Erinnerungsprojekt „Rückkehr der Namen“ in München

MÜNCHEN. Am 11. April 2024 erinnert das Projekt „Die Rückkehr der Namen“ an 1.000 Münchnerinnen und Münchner, die während des NS-Regimes verfolgt, entmenschlicht und ermordet wurden. 1.000 Patinnen und Paten nehmen aktiv am Erinnerungsprojekt teil. Mit ihren Erinnerungstafeln werden sie am 11. April in München sichtbar sein und den Verfolgten und Ermordeten wieder einen Platz im Stadtbild geben. Unser kda-Leiter Peter Lysy erinnert vor dem Haus von Karolina Meyer an die Münchener Sängerin, die 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert wurde und sich dort das Leben genommen haben soll.

„Als wir bei der regionalen Arbeitsgruppe des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer“ (aeu München / Bayern) von dieser Aktion erfuhren, waren wir uns schnell einig, dass wir uns beteiligen . Dies war für uns naheliegend als aeu in der Stadt, die unter den Nationalsozialisten als sog. „Hauptstadt der Bewegung“ bezeichnet wurde mit dem KZ Dachau vor ihren Toren, wo die systematische Vernichtung von Menschen vom Naziregime schon frühzeitig umgesetzt wurde. Als Anwohner von Dachau steht mir das nahezu täglich vor Augen.“, erläutert kda-Leiter Peter Lysy die Motivation, am Erinnerungsprojekt des Bayrischen Rundfunks (BR) teilzunehmen.

Die Beteiligung sei auch ein Statement gegen rechtspopulistische Umtriebe, die das nationalsozialistische Terrorregime etwa durch Aussagen wie „Vogelschiss der Geschichte“ zu relativieren versuchen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Wort und Tat als normales, legitimes und politisch wählbares Verhalten in der Mitte unserer Gesellschaft etablieren wollten. Als Statement gegen solche Umtriebe sehe sich der aeu München / Bayern auch in breiter Übereinstimmung mit weiten Teilen der Wirtschaft in unserem Land.

Peter Lysy weiter:

„Nicht nur als langjähriger Theologischer Berater der regionalen Arbeitsgruppe des aeu München/Bayern, sondern auch als Pfarrer der ELKB und Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt wirke ich gerne an dieser Aktion mit.

Der Titel der Aktion „Die Rückkehr der Namen“ ist für mich in doppelter Weise treffend und anschlussfähig an die christlich-jüdische Gottesrede: zum einen hält diese Rede die Wirkmacht und Bedeutung von Namen, insbesondere des Gottesnamens, aber auch der menschlichen Namen, hoch, zum anderen lebt sie von dem Wissen, dass Glauben Erinnerung ist und Unglauben eben Vergessen. Daher steht das Immer wieder Erzählen der biblischen stories mit den dazu gehörenden spezifischen Namen im Zentrum unserer Glaubenspraxis.

Zu erinnern, welche unvorstellbaren Gräuel an konkreten Menschen mit konkreten Namen und konkreten Leidens-Geschichten in unserem Land vollbracht wurden, ist eine Form des aktiven Widerstands und Widerspruchs gegen ein Vergessen(-Wollen!), das eine erneute Ausübung vergleichbarer Gräuel erst ermöglicht.

So sind die, derer wir am Donnerstag erinnern, mit ihren Namen und ihren Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes Blutzeug*innen, jedem Ansatz und jeder Form der Entmenschlichung zu widerstehen.

Ich selbst werde am 11. April die Patenschaft für Karolina Meyer übernehmen, die als Schauspielerin und Opernsängerin am Gärtnerplatztheater gearbeitet hat. In unmittelbarer Nähe, nämlich in der Baaderstraße 22, lebte sie bis 1939. Dort werde ich auch stehen.

Mit dem ersten Deportationstransport aus München wurde sie am 4.6.1942 in das KZ Theresienstadt verbracht, wo sie sich unmittelbar nach Ankunft am 7.6.1942 laut Todesfallanzeige des Ältestenrates des Lagers selbst das Leben nahm.

Welche Not und Verzweiflung hinter dieser Tat stand und ob es tatsächlich ein Suizid durch Vergiften war, wie dokumentiert, bleibt wohl auf ewig im Dunkel der Geschichte.

Auffällig ist auch, wo Frau Meyer in den Jahren 1939 bis 1942 wohnte: von 1939 bis 1940 in der Lindwurmstraße 13 nahe der provisorischen Synagoge, die nach der Reichspogromnacht eingerichtet wurde, danach ab 1940 im Krankenheim der Israelitischen Kultusgemeinde. An dieser Biographie wird kenntlich, wie das jüdische Leben in München zunehmend ghettoisiert wurde.

Bemerkenswert ist dabei, dass ihr Abtransport nach Theresienstadt in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang der Schließung der provisorischen Synagoge im Juni 1942 steht.“

Bild-Ausschnitt: BR

Nähere Informationen zum Projekt „Rückkehr der Namen“:

Nähere Informationen zu Karolina Meyer:

Bildung, Ethik

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