65 Jahre Engagement für Menschen in der Arbeitswelt – Der kda Bayern feiert Geburtstag!

NÜRNBERG. Der Kirchliche Dienst in der Arbeitwelt feiert in diesen Tagen sein 65jähriges Bestehen. Am 1.  September 1954 trat mit Hans Siebert der erste Sozialfparrer der Landeskirche seinen Dienst an. Damals war die „Geschäftsstelle des Sozialpfarrers“ noch beim Amt für Gemeindedienst angegliedert. Doch schon bald wurden das „Amt des Sozialpfarrers“ um sieben Außenstellen in ganz Bayern erweitert. Seit 1971 trugen sie gemeinsam den Namen „Amt für Industrie- und Sozialarbeit“. Gut zwei Jahrzehnte später wurde 1999 daraus der „kda Bayern“, die Facheinrichtung der Evangelischen Kirche in Bayern für alle Fragen rund um Arbeit und Wirtschaft und Gesprächspartner für die Menschen in der Arbeitswelt.
Aufgrund dieses Jubiläums lassen wir im September jede Woche Zeitzeugen zu Wort kommen. Mit ihrer Hilfe werfen wir einen Blick zurück in die Geschichte von Kirche und Arbeitswelt und gleichzeitig einen Blick auf aktuelle Herausforderungen.

„Wir müssen denen helfen, die schwach sind“

„Wir waren ein kleines Amt mit großem Raum und von daher immer an der Grenze dessen, was man schaffen kann“ so beschreibt der ehemalige Sozialpfarrer Wilhelm Scheuerpflug die Situation der Einrichtung kda – früher Amt für Industrie- und Sozialarbeit. Ein Satz, der heute genauso gelten kann wie in den 50er Jahren. In einem Interview beschreibt er die Herausforderungen der Gründerzeiten und Themen, die gestern wie heute auf der Agenda stehen.
Scheuerpflug, der von 1966 bis 1974 im Amt als zweiter Sozialpfarrer tätig war, hat seit Anfang der sechziger Jahre in und um Ingolstadt zusammen mit dem Sozialsekretär Johannes Sülzle Seminare für die Beschäftigten der Autounion und der Öl-Raffinerien organisiert. Ab 1962 wurde er dabei vom sogenannten „roten Siebert“, Bayerns erstem Sozialpfarrer und seinem „Amt“ unterstützt, dessen Existenz er erst zu dieser Zeit „entdeckte“. „Sie sind der erste Pfarrer, der von sich aus nach uns fragt“, soll Hans Siebert damals zu Scheuerpflug gesagt haben und nahm ihn sogleich hinein in seine Truppe. Die Erkenntnis Sieberts: „Der einfache Mann hat in der Kirche zu wenig Platz“, wies ihm und seinen Mitstreiter*innen den Weg: Konsequent auf die Zielgruppe der Arbeitnehmenden zugehen.
Siebert wollte die stark auf das bürgerliche Milieu reduzierte Kirchengemeinde für die Arbeiterfrage öffnen. Ein Ansatz, den der kda Bayern auch heute noch vertritt. Eine rein bürgerliche Kirche der Besserverdienenden oder gar eine „Kirche ohne Arbeiter“ ist für seinen jetzigen Leiter Johannes Rehm keine Option bei der Entwicklung von Strategien für die kirchliche Zukunft. Probleme und Sorgen von prekärer Arbeit oder der persönlichen Bedrohung durch Hartz IV brauchten auch heute Platz in unserer Kirche, so Rehm.

Nicht alle waren begeistert

Auch wenn die Kirchenleitung die Gründung des Amtes für Industrie- und Sozialarbeit unterstützte, wurden dem roten Siebert nicht einfach alle Türen geöffnet. „Er war oft sehr enttäuscht über die freundliche Ablehnung, die ihm begegnet ist“, so Scheuerpflug im Interview. Keine Frage, da gab es auch jede Menge Skepsis gegenüber einem Mann und seiner Einrichtung, der keine Hemmungen gegenüber Gewerkschaftern hatte. Letztere galten in Kirchenkreisen damals „als Störenfriede, die nur das Maul weit aufreißen“, erinnert sich Scheuerpflug. Als er selbst einmal während einer Betriebsbesichtigung äußert, der Akkord sollte abgeschafft werden und in der Presse darüber berichtet wurde, gab es gleich eine Sitzung mit Arbeitgebern im Landeskirchenrat. „Eine große Ängstlichkeit gab es“, so sagt Scheuerpflug, „ seitens der Arbeitgeber, die Kirche könne in solch eine Thematik noch viel kritischer einsteigen“. Sich aus der Kirche heraus mit den Arbeitnehmenden und ihren Anliegen zu solidarisieren war eine Gratwanderung zwischen „etwas riskieren und aufpassen“, beschreibt es der ehemalige Sozialpfarrer.

(Foto: Bru-nO/pixabay.com)

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