NÜRNBERG. „Was ich mir als Ersatz für die Arbeit vorgenommen habe, kann ich so nicht umsetzen. Da bin ich ausgebremst durch Corona“. In Zeiten der Pandemie läuft der Abschied in die Rente für viele Beschäftigte ganz anders als gedacht, geplant oder gewünscht. Ehemalige Teilnehmenden des kda-Seminars „Ruhestand im Blick“ können davon ein Lied singen. Sie sind über den kda Bayern in Kontakt geblieben und können sich über ihren Frust, aber auch über Gelingendes austauschen.
Abschiedsfeier mit Einschränkungen
Schon auf dem Weg hin zum Abschied von den Arbeitskolleg*innen kann es schwierig sein, wenn man sich nur noch per Video-Konferenz sieht und die meiste Zeit im Home Office sitzt. Große Abschiedsfeste mit Kolleginnen sind auch nicht möglich. Rudolf*, der Betriebsrat in einer Spedition war, hat das Beste draus gemacht, wie er sagt: Zuhause in den Garten hat er sein Kolleg*innen eingeladen und denen, die nicht kommen konnten noch Mails zum Abschied geschrieben. Monika* hat den Abschied in 2020 gerade noch so mit viel Kuchen und Sekt gefeiert und allen Abschiedskärtchen in die Postfächer gelegt. „Das war mir ein Bedürfnis“, sagt sie, „ich habe doch so lange gerne mit den meisten zusammen gearbeitet“.
“Ich saß in der sozialen Quarantäne”
Die ersten Schritte rein ins Rentnerleben waren dann schon schwieriger: „Ich hatte Ideen, was ich machen will, habe Pläne gemacht. Das hat dann erst mal alles nicht so geklappt. Ich saß in der sozialen Quarantäne, meine Kontakte waren total reduziert“, beschreibt es Rudolf. „Mir hat es sowieso etwas gegraust vor der Rente“, erzählt Monika. „Und jetzt gibt es durch Corona noch viel weniger, was Freude macht oder anspornt. Ihr fehlt die Struktur: Der geliebte Square-Dance in der Gruppe geht nicht mehr wegen Abstands-Gebot und Kurse im Seniorenwerk sind jetzt online. „Damit komme ich gar nicht zurecht“, sagt Monika, „ich weiß beim Videotelefonieren schon nicht, wie ich das Ding halten soll und niemand schaut in die Kamera, sondern in irgendeine Ecke“.
Online Kontakte sind nicht für jede*n etwas
Die Erfahrung, dass andere mit Online-Angeboten schlecht zurechtkommen, hat auch Rudolf gemacht. „Als mein Englisch-Sprachkurs auf online umgestellt hat, waren wir plötzlich nur noch Männer“, berichtet er. Anscheinend hatten die weiblichen Teilnehmerinnen Hemmungen, im digitalen Raum präsent zu sein. Er kennt die elektronischen Tools aus der Arbeit und nutzt sie auch bei seiner ehrenamtlichen Arbeit im Förderverein oder beim ADFC. Aber auch dort haben etliche Mitglieder den Kontakt seit Corona ganz abgebrochen. „Vielleicht wollen sie nicht auch noch abends online sein, wenn sie den ganzen Tag Video-Konferenzen haben“, mutmaßt Rudolf.
Dinge auch mal liegen lassen
Einstweilen trifft sich Monika mit ihren ehemaligen Kolleginnen zum Spaziergang in der Stadt. „Wir nehmen einen ‘Coffee to go’, setzen uns auf eine Parkbank und quatschen“, so die Neu-Rentnerin. Zuhause könnte sie Bilder malen oder nähen. „Ich habe alles da, aber allein macht es mir einfach nicht so viel Spaß“. Dann eben der direkte Kontakt draußen, und fertig geimpft ist sie auch bald – ein Lichtblick. Und auch Rudolf genießt, dass er weniger Stress hat. „In der Arbeit habe ich durchgepowert. Jetzt lasse ich Dinge auch mal liegen. Morgens trödeln und abends länger Zeit haben,“ ist jetzt seine Devise.
Angebote für Rentner*innen und solche, die es werden
Das Seminar „Ruhestand im Blick“ findet wieder statt am 01. und.02. Oktober 2021 in Heilsbronn. Informationen und Anmeldung unter kda-bayern.de/ruhestand-im-blick-2021.
Wenn Sie sich über Erfahrungen zum Thema „Neu in der Rente“ austauschen möchten, nehmen Sie Kontakt auf zu Hanna Kaltenhäuser unter kaltenhaeuser@kda-bayern.de
* Namen der Personen von der Redaktion geändert
(Foto: kda Bayern)