Stimmung machen für weibliche Anliegen – kda-afa-Fachtag schärft frauenpolitischen Blick

NÜRNBERG. Unter der Frage: „Für welche Themen wollen wir uns stark machen als Frauen in der nächsten Legislaturperiode?“ trafen sich afa- und kda-Frauen aus ganz Bayern zum Online – Fachtag, um sich über „Frust und Lust der Frauenpolitik in Partei und Kirche“ auszutauschen, wie es Moderatorin Nina Golf umschreibt. Mit Susann Biedefeld, Verena Osgyan und Elke Beck-Flachsenberg standen dabei drei partei- und verbandspolitisch aktive Referentinnen Rede und Antwort über ihr Engagement in Sachen „Frauen stärken“. Sie ermutigten die Teilnehmerinnen, Frauenfragen offensiv in jede Diskussion einzubringen, Kandidat*innen zur Bundestagswahl nicht aus der Verantwortung zu entlassen und mit anderen Frauen zu kooperieren.

Gleichstellungsmotor im Rückwärtsgang?

Susann Biedefeld – früher Landtagsabgeordnete und dritte Bürgermeisterin, heute aktiv für den VdK und Vorstandsvorsitzende der Frankenakademie in Schney – fragte in ihrem Vortrag nach Erfolgen, Defiziten und Anforderungen bei der Gleichstellungspolitik. Dabei legte sie den Finger gleich in mehrere Wunden: Seit fast 100 Jahren dürfen Frauen in politische Ämter gewählt werden – beim Blick auf politische Gremien oder Parlamente sind Frauen dort aber weiter klar in der Minderheit. In den oberfänkischen Kreistagen etwa sitzen im Durchschnitt zum Beispiel nur knapp 20% Frauen, in den Gemeinderäten sind es nur 16 Prozent. „Da ist noch enormer Handlungsbedarf und auch bei Führungspositionen stehen wir Frauen hinten an und das oft bei gleicher Qualifikation“, so Biedefeld. Ganz zu schweigen von der hohen Teilzeitquote und der weit verbreiteten Altersarmut von Frauen.

Bei mutigen Frauen mein Kreuzchen setzen

„Wie können wir es schaffen, dass weibliche Lebenswirklichkeit in der Politik berücksichtig wird?“ fragten sich deshalb die Teilnehmerinnen des Fachtags besonders im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl. „Wenn sich etwas ändern soll, brauchen wir mehr Frauen, die sich in der Politik engagieren“, glaubt Susann Biedefeld. Wenn mehr Frauen in der Politik mitentscheiden, wird sich das zum Beispiel auf die Öffnungszeiten von KITas, Ferienbetreuungsangebote, Verbindungen im ÖPNV oder Angebote der Nahversorgung auswirken. „Wählt ganz bewusst mutige und engagierte Frauen“, appelliert Biedefeld deshalb an die Teilnehrmerinnen.

Engagierte Frauen als Vorbilder

Verena Osgyan pflichtete ihr bei und sie setzt auf weiblich Vorbilder. Als junge Frau hat sie in den sogenannten Elefantenrunden nach der Bundestagswahl immer nur „voluminöse Männer mit tiefen Stimmen gesehen, bis da plötzlich mit Jutta Diethfurth eine junge Frau dazwischen stand“, so die Landtagsabgeordnete. Sie hat sich motivieren lassen von Frauen in herausgehobenen Positionen und findet, dass ihre OB-Kandidatur für Nürnberg einen ICE-Breaker-Effekt hatte. „Ich habe sehr viel mehr Stimmen von Frauen als von Männern bekommen“, so Osgyan. Allerdings sieht sie für sich bei den Grünen ein Startvorteil, weil es bei den Grünen eine Quote bei der Aufstellung der Wahllisten gibt. „Da tun sich Frauen in konservativen Parteien schwerer.“

In einer Umfrage konnten die Teilnehmerinnen Eigenschaften nennen, die sie mit einer starken Frau verbinden. "Mut", "Selbstbewusstsein" und "Geduld" wurden besonders häufig genannt.
Foto: kda Bayern

Kürzungen machen wütend

Elke Beck-Flachsenberg als Rundfunkrätin und Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Bayern (efb) sieht sich heute in der Frauen-Verbandsarbeit im „Kampf um viele Kleinigkeiten“. Dabei kommt es ihr darauf an, immer wieder die Alltagsrealität von erwerbstätigen Frauen ins Zentrum zu rücken. Zwar gäbe es inzwischen viele Dekaninnen und Oberkirchenrätinnen in der bayerischen Landeskirche, das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen gesellschaftlich noch längst nicht gleichgestellt seien. „Leider herrscht hier die Einstellung vor, das Meiste ist erreicht und deshalb könnten Mittel für die ehrenamtliche Verbandsarbeit und die Förderung von Frauen gestrichen werden“, so die ehemalige kda – Referentin für Frauenarbeit. Nachdem sie seit fast 50 Jahren haupt- und ehrenamtlich mit Geduld und Beharrlichkeit für Frauenanliegen gekämpft hat, machen sie die anstehenden Finanzkürzungen in diesem Bereich „entsetzt, wütend und traurig.“

Klischees prägen Frauenbild

Die drei Referentinnen sind sich einig, dass Frauen im Kampf um politische Positionen mehr unter die Lupe genommen werden als Männer. So wird derzeit die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kritische beäugt, weil sie „noch jung und unerfahren ist – einen Friedrich März hat aber noch keiner nach seiner Regierungserfahrung gefragt“, so Verena Osgyan. Auch in den Medien bemerkt Elke Beck-Flachsenberg „die Tendenz zu Schönheit und Anpassung bei Frauen. Wenn sich eine Frau etwas traut, wird das sehr kritisch beäugt“, so die Rundfunkrätin.

Die Sache der Frauen voranbringen

Als wichtige Maßnahmen bei mitgestalten von Politik und Gesellschaft sehen die Teilnehmerinnen vor allem eine Besserstellung von Frauen bei der Rente: Pflege- und Erziehungszeiten sollen eine höhere Anerkennung erhalten, ein höherer Mindestlohn Altersarmut vermeiden helfen, flächendeckende Kinderbetreuungsangebote berufstätige Frauen entlasten. In Punkto Geschlechtergerechtigkeit wollen sie schon im vorpolitischen Raum Einfluss nehmen auf Politikerinnen, Verbandsfrauen oder Synodalinnen und so dafür sorgen, dass öffentliche Gelder Strukturen zugutekommen, die Frauen nutzen. „Auch wenn wir am Gesetzgebungsprozess nicht direkt beteiligt sind – wir können im Vorfeld Stimmung machen“, so Susann Biedefeld. Die Frauen wollen mit Wahlprüfsteinen ihre Forderungen in die Parteien und Verbände hineintragen und gehen nach dem Fachtag „mit geschärftem Blick in die Zeit vor der Bundestagswahl“, wie Moderatorin Nina Golf resümiert.

(Foto: ivanovgood/ pixabay.com)

Frauen, Politik, Geschlechtergerechtigkeit

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