Wir haben Jürgen Hopf, Diakon und seit 2005 ehrenamtlicher Versichertenberater der deutschen Rentenversicherung interviewt. Dieses Ehrenamt übt er als Mandat der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Soziale Fragen in Bayern und Thüringen e. V. aus, das er über die Sozialwahlen erhalten hat. Etwa zwanzigmal im Monat berät Jürgen Hopf Menschen bei Hausbesuchen oder am Telefon bei Fragen rund um das Thema Rente und hilft ihnen bei der Antragstellung.
Wir wollten wissen: Wie schätzen Sie das Thema „Erwerbsarbeit in der Rente“ ein?
Welche „Fälle“ und Trends begegnen Ihnen in Ihrer Beratungspraxis?
Ein Großteil der Menschen beantragt die normale Altersrente. Es sind aber auch viele Versicherte dabei, die vorzeitig in Rente gehen möchten. Seit einigen Jahren gibt es die sogenannte Flexirente. Da fragen auch etliche nach, ob sie das machen können. In allen Fällen ist aber zu beachten, dass zusätzliches Einkommen steuerpflichtig werden kann. Außerdem gehen von der Rente noch Steuern und Krankenversicherungs- und Pflegebeiträge weg.
Was genau „hinten raus kommt“, also welche Netto-Rente die Menschen bekommen, die ich berate, ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Meistens bekomme ich ja nur die Phase der Antragstellung mit.
In den letzten Jahren kommen immer öfter Menschen, die durch späten Eintritt ins Arbeitsleben nicht mehr auf die 45 Beitragsjahre kommen, oder Menschen, die lange in Teilzeit oder im Niedriglohn-Sektor gearbeitet haben. Die haben vielleicht längere Lebensarbeitszeiten aber trotzdem niedrige Renten zu erwarten.
Was sind die Gründe für das Arbeiten über das Rentenalter hinaus?
Da gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Die einen möchten nicht plötzlich ganz aus der Arbeit aussteigen. Die sagen: Ich weiß gar nicht, was ich zuhause machen soll. Das ist wie ein Schalter, der umgelegt wird, und plötzlich ist das Licht aus. Sie möchten lieber einen schleichenden Übergang in die neue Lebenssituation. Da steht der Aspekt im Vordergrund, dass sie noch gebraucht werden.
Andere haben schlicht zu wenig Rente und wollen das ausgleichen. Die wollen auf jeden Fall etwas dazu verdienen und sei es nur für ein paar Stunden.
Wiederum andere sagen: „Ich kann einfach nicht mehr.“ Die können nicht mehr länger arbeiten, weil sie die schwere Arbeit nicht mehr leisten können und gesundheitliche Probleme haben.
Ob jemand über das Rentenalter hinaus arbeiten will oder kann, ist sehr individuell und hängt mit der familiären, gesundheitlichen und finanziellen Situation zusammen.
Welche Probleme und auch Chancen tun sich für die Menschen auf, die in der Rente noch arbeiten wollen?
Die meisten arbeiten ja mit einer geringen Stundenzahl. Wenn die Leute noch weit pendeln müssen, ist der Aufwand im Verhältnis groß. Manche sind froh, wenn sie eher einfache Arbeiten machen müssen, andere mögen das nicht.
Viele Firmen haben Fachkräftemangel und wollen ihre Mitarbeitenden halten. Etliche sind treu mit ihrer Firma gebunden, ihnen fällt der Abschied schwer. Sie fühlen sich gebraucht und können ihre Kontakte halten. Bei einigen Menschen laufen soziale Kontakte vorwiegend über die Arbeit. Da kann ein schleichender Übergang auch eine Chance bedeuten.
Schwierig ist es, wenn finanzieller Druck da ist. Es gibt Ältere, die sich schämen, Wohngeld oder ganz allgemein Hilfen zum Lebensunterhalt zu beantragen. Vor allem bei alleine Lebenden spielt das eine Rolle.
Was denken Sie über die Ausweitung der Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentner*innen?
Bei denjenigen, die können und wollen, ist das eine Chance. Für solche, die am Ende ihrer Leistungsfähigkeit sind, ist es keine Option.
Grundsätzlich sehe ich die Entwicklung hin zu mehr Flexibilisierung am Übergang in den Ruhestand positiv. Wer die Flexi-Rente in Anspruch nimmt, zahlt ja noch in die Solidargemeinschaft ein.
Es ist auch immer die Frage, wie lange will man das dann machen. Das kommt sehr auf die Art der Arbeit an. Bei schweren handwerklichen Tätigkeiten kommt man schneller an seine Grenzen. Als Berater am Schreibtisch sitzen ist da etwas Anderes, als schwere Kisten zu schleppen.
Als politische Maßnahme fände ich es wichtiger, dass Selbständige und Beamte auch in die Rentenversicherung mit einzahlen. Das würde bei den Finanzierungsproblemen der Rentenversicherung mehr bringen und wäre auch gerechter.
Würden Sie selber im Ruhestand weiter erwerbstätig sein wollen?
Das könnte ich mir in einem beschränkten Maß vorstellen. Mein Limit wäre, wenn ich merke, die Anforderungen sind größer als mein Leistungsvermögen.
Ich bin ja auch noch in verschiedene ehrenamtliche Tätigkeiten eingebunden. Bei der Freiwilligen Feuerwehr muss ich mit 65 aufhören, das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Mit zunehmendem Alter würde es da auch schwierig, wenn ich als Atemschutzträger in einen Vollbrand müsste.
Das liegt so zwischen den Polen: Muss ich es machen – oder bereichert es mich. Viele sagen auch: heute ist vieles online, mit der modernen Kommunikation komme ich nicht zurecht, das tue ich mir nicht mehr an. Ich selbst würde eher sagen: Prima, das ist viel einfacher und schneller ohne unnötiges Papier. Das muss jede/r selbst entscheiden und sich immer wieder selber reflektieren.