Kennen Sie nicht auch diesen Satz: „Ich habe keine Zeit.“? Oder haben ihn sogar schon einmal selbst verwendet? Mir kommt er immer wieder über die Lippen. Neuerding ärgert mich das. Warum? Nun davon handelt diese Andacht.
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ (Psalm 31,16) Der Psalm macht deutlich, dass ich nicht der Besitzer der Zeit bin. Sie gehört Gott und dieser schenkt sie uns. Aber selbst, wenn man das nicht so sieht, muss man zugeben, dass man Zeit nicht besitzen kann. Sie ist nicht greifbar, nicht ansparbar oder übertragbar. Zeit entzieht sich uns. Also egal wie, wir können Zeit nur verwenden. Richtiger wäre also zu sagen: „Dafür nehme ich mir keine Zeit.“ oder „Dafür verwende ich keine Zeit.“
Nun unterliegen wir Menschen in dieser Welt fremden Zwängen. Das können Naturgesetze sein. Es gibt aber auch Zwänge, die wir Menschen uns gemeinsam auferlegen. Sie erscheinen manchmal so unabänderlich, wie die Naturgesetze. Wir können sie dennoch verändern. Dazu gehört, wie wir einen Teil unserer Zeit für den Gelderwerb aufwenden. Aber was passiert, wenn jemand nicht angemessen und fair entlohnt wird? Dann muss diese Person mehr Zeit aufwenden, als bei fairer Bezahlung. Ihr wird Zeit der freien Verwendung entzogen. Die Personen, die davon profitieren, sind dann Zeitdiebe. Sie haben zwar dadurch nicht direkt mehr Zeit, aber sie haben mehr Geld zur Verfügung. Das kann sein, weil sie höhere Einkommen haben, als ihnen ihrer Leistung entsprechend eigentlich zusteht. Kein Mensch kann das 20-fache eines anderen Menschen leisten. Oder aber, man hat mehr Geld, weil man für eine Ware oder Dienstleistung weniger zahlen muss.
Wir alle sind also irgendwie Zeitdiebe. Aktuelles Beispiel sind die schlechten Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, die niedrigen Löhne im Gesundheitsbereich und in der Daseinsvorsorge allgemein. Das ist niederschmetternd. Natürlich kann man sich vornehmen, anders zu konsumieren, auf fair und möglichst nachhaltig produzierte Güter auszuweichen. Aber letztlich kann das schnell zur individuellen Überforderung werden. Es ändert nur wenig an den Rahmenbedingungen. Deshalb ist es wichtig, sich ebenfalls für andere Rahmenbedingungen einzusetzen. Im besten Fall tut man das eine, ohne das andere zu lassen. Wer nicht genügend Geld für fair produzierte Güter hat, kann sich immerhin noch für bessere Rahmenbedingungen engagieren.
Danke, dass Sie sich Zeit für diese Gedanken genommen haben.
Thomas Krämer, kda Nürnberg
(Foto: kda Bayern)