Führungskräfte aus Wirtschaft und Industrie in Bayern haben seit 2001 bei dem Programm mitgemacht und eine Woche lang in einer sozialen Einrichtung mitgearbeitet. Sozialpfarrer Roland Pelikan vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (kda) verantwortet seit Anfang an das Programm im Bereich der bayerischen evangelischen Landeskirche.

Keine Show-Veranstaltung

Das Konzept für „SeitenWechsel“ stammt ursprünglich aus der Schweiz und wurde vor 20 Jahren für Deutschland von der „Patriotischen Gesellschaft von 1765“ aus Hamburg übernommen – einer gemeinnützigen Kaufmannsgilde und zugleich der „Urmutter“ aller Sparkassen. Im Rahmen des Programms wechseln eine Woche lang Führungskräfte aus ihrer Leitungsfunktion in den Sozialbereich und arbeiten als normale Teammitglieder in einer Einrichtung mit.

Dabei ist es den Organisatoren ganz wichtig, dass der „SeitenWechsel“ keine kurze Show-Veranstaltung ist, bei der ein Prominenter kurz in einer sozialen Einrichtung auftaucht, sich öffentlichkeitswirksam im Kreis von Kindern oder behinderter Menschen ablichten lässt und dann schnell wieder verschwindet. Ziel des Programms sei es vielmehr, dass die Führungskräfte aus Industrie und Wirtschaft eine Woche lang fest in die Arbeitsprozesse eingebunden sind, sagt Pelikan. In Pflegestationen versorgen sie etwa Patienten, sie kümmern sich um gewaltbereite Jugendliche oder arbeiten im Schichtbetrieb einer Haftanstalt mit.

Soziale Kompetenzen stärken

Durch diese Arbeit außerhalb ihres beruflichen Alltags sollen die Leitungskräfte einen neuen Blick auf ihr eigenes Führungsverhalten bekommen, sich ihrer sozialen Kompetenz wieder bewusster werden und die Bedeutung sozialer Interaktion und sozialer Arbeitsfelder insgesamt klarer wahrnehmen, sagt Organisationsberaterin Constanze Sigl vom Institut persönlichkeit + ethik (Augsburg), mit dem der kda bei „SeitenWechsel“ zusammenarbeitet. Der „SeitenWechsel“ könne deshalb auch zu einer Brücke werden zwischen profitorientierter Wirtschaft und gemeinnützigem Sozialbereich.

Die sozialen Partner des kda bei dem Programm sind unter anderem ein Waldprojekt in Nürnberg zur beruflichen Rehabilitation ehemaliger Drogenabhängiger, die Palliativstation am Klinikum Großhadern, Unterkunftsheime für Obdachlose, die Begleitung von straffälligen Jugendlichen und drei bayerische Justizvollzugsanstalten.

Vielfalt sozialer Einrichtungen, Vielfalt an Erfahrungen

Das Programm beginnt, wie die Beraterin Sigl erklärt, mit einem „Markttag“, bei dem sich die Sozialunternehmen präsentieren und über Einsatzmöglichkeiten informieren. Den Organisatoren liege sehr am Herzen, dass der „SeitenWechsler“ und sein neuer sozialer Wochen-Job zueinander passen, sagt Sozialpfarrer Pelikan. Deshalb werden auch die Einrichtungen, die bei dem Programm mitmachen, genau unter die Lupe genommen.

Voraussetzung ist zum Beispiel, dass es eine qualifizierte Betreuung und eine gute Einbindung in die Arbeits-Teams gibt. Die „SeitenWechsel“-Woche schließt ein moderierter „Transfertag“ ab. Dabei reflektieren die Führungskräfte zusammen mit den anderen Teilnehmern ihre Erfahrungen reflektieren und überlegen, welche Erkenntnisse sie für ihren eigene Berufsalltag daraus mitnehmen, sagt Constanze Sigl.

Die Kosten für einen Seitenwechsel-Platz belaufen sich den Angaben zufolge auf 2.500 Euro pro Person, davon gehen ein Drittel an die Einrichtung und jeweils ein Drittel an die Dachorganisation und den Aufwand. Die „SeitenWechsler“ selbst stammen unter anderen von Unternehmen wie Siemens, BMW, Lufthansa sowie von Banken und Versicherungen.

Text: Achim Schmid (epd)

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