Kein Prosit der Gemütlichkeit? Feierabendgespräch mit DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer

MÜNCHEN. „Work & Life“ heißt eine neue Gesprächsreihe der Münchner Stadtakademie und des kda Bayern. Die Teilnehmenden lernen in gemütlicher Runde spannende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Arbeitswelt kennen. Am 20. Juni war die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Angela Inselkammer, zu Gast. Sie berichtete von ihren persönlichen Erfahrungen als Familienunternehmerin und von den Herausforderungen der Gastronomie in Zeiten von Corona, Ukrainekrieg und Arbeitskräftemangel.

Engagement für Ehrenämter und Enkelkinder

Dass Angela Inselkammer eine vielbeschäftigte Frau ist, machen Gastgeberin Dr. Barbara Hepp und Moderator Peter Lysy am Work & Life-Abend bereits bei der Vorstellung sehr deutlich. Die Unternehmerin ist nicht nur seit 2016 Gesicht und Stimme der Gastronomie im Freistaat. Sie bekleidet auch eine Vielzahl weiterer Ehrenämter in bayerischen Verbänden, leitet die Geschäfte des Brauereigasthofs Hotel Aying und ist nicht zuletzt für ihre große Familie mit drei Kindern und elf Enkelkindern da.

Die vielen Ehrenämter entsprächen ihrem Verständnis von Demokratie, sagt Angela Inselkammer: „Wenn man etwas politisch verändern will, dann muss man sich engagieren.“ Priorität habe in ihrem Leben allerdings immer die Familie, danach käme das Geschäft und erst dann das Ehrenamt. Bei all der Verantwortung sei ihr als evangelischer Christin auch der Glaube wichtig. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man Verantwortung übernehmen kann, ohne das Gefühl, da gibt es noch jemanden, der auf dich aufpasst.“

Wenn es brennt, dann wasch ich ab, dann kehre ich zusammen.“

Auch den Ayinger Brauereigasthof ihres Mannes Franz Inselkammer, in dem sie die Geschäfte führt, betrachtet sie als große Familie. „Das ist das Wesen der Gastronomie, dass du mit deinen Mitarbeitern Seit an Seit stehst. Wenn es brennt, dann wasch ich ab, dann kehre ich zusammen. Da müssen alle helfen. Das ist in der Gastronomie anders als in der Industrie. Wir sind eine Familie und nur, wenn das funktioniert, ist auch das Ergebnis gut.“ Wenn im Hochbetrieb alles wie am Schnürchen laufe, so wie es die Gäste wünschten, dann sei das wie ein Gesamtkunstwerk.

Im Lockdown kehrten Aushilfskräfte der Gastronomie den Rücken

Im Gespräch geht es jedoch bald auch um die Probleme des Gastgewerbes, die schon in der Überschrift „Kein Prosit der Gemütlichkeit?“ anklingen. Die Corona-Lockdowns hatten die Branche erschüttert, die hohen Energiepreise seit dem Ukrainekrieg lasten noch immer auf ihr. Ein Hauptproblem jetzt und in Zukunft sei der Personalmangel, sagt Angela Inselkammer. In der Pandemie hätten viele Aushilfskräfte, die kein Kurzarbeitergeld bekamen, der Branche den Rücken gekehrt. Der aus demografischen Gründen fehlende Nachwuchs mache der Gastronomie wie allen Branchen zu schaffen. „280.000 Menschen gehen in Bayern jedes Jahr in Rente und 120.000 kommen aus der Schule. Da kann jedes Kind ausrechnen, dass das nicht zusammenpasst.“

Was nützt die schöne Gegend ohne Einkehrmöglichkeit?

Von der Politik fordert Angela Inselkammer deshalb bessere Rahmenbedingungen, „damit die Leute sehen, dass es sinnvoll und gut ist, in unserer Branche zu arbeiten, auch als Selbstständige.“ Gerade die vielen kleinen Betriebe auf dem Land seien auch Stützen des Tourismus. „Was nützt es mir, wenn ich mit dem Radl durch die schöne Gegend fahre und kann nirgendwo einkehren?“ Die Gastronomie sei die zweitwichtigste Leitökonomie in Bayern. Da es aber so viele kleine Betriebe gebe, sei es wichtig, mit einer Stimme zu sprechen. „Wenn BMW hustet oder Siemens, dann stehen alle stramm. Die Politik muss wissen, da gibt es einen Zusammenschluss von allen, die in unserer Branche sind.“

Flexible Arbeitszeit und Privatleben der Beschäftigten

Konkret fordere der DEHOGA Bayern zum Beispiel eine Verstetigung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von sieben Prozent auf Speisen. Ein weiteres Anliegen ist die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes durch Umstellung von der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Das entspräche laut Inselkammer auch den Wünschen der Beschäftigten. Dabei sieht die Gastronomin die Arbeitszeiten in ihrer Branche durchaus als Herausforderung für ihre Angestellten: „Wir versuchen alles, damit unsere Mitarbeiter auch ein gutes Privatleben haben können. Das ist mir persönlich wichtig. Wenn sie immer am Wochenende und am Abend arbeiten, dann ist es mit dem Privatleben echt schwierig.“

Auf die Frage aus dem Publikum, wie sie mit Betrieben umgehe, die gegen Arbeitszeitregelungen verstießen, kündigt die DEHOGA-Präsidentin eine Zertifizierung von Top-Arbeitgebern an. Bei diesem Verfahren könnten auch die Beschäftigten ihre Meinung anonym kundtun. Eine Zertifizierung für TOP-Ausbildungsbetriebe gebe es bereits. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage könnten Beschäftigte leicht zu einem anderen Arbeitgeber wechseln.

Wenn sich der Gast wahrgenommen fühlt, haben wir gewonnen.“

Im Zentrum steht für Angela Inselkammer bei diesem Feierabendgespräch neben allen politischen und strukturellen Fragen die eigentliche Aufgabe des Gastgewerbes, die Gastlichkeit. Sie wünscht sich eine herzliche und echte Hinwendung zum Gast und macht dies an einem Beispiel deutlich: „Wenn ein Gast zu Ferienbeginn aus Düsseldorf anreist, dann frage ich ihn an der Hotelrezeption nicht: ‚Hatten Sie eine schöne Anreise`? Der kann ja gar keine schöne Anreise gehabt haben! Da muss ich fragen: ‚Sind sie lang im Stau gestanden oder gut durchgekommen?‘“ Wichtig sei, dass sich der Gast wirklich aufgehoben fühle. „Wenn wir es hinkriegen, dass wir dem Gast das Gefühl geben, er ist persönlich erkannt und wahrgenommen, dann haben wir gewonnen.“

Politik, Zeit, Führungskräfte, Arbeitsbedingungen, Gastgewerbe

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