Sind Cyborgs unsere Zukunft?

MÜNCHEN. Digitalisierung wird nicht nur als Megatrend in Wirtschaft und Gesellschaft beschrieben und diskutiert. Mit den neuen Technologien werden auch alte und neue Welt- und Menschenbilder ausgesprochen, aber auch unterschwellig transportiert. Zudem lassen sich aus diesen Bildern politische Agenden ableiten. Vor diesem Hintergrund stand der Besuch von Pfarrer Peter Lysy im Seminar „(Pseudo)religiöse Aspekte von Netztechnologien“, das Professor Dr. Thomas Zeilinger, Beauftragter für Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, im Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg in diesem Semester anbot.

Ideologische Hintergründe von Selbstoptimierungstrends

Mit rund einem Dutzend Studierenden unterschiedlicher Fakultäten besprach Lysy die potentiellen ideologischen Hintergründe von Selbstoptimierungstrends im digitalen Zeitalter wie der Self-Tracking-Bewegung. Anschlussfähig sind hier Weltdeutungen wie der Transhumanismus und der technologische Posthumanismus, die den Menschen in seinem jetzigen Zustand als Zwischenstufe der evolutiven Entwicklung begreifen. Mensch-Maschinen, so genannten Cyborgs, bzw. Künstlichen Intelligenzen gehört in diesen Theorien hingegen die Zukunft.

Auch wenn diese Visionen utopisch erscheinen, so klingen sie bei manchen Treibern der digitalen Revolution durch und mobilisieren schon heute umfangreiche Finanzmittel für Projekte, die z.B. das Ende der menschlichen Sterblichkeit verheißen. Dabei werden in der Regel die politischen Implikationen solcher Projekte nicht genau hinterfragt.

Mehr öffentliche Debatte über gemeinsame Zukunft nötig

Im medizinischen Bereich stellt sich etwa die Frage, ob Prävention, die eine wesentliche Motivation in der Self-Tracking-Bewegung darstellt, irgendwann nicht mehr als freiwilliges Engagement gilt, sondern bei Unterlassen durch höhere Versicherungsbeiträge sanktioniert wird – mit der Begründung, dass Mitglieder, die nicht präventiv handeln, die Kosten einer Krankenkasse oder -versicherung zum Schaden aller in die Höhe treiben.

Fragen wie diese sollten nach Ansicht von Lysy noch stärker öffentlich diskutiert werden, um zu klären, was politisch und gesellschaftlich gewollt ist und was nicht. Dass dies Spaß macht, zeigte der engagierte Austausch der Studierenden in dem Seminar.

Titelbild: Professor Dr. Thomas Zeilinger (hinten rechts) mit Pfarrer Peter Lysy (hinten links) und Studierenden des Seminars „(Pseudo)religiöse Aspekte von Netztechnologien“ (Foto: Santiago Reinbold)

 

Bildung, Digitalisierung

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