Die Wiege des kda war die Frauenarbeit

Interview zum Frauenmonat März: Anlässlich des Frauensonntags Lätare 2023 werfen wir einen Blick in die Geschichte des kda Bayern. Dazu sprachen wir mit Nina Golf und Hanna Kaltenhäuser, wissenschaftliche Referentinnen beim kda Bayern.

Am Anfang des kda in Bayern stand die Frauenarbeit?

Hanna Kaltenhäuser: Der Beginn des kda steckt auch in der Arbeit mit Industrie-Arbeiterinnen in der Nürnberger Südstadt. Dort gab es seit den 1950er Jahren ein Arbeiterinnen-Wohnheim mit Hort und Kindergarten im Haus, das es alleinstehenden Frauen ermöglicht hat, Familie und Berufstätigkeit zu vereinbaren.

Dort wurden Frauen in ihrer Lebenswirklichkeit abgeholt und unterstützt.

Von Anfang an waren Themen wie Vereinbarkeit oder bezahlbarer Wohnraum „oben auf“. Eigentlich nicht anders als heute.

Bei Wochenend-Seminaren mit den Frauen aus dem Haus und mit anderen Arbeiterinnen aus den Fabriken wurden die Teilnehmerinnen selbst Expertinnen. Sie erzählten, wie es in ihrer Arbeit läuft und was sie da erleben. Der Ansatz „von und miteinander lernen“ wird bei den Seminaren im kda bis heute praktiziert. Die Erfahrungen der Teilnehmenden spielen eine große Rolle.

Nina Golf: Deshalb gibt es auch eine enge Verbindung zwischen uns vom kda und den Mitgliedern der ehrenamtlichen afa – Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen.

Was bietet ihr für Frauen an? Und warum gibt es Angebote nur für Frauen?

Hanna Kaltenhäuser: Ich gehe als Referentin zu Seminaren in ganz Bayern. Die Frauen aus der afa, die es ja auch seit den 1950er Jahren gibt, haben in ihrer Arbeit vor Ort ganz unterschiedliche Profile und Interessen entwickelt. Themen wie „Älter werden im Betrieb“, „Kommunikation im Beruf“ oder „Frauenpolitik in Parlamenten“ betrachten wir da aus Frauenperspektive und die ist nun mal eine andere als die von Männern. Die Frauen schätzen es auch, mal unter sich zu sein und Gemeinschaft zu erleben.

Nina Golf: Für Frauen sind die Seminare, Konferenzen und Themenabende: Lebensbegleitung, Arbeitsbegleitung, Gemeinschaft erleben, aber auch: ihren Interessen eine politische Stimme verleihen.

Als Hauptamtliche können wir „Transmitter“ sein. Wir verleihen den Anliegen der Frauen eine Stimme. Wir bringen die Anliegen in unsere Netzwerke, in Gremien wie den Bayerischen Landesfrauenrat oder das Bündnis gegen Altersarmut ein. Gerade im kirchlichen Bereich ist es wichtig, Frauen mit ihren Problemen als Arbeitnehmerinnen wahrzunehmen. Wir nennen es „im vorpolitischen Raum tätig sein“, um etwas zu verändern.

Zur letzten Bundestagswahl ging es zum Beispiel darum, den Blick auf Frauenthemen in den Parteiprogrammen zu schärfen. Das werden wir dieses Jahr zu den bayerischen Landtagswahlen wieder tun. Und auch das Thema Arbeitsbedingungen in der Pflege beschäftigt uns nicht erst seit der Corona-Pandemie.

Hanna Kaltenhäuser: Beim bayernweiten Frauen-Seminar wollen wir dieses Jahr über Veränderungen im Beruf und im Leben sprechen. Bei einem Betriebsbesuch auf einem Gemüsebauernhof erzählen uns die Gemüsebäuerinnen, wie sie und ihre Vorfahrinnen im Laufe der letzten über 100 Jahre mit den Herausforderungen ihres Berufs fertig geworden sind.

Beim Seminar „WERKZEUGEN“ bringen die Frauen Werkzeuge aus ihrem Beruf mit und erzählen aus ihrer Berufsbiographie. Es geht auch darum, dass sie sich und ihr berufliches Handeln wertgeschätzt fühlen.

Was holt euch immer wieder ein bei eurer Arbeit?

Hanna Kaltenhäuser: Ich bin jetzt bald 29 Jahre hier im kda und am Thema Gleichberechtigung dran – und meine Vorgängerinnen ja auch noch mal 40 Jahre davor.

Und ganz ehrlich: wenn ich die Zahlen sehe, wie wenig Rente Frauen bekommen im Vergleich zu Männern und dass zum x-ten Mal die Forderung aufgestellt wird, das Ehegattensplitting abzuschaffen, oder wenn ich lese, dass immer noch die Frauen überwiegend die Sorgearbeit übernehmen – dann zweifle ich wirklich daran, dass sich trotz aller politischer Maßnahmen noch mal was nachhaltig zum Guten wendet für möglichst viele Frauen.

Der Wind weht Frauen immer noch direkt ins Gesicht.

Nina Golf: Stimmt, das Kreuz mit der Pflege, das Kreuz mit der Altersarmut, das Kreuz mit der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern.

Dennoch hat sich auch schon so vieles in die richtige Richtung bewegt. OK, beim Segeln heißt es bei Flaute: Solange sich das Wasser bewegt, fahren wir…

Welche politischen Forderungen leitet ihr daraus ab?

Nina Golf: Für konkrete Forderungen spielen Bündnisse und Netzwerke wichtige Rolle, wie mit der afa, den DGB-Gewerkschaften, der katholischen Betriebsseelsorge und innerkirchlich mit den Evangelischen Frauen in Bayern oder eben mit unserem Projekt Frauenmonat März mit Kolleginnen aus den Kirchlichen Diensten in der Arbeitswelt der verschiedenen Landeskirchen.

Wenn sich Frauen politisch zusammengeschlossen haben, ging das oft auch sehr gut überparteilich. Das hat sich schon beim Gerangel um das Wahlrecht für Frauen und später bei der Erarbeitung des Grundgesetzes gezeigt. Und heute beim Ringen um ein Paritätsgesetz für mehr Frauen in den Parlamenten oder der Bekämpfung von Altersarmut.

Darin wird auch die Zukunft liegen: Sehen und sichtbar machen, Ungerechtigkeiten und Missstände benennen und handeln.

Schauen woher der Wind kommt, Segel setzen und los!

Was macht Eure Arbeit innerhalb der Kirche besonders?

Nina Golf: Indem wir das Thema Erwerbsarbeit in allen seinen Facetten in den Vordergrund stellen können. Nicht nur politisch.

Kirche sieht sich häufig als für den „privaten“ Teil des Lebens zuständig. Aber Arbeit und Leben sind keine zwei Pole: Arbeitszeit ist Lebenszeit. Es ist ein nicht unerheblicher Teil, den wir mit Erwerbsarbeit verbringen.

Innerkirchlich ist es unseren Vorgängerinnen auch gelungen, mit den Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) das Thema zu platzieren. Das Bewusstsein hat sich heute in unserer Kirche verändert. Dennoch lohnt es sich immer wieder den Blick zu schärfen: Vielen Frauen ist es bspw. gar nicht möglich, wochentags zum Frauenfrühstück der Gemeinde zu kommen, weil sie Vollzeit erwerbstätig sind.

Meine Erfahrung ist auch, dass wir Gemeinschaft bieten können für Menschen, die (in ihrer Kindheit und Jugend) schlechte Erfahrungen „mit Kirche“ gemacht haben und / oder einen anderen Zugang suchen. Mit unseren Themen holen wir sie ab, denn am Anfang unserer Arbeit steht nicht die Frage: Wie hältst du es mit Gott? Sondern: Wie geht’s dir im Alltag mit deiner Arbeit im Betrieb?

Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist, sich in Netzwerken und Bündnissen zusammenzuschließen, um auch politisch aussagekräftig zu sein.

Hanna Kaltenhäuser: Ich habe über die Initiative familienbewusste Personalpolitik hier in Nürnberg Kontakt zu Akteurinnen auf dem Arbeitsmarkt und aus Betrieben. Also Betriebsrätinnen, Personalerinnen, Mitarbeiterinnen der Arbeitsverwaltung, der IHK oder der Stadt. Ich treffe die nicht zufällig im Kirchenvorstand, sondern ganz absichtlich und unter dem thematischen Vorzeichen >familienfreundliche Arbeitswelt<.

Systematisch Kontakte in die Arbeitswelt halten, das ist unser Alleinstellungsmerkmal im kda.

Gibt es eine Anekdote die dir als KDA-Frau in deiner Arbeitswelt passiert ist?

Nina Golf: Ein bisschen schräg wurde es zu früheren Zeiten immer dann, wenn ich als einzige Frau bei Betriebsbesuchen dabei war. Zum Beispiel mit dem KDA-Fachausschuss Humanisierung und Neue Technik. Manchmal waren unsere Gesprächspartner bei Betriebsbesuchen verunsichert und dachten, ich sei die Sekretärin und nicht die Vorsitzende des Fachausschusses. Das ist uns allen aufgefallen. Seitdem habe ich Papier und Stift lieber in der Tasche gelassen.

Heute ist es anders und wir sind mehr Frauen als Männer im Ausschuss!

Hanna Kaltenhäuser: Sehr eindrücklich war mir mein erstes Seminar nach Corona. Als ich im Sommer 2021 von meinem Augsburger Kollegen angefragt wurde, ob ich ein Frauen-Seminar machen könnte, da habe ich gesagt: „Egal welches Thema, ich mache es.“ Beim Seminar und danach wurde mir klar, dass mir dieses Arbeiten mindestens so sehr gefehlt hatte wie den Teilnehmerinnen.

Ich habe durch die Zwangspause während Corona meine berufliche Tätigkeit nochmal ganz neu schätzen gelernt.

Nina Golf und Hanna Kaltenhäuser arbeiten als wissenschaftliche Referentinnen für den kda Bayern.

Das Interview führte Annelies Bruhne.

Bild: J. Terry /Getty Images via Canva

Dieses Interview ist Teil des Online-Schwerpunktes „Frauenmonat März“.

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