Sozialpolitischer Buß- und Bettag in Nürnberg

NÜRNBERG. Es war ein besonderes, fast schon historisches Aufeinandertreffen: Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly an einem Tisch vereint am Buß- und Bettag in der Nürnberger St. Peterskirche. „Solidarische Stadtgesellschaft – Sozialromantik oder Gesellschaftsmodell?“, damit war der Sozialpolitsche Buß- und Bettag am 20. November in Nürnberg thematisch überschrieben.

Zu wenig seelische Solidarität

Ministerpräsident Markus Söder, der für die Nürnberger Veranstaltung einen Fernsehtermin bei Markus Lanz absagte, betonte, dass er gern evangelisch-lutherischer Christ sei. Für ihn gehören engagiertes Christsein und Solidarität zusammen. Die Idee und die Lehre des Christentums sei nicht zu trennen von der säkularen Welt. Es fehle heute aber an der Liebe und am Respekt der Menschen zueinander. Es gebe in der Gesellschaft zu wenig „seelische Solidarität“, beklagte der Ministerpräsident. Für den solidarischen Zusammenhalt einer Gesellschaft brauche es neben Geld und Leistung vor allem mehr Menschlichkeit, Respekt und Nächstenliebe.
Auf das Thema Rente angesprochen sagte Söder, dass er dafür schon Lösungen sehe, vielmehr Sorge bereite ihm aber das Thema Gesundheit. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Gesundheit auf Dauer für alle finanzierbar ist. Neben den Wachstumsideen für Forschung und Entwicklung seien Rente und Gesundheit die Grundparameter des Lebens, dafür müsse eine Gesellschaft auch das Geld aufbringen und dazu müsse die Gesellschaft auch Entscheidungen für finanzielle Prioritäten treffen.
Söder bekannte sich in seinen Ausführungen auch zur betrieblichen Mitbestimmung. „Ohne Personal- oder Betriebsrat lässt sich ein Betrieb nicht gut entwickeln.“, so der Ministerpräsident.

Beim Solidargedanken geht es um mehr als um Umverteilung

Der Grundgedanke der Solidarität sei schon dann falsch, wenn man ihn sozialromantisch interpretieren würde, so Oberbürgermeister Maly. Für ihn ist Großstadt kein Harmoniemodell, sondern ein Modell in dem die alltäglichen Konflikte mit dem Beitrag der Politik gelöst werden müssen. Manche Ziele werde man in der Politik nie erreichen, aber dennoch seien sie als Maßstab sehr wichtig. In Deutschland werde es nie gleichwertige und auch keine gleichartigen Lebensverhältnisse geben, dennoch sei es wichtig, diese als Ziel zu definieren und sich diesem Maßstab zu verpflichten. Die solidarische Stadtgesellschaft folge dem Gedanken, dass starke Schultern mehr tragen müssen als schwache, so Maly. Beim Solidargedanken gehe es für ihn um mehr als Umverteilung, es gehe auch um Inklusion, um Infrastruktur in der Bildung und die Unterstützung freier Träger. Maly, der sich als Freund der betrieblichen Mitbestimmung bezeichnete sagte, dass die Strukturen in der Pflege solide und solidarisch finanziert sein müssen, damit es nicht zur Tarifflucht oder einem Tarifwettbewerb komme. Im Hinblick auf die Veränderung durch neue Techniken und Digitalisierung sieht Maly mit Sorge auf Niedrigqualifizierte, aber auch auf den „arbeitspolitischen Mittelstand“, also Arbeitnehmer*innen die heute zwar in einem auskömmlichen Beruf arbeiten, aber Angst vor der Digitalisierung haben und bei Veränderungen nicht mitgehen können.

Nürnberg eine sozial geteilte Stadt?

Der kda-Leiter Dr. Johannes Rehm wies darauf hin, dass Statistiken darauf hindeuten, dass Nürnberg eine sozial geteilte Stadt sei und dass einzelne Stadtviertel scheinbar auseinanderdriften, da sich in manchen Stadtvierteln Probleme ballen, während in anderen eher Wohlstand herrsche und eben keine gleichwertigen Lebensverhältnisse vorhanden seien. Rehm fragte, was von Seiten der Politik getan werden könne um die Gegensätze zu verringern und um eine drohende Ghettosierung zu stoppen.
Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly griff die Frage auf. Seiner Ansicht nach gebe es in Nürnberg weder Ghettos noch „No-Go-Areas“, vielmehr lägen die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Nürnberg dicht nebeneinander. Es sei allerdings wichtig, dass die Situation im Blick bleibe und dass reagiert werde, wenn sich etwas zum Schlechten ändere. Auch das Thema SGB II-Bezug sei kein spezielles Quartiersthema. Dort, wo zu viele Menschen in der Stadt im SGB II-Bezug sind, werden die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik von der Stadt genutzt. Nach Maly ist die Stadt Nürnberg auf einem guten Weg. Nürnberg ist unter den großen Großstädten in Deutschland bei der Arbeitslosenqoute auf dem vierten Platz, was eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren Zeiten sei.

Den ganzen Abend gibt’s hier zum Nachhören.

Gerechtigkeit, Solidarität, Politik

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