MÜNCHEN. “Was tun gegen Union Busting?” Der Runde Tisch der Münchner Kirchen und Gewerkschaften diskutierte mit Expert*innen und Betroffenen über Fälle von Betriebsratsbehinderung in der Region München. Die Beispiele machten deutlich – man muss sich wehren.
Fadenkreuz auf dem Bild des Betriebsrats
Als Betriebsrat Johannes Vogl bei der Firma Hoffmann Group in Odelzhausen einen Streik für bessere Löhne organisierte, wurde im Betrieb ein Foto von ihm ausgehängt. „Da wurde mir ein Fadenkreuz auf den Kopf gemalt und ein Hitlerbart“, erzählte Vogl gestern beim Runden Tisch München. Auf seine Bitte, das denunzierende Bild abzuhängen, schwieg das Management. Das Foto blieb drei Tage lang im Betrieb hängen.
Auf mal drastische, mal subtilere Art erleben viele Arbeitnehmervertretungen Repressalien bei ihrer Arbeit. „Union Busting” heißt das auf neudeutsch, also “Gewerkschaft sprengen”. Der Runde Tisch München, ein gemeinsames Gremium von Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen, diskutierte dieses Problem am Donnerstagabend im Pfarrsaal St. Rupert, München-Westend, mit Expert*innen und Betriebsrät*innen. Leitfrage des Abends war „Was tun gegen Union Busting?“
Rechtsanwalt Helm: “Union Busting ist eine Straftat”
Der Münchner Rechtsanwalt Rüdiger Helm, der in zahllosen Fällen Gewerkschaften und Betriebsräte vertreten hat, forderte in seinem Vortrag, dass die Behinderung betrieblicher Mitbestimmung schärfere rechtliche Konsequenzen haben müsse: „Union Busting ist eine Straftat. Nötig sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeitsrecht, um die Arbeitsrechtsferne der Strafrechtler zu reduzieren.“
Gewerkschaftssekretärin Christin Schuldt von der Gewerkschaft NGG beschrieb die großen Schwierigkeiten, bei Essenslieferanten wie Lieferando überhaupt Betriebsräte zu etablieren. „Echte demokratische Mitbestimmung ist im Betrieb nicht erwünscht und wird mit härtesten Mitteln bekämpft“, erklärte Schuldt. In Köln war mit ihrer Hilfe dennoch die Gründung eines der ganz wenigen Betriebsräte bei einem Lieferdienst gelungen.
Einig sind sich Gewerkschaften und Kirchen, dass die Mitbestimmung ein hohes Gut ist, das gestärkt werden muss. Die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger sagte bei der Veranstaltung: „Betriebe dürfen keine demokratiefreien Zonen sein. Beschäftigte müssen mitbestimmen können, egal ob es um die Sicherung von Arbeitsplätzen oder um grundsätzliche Änderungen im Betrieb geht.“
Regionalbischof Kopp: “Betriebe brauchen Mitbestimmung”
Auch die Leitungen beider Kirchen schickten vorab solidarische Grußbotschaften. Kardinal Reinhard Marx schrieb: „Gewerkschaftliches Handeln zu behindern, verstößt gegen geltendes Recht. Es schadet letztlich auch den Unternehmen – wissen wir doch, dass Unternehmen mit Betriebsrat und gewerkschaftlichem Engagement meistens erfolgreicher sind.“ Der Münchner Regionalbischof Christian Kopp teilte per Videobotschaft mit: „Wir als Kirche sagen ganz klar: Betriebe brauchen Mitbestimmung für eine gute Zukunft“.
Für Betriebsrat Vogl, der nach vielen Angriffen, Unterstellungen und sogar Petitionen gegen seine Person einen Gerichtsprozess gegen die Hoffmann Group gewinnen konnte, ist klar: „Ich werde mir das nicht gefallen lassen!“ Er wurde in diesem Jahr mit mehr als 50 Prozent der Stimmen wieder in den Betriebsrat gewählt.
Kirchen und Gewerkschaften an einem Tisch
Der Runde Tisch München wird organisiert vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, der katholischen Betriebsseelsorge und dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der evangelischen Kirche.
Foto: Sie kämpfen für Mitbestimmungsrechte: Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Helm, Gewerkschaftssekretärin Christin Schuldt und Betriebsrat Johannes Vogl / Quelle: kda München