Total digital. Unsere Arbeitswelt der Zukunft?

GIESING/ München. In einer gemeinsamen Veranstaltung des kda und des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) hatten beide Organisationen am 26. November in die Evangelische Lutherkirchengemeinde zu einem offenen Gesprächsabend zur Digitalisierung der Arbeitswelt eingeladen. Interaktive Methoden, die Eckhard von Münchow vom AEU einbrachte, und ethisch-theologischer Input durch Pfarrer Roland Pelikan vom kda wechselten sich ab, so dass eine angeregte Diskussion entstand. Einigkeit bestand darin, dass Digitalisierung letztlich immer lebensförderlich gestaltet werden müsse.

Digitalisierung als „neuer Wein in alten Schläuchen“?

Aus Anlass der jüngsten Buchveröffentlichung des kda (Roland Pelikan, Johannes Rehm: „Arbeit im Alltag 4.0 – Wie Digitalisierung ethisch zu lernen ist, Berlin 2018) führte Pfarrer Dr. Roland Pelikan in einem Impulsvortrag näher aus, warum sich Kirche mit den Herausforderungen der Digitalisierung zu beschäftigen habe. Um zu begreifen, was mit der Digitalisierung verbunden ist, stelle sich mit der Bibel in jüdisch-christlicher Tradition die Frage: „Neuer Wein in neuen Schläuchen“? (Mk 2, 22). Wenn es sich bei der Digitalisierung tatsächlich um eine Revolution bisheriger Arbeitsformen handle, so leite das biblische Votum dazu an, bisherige Vorstellungen von Arbeit zu überdenken, um zu verstehen, wie die Digitalisierung das Leben von allen fundamental verändere. Dazu nahm Pelikan auf Aussagen aus der Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“ (2015) Bezug, in der die theologische und sozialethische Bearbeitung dieser Veränderungen von Leben und Arbeit als Aufgabe benannt würden.
Im Prozess der Digitalisierung zeichneten sich gegensätzliche Interessen ab: Die Faszination des technisch Machbaren und die Reduzierung von Arbeitsplätzen, Marktvorteile durch neue Technologien und die Frage der Qualifizierung für Mitarbeitende, eine ´Rund-um-die-Uhr`- Produktivität und dagegen das menschliche Ruhebedürfnis.
In der Bibel sei es Gott selbst, der mit seiner Schöpfung einen Anfang gesetzt habe, den die jüdische Philosophin Hannah Arendt in ihrem Buch „Vita activa oder vom tätigen Leben“ so beschrieben habe: „Weil jeder Mensch auf Grund des Geborenseins ein initium, ein Anfang und Neuankömmling in der Welt ist, können Menschen Initiative ergreifen, Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen.“ (S. 166). Auch im Umgang einer digitalisierten Welt bleibe die geschöpfliche Bestimmung des Menschen erhalten und damit die Befähigung von Mann und Frau, Jung und Alt, sich in Verantwortung für die Welt mitschöpferisch zu betätigen und Arbeit im Sinne Gottes und des Nächsten zu verstehen und in der Welt als Schöpfung gemeinsam mit anderen lebensförderlich zu gestalten.

Digitalisierung darf nur Hilfsmittel für den Menschen sein

Nach diesen ethischen Ausführungen waren wiederum die Teilnehmenden gefragt. Sie konnten Tehmenaspekte der Digitalisierung nennen, die in Gesprächsgruppen vertieft werden sollten. Aus einer Reihe von Vorschlägen wurden drei Themen ausgewählt: „Entwicklung der Arbeit“, „Ethik der Digitalisierung“ und „Soziale Aspekte“.
Eine lebhafte Diskussion in den drei Gruppen brachte die Fragen auf den Punkt: „Selbstbestimmung und Mitsprache“ in der digitalen Entwicklung, Vermeidung einer „gefühlten Entwertung“, Digitalisierung als „Hilfsmittel“. Ebenso wurden Sicherheitsaspekte aufgezeigt, die Notwendigkeit der Löschung von Daten und die Gefahr militärisch missbräuchlicher Anwendung. Positiv wurden im sozialen Umgang die globale Vernetzung und die Entstehung einer „Weltgemeinschaft“ genannt, wobei letztlich die Frage offen blieb, ob Digitalisierung für die „soziale Bezogenheit“ der Menschen förderlich sei oder nicht.

Pelikan führte als Reaktion darauf noch einmal einige ethische Aspekte der Digitalisierung aus: Alarmismus und Bagatellisierung seien schlechte Ratgeber. Im konkreten betrieblichen Umgang mit der digitalen Arbeitswelt sei gemeinsam in neuer Weise zu erproben, wie Menschen mit anderen zusammenarbeiten könnten.
Im Anschluss an die seinerzeit von dem Zukunftsforscher Isaak Asimov gefundenen „Drei Gesetze der Robotik“ ließe sich für die Herausforderungen der Digitalisierung in der „Arbeit im Alltag 4.0“ in unserer Zeit und Zukunft laut Pelikan etwa so formulieren:
1. Digitalisierung darf keinen Menschen überflüssig werden lassen, 2. Maschinen müssen sich an Menschen orientieren und 3. Maschinen müssen sich gegen menschlichen Missbrauch schützen, solange dieser Schutz nicht dem ersten Gesetz widerspricht. In jedem Fall handelt es sich um nichts weniger als eine „radikale Besinnung“ d.h. notwendige Vergegenwärtigung dessen und Verständigung darüber, wie Menschen mit Maschinen in der digitalen Gesellschaft gemeinsam leben wollen. Hierin können Menschen als Geschöpfe Gottes generationsübergreifend eine Gemeinschaft der Lernenden sein, um gemeinsam „Arbeit im Alltag 4.0“ und damit Digitalisierung ethisch zu lernen. Wie der Apostel Paulus sagt: „Stellt euch nicht der Welt gleich, sondern lasst eure Wahrnehmung verändern, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute, Angemessene und Vollkommene.“ (Römer 12, 2).

Die digitalen Rückmeldungen am Ende der Veranstaltung machten deutlich, dass gerade hier weiterdiskutiert werden kann und muss. Es gibt noch zahlreiche weitere Aspekte der Digitalisierung, die bedacht werden sollten.

Titelbild: In der Kirchengemeinde Giesing wurde Digitalisierung refelktiert und diskutiert. (Foto: Matthias Fladner)

Digitalisierung, Kirche, Wandel der Arbeitswelt

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