Grenzerfahrungen beim Pilgern im Allgäu

KEMPTEN. Woher willst du wissen, was du kannst, wenn du nie die Komfortzone verlässt? Die Frage stellt sich beim Pilgern nicht, denn jeder Tag bietet uns unzählige neue Möglichkeiten, die eigenen Grenzen auszuloten und weiter zu stecken. Dabei mag man zunächst an Begegnungen mit Fremden oder an körperliche Herausforderungen denken, an geografische oder politische Grenzen. Doch eine Pilgerreise zeigt uns auch innere Grenzen auf, wenn wir uns ganz darauf einlassen: Wer bin ich? Was spiegelt mir der Andere? Wie gehe ich mit Herausforderungen um? Wann wird mir was zu viel? Wo fehlt mir etwas? Elf Pilgerer haben es ausprobiert.

Angeleitet von Thomas Ruthenberg, der als Verantwortlicher für den Arbeitsbereich des Kirchlichen Dienst im Gastgewerbe (kdg) seit Jahren Berufstätige in Pilgerauszeiten begleitet, konnte jeder seine eigenen Antworten auf diese von ihm angeregten Fragestellungen finden. Der Diakon und Küchenmeister bietet diese besonderen Wanderungen zur seelischen Erbauung und religiösen Auseinandersetzung mehrmals im Jahr an.

Von Wegweisern und glitzernder Weite – Erfahrungen

Nach der Hitzewelle sank das Thermometer am 29. Juli auf angenehme 23 Grad, als unsere Gruppe, sieben Frauen und vier Männer mit Bergschuhen, Rucksäcken und Wanderstöcken von Kempten nach Buchenberg aufbrachen. Die kleine Kapelle Mariaberg nahm uns erstmals zu Gebet und Gesang auf, und dort trugen wir unsere Segensbitte für die bevorstehenden Wege dem Schöpfer vor. Er hat sie wohlwollend erhört, denn die Woche bot nicht nur meteorologisch viele Gelegenheiten zu danken.
Schattige Wälder und sonnige Fluren wechselten sich im Folgenden ab, wenn wir auf Weitnau, Simmerberg, Scheidegg und Lochau bei Bregenz zu wanderten. Mal plätscherte ein Bach am Weg, mal bot ein See Abkühlung, dann wieder nahmen uns Kirchen und Kapellen auf, oder wir legten unsere Sorgen und Hoffnungen bei einem Altar im Grünen ab. Wegweiser gab es viele, ob menschgemacht oder als Fingerzeig Gottes. Hier hatten wir Gelegenheit, sie in Ruhe zu erkennen, sie mitzunehmen in weiteren Schritten, die eigene Veränderung zu beobachten und in der Gruppe oder auch mal allein, jeder für sich zu reflektieren.
Am höchstgelegenen Gipfelkreuz auf dem Pfänder schweiften unsere Blicke dann auf der einen Seite über die durchaus auch mal mühsam bewältigte Allgäuer Landschaft, auf der anderen Seite über die glitzernde Weite des Bodensees. Wie ein lichtvolles Versprechen lag er da, still und unaufdringlich, so wie die Präsenz Gottes in unserem Leben. Auch ihn haben wir gesucht und gefunden – und doch war er ebenfalls „schon immer da“. Getröstet, gestärkt und ausgeglichen ließen wir uns von ihm ein Stück weit tragen, den nächsten Tagen und Wochen entgegen. Möge dieser frische Wind künftig immer in unserem Rücken sein und der „Regen“ genauso sanft auf unsere (Arbeits-)Felder fallen wie auf die die Allgäuer Hügel diese Woche.

(Text: Carmen B. Kraus, bearb. kda Bayern
Titelbild und Fotos: Carmen B. Kraus)

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Auszeit, Gastgewerbe

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