Arbeitsseelsorge: „Für viele Menschen geben wir ‚Kirche‘ ein Gesicht“

Nürnberg. Am Dienstag, den 14. Februar 2023, luden der evangelische Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda) und die katholische Betriebsseelsorge zum Studientag nach Nürnberg. Ihr Thema: „Seelsorge in der Arbeitswelt: Prägung, Berufung, Auftrag“. Im Caritas-Pirckheimer-Haus kamen 19 in der Arbeitsseelsorge tätige Männer und Frauen aus ganz Bayern zusammen. Gemeinsam reflektierten sie biographische Prägungen wie auch Erfahrungen in der Seelsorge.

Sie segnen Ausbildungsbeginn und Ruhestand. Sie stehen während einer Mahnwache an der Seite der Beschäftigten. Sie haben ein offenes Ohr, wenn im Kolleg*innenkreis jemand stirbt oder einen Todesfall in der Familie verkraften muss. Sie werden zur Vermittlung gebeten, wenn Arbeitgeber, Betriebsrat und Belegschaft im Konflikt sind und nicht mehr weiterkommen.

Seelsorger*innen in der Arbeitswelt sind für viele kirchenferne Beschäftigte der einzige Kontakt zu „Kirche“. Dennoch steht ihr Arbeitsfeld oft in Frage, wenn es um Kirchen-Finanzen und Struktur-Reformen geht.

Einmal im Jahr treffen sich Seelsorger*innen aus evangelischer und katholischer Kirche zum Austausch.

Ein bedrohtes Arbeitsfeld

Dr. Manfred Böhm, einer der beiden Initiatoren, betonte zur Begrüßung die verbindende Situation der Kolleg*innen in evangelischer und katholischer Kirche. Die Bedeutung ihres Arbeitsbereiches werde immer in Frage gestellt. Er sei kein „Kerngeschäft von Kirche“ heiße es manchmal gar. Ferner stelle der Generationenwechsel die Arbeitsseelsorge vor massive Herausforderungen, so der Theologe und Leiter der Arbeitnehmerpastoral im Erzbistum Bamberg.

Sein Mit-Initiator Dr. Johannes Rehm pflichtete ihm aus evangelischer Sicht bei.

„In Zeiten einer Kirchenaustrittswelle und Finanzverknappung müssen wir sprachfähig sein und bleiben, was unser Auftrag ist“, so der Pfarrer und Leiter des kda.

Reise in die eigene Vergangenheit

Als „Impulsgeber und Wegbegleiter“ hatte das ökumenische Vorbereitungsteam Martin Luitjens eingeladen. Der Coach und Organisationsentwickler nahm die Teilnehmenden mit auf eine Reise in die Vergangenheit:

Warum sind Sie in der Betriebsseelsorge, im kda gelandet?

Von dem Aufwachsen in einer Arbeiterfamilie, der Beschäftigung mit der französischen Arbeiterpriester-Bewegung als Student oder der Ermutigung durch Kollegen in der Arbeitsseelsorge: Beim anschließenden Austausch fanden die Teilnehmenden allerlei biographische Spuren, die ihren beruflichen Werdegang beeinflusst haben.

Die folgende Beschäftigung mit der eigenen Rolle, mit Glaubenssätzen und Motivation führte eindrucksvoll vor Augen, wie groß bei allen die Identifikation mit der eigenen Arbeit ist.

Glaube, politisches Engagement, soziales Wirken

„Keine Tätigkeit im kirchlichen Umfeld passt so auf mich“ oder „Die Frage nach dem Sinn meiner Arbeit stellt sich mir nicht, ich erlebe ihn jeden Tag“ lauteten zwei Rückmeldungen aus dem Teilnehmenden-Kreis.

Ob evangelisch oder katholisch, die Kombination aus Glaube, politischem Engagement und sozialem Wirken ist es, die die meisten Seelsorger*innen in der Arbeitswelt trägt.

Kirche ein Gesicht geben

Kaum ein anderer Bereich innerhalb der Kirche hat wohl so eine gesellschaftlich-breite Zielgruppe wie die Arbeitsseelsorge.

„Wir sind auch im Gespräch mit denen, die kritisch sind, mit den Ausgetretenen, mit Menschen anderer Religionen oder Menschen, die komplett kirchenfern sozialisiert sind“, so ein Teilnehmer des Studientages.

„Es tut einfach gut, dass ihr da seid“

Auch wenn alle von Vorurteilen gegenüber „der Kirche“ berichten konnten, zog sich durch die Redebeiträge doch die hohe Motivation durch Wertschätzung des Gegenübers.

„Die Kirche bekommt durch uns auf einmal ein Gesicht – jenseits der Skandale, über die in der Tagesschau berichtet wird“ oder „Wir haben nicht immer eine Lösung für die Menschen, aber wir sind da und hören zu“ hieß es aus dem Teilnehmenden-Kreis.

Dieses „vor Ort sein“ werde sehr honoriert:

„Das größte Lob für mich ist, wenn jemand am Ende der Mahnwache, nach einem Betriebsgottesdienst oder einem Krisengespräch sagt: Es tut einfach gut, dass ihr da seid.“

Ökumene wirkt!

Im nächsten Jahr wolle man wieder gemeinsam einen Studientag auf die Beine stellen, da sind sich alle Teilnehmenden zum Abschluss einig.

Foto: kda Bayern

Arbeitnehmende, Kirche, Arbeitsbedingungen, Geistliches, Gerechtigkeit, Solidarität

Meldungsarchiv

Vorheriger Beitrag
Winterblues
Nächster Beitrag
Globalisierung im Blick

Ähnliche Beiträge