Jeder ist seines Glückes Schmied?

„Armes Deutschland – Stempeln oder abrackern?“ So heißt ein TV Format auf RTL II über Armut in Deutschland. Immer werden zwei Typen von Armen gegenübergestellt: die einen, die sich abrackern, um trotz widriger Umstände aus der Armut zu kommen; die anderen, die sich hingegen „aushalten lassen“, Bürgergeld oder Sozialhilfe beziehen oder sich mit Schnorren durchschlagen. Deutlich Sympathie wird ersteren entgegengebracht, während zweitere eher bloßgestellt werden.

Das Format stärkt ein altes Narrativ zu Armut, das mit dem Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ nur andeutungsweise benannt ist. Dieses Narrativ hat disziplinierenden Charakter. Fleiß, Wille und Verantwortung sollen geweckt werden, auch indem so genannter Müßiggang beschämt wird. Dieses Narrativ steht auch im Hintergrund der aktuell oft zu hörenden Argumentation, dass das Bürgergeld „zu hoch sei und sich daher arbeiten gehen nicht mehr lohnt.“ Dass das Bürgergeld vielen kaum zum Leben reicht, wird hingegen ausgeblendet. Wer das nicht glauben will, spiele einmal mit allem Ernst unser Bürgergeld-Bingo.

Wesentlich ist jedoch, wie dieses Narrativ unseren Blick auf Armut trübt. Armut wird individualisiert. Und damit werden Arme in ihrer Not allein gelassen. Sollen sie sich doch selbst helfen. Selber schuld.

Ganz anders wird im 140.Psalm von den Armen gesprochen. Da heißt es:

Ich weiß, dass der HERR des Elenden Sache führen und den Armen Recht schaffen wird. (Psalm 140,13)

Die Armen werden nicht allein gelassen. Ihnen wird Recht geschaffen. In der Welt der Bibel stehen die Armen und Elenden unter der besonderen Obhut Gottes. Warum ist das so?

Kurz gesagt: An den Armen erweist sich, dass Gott treu ist. Denn wenn die Bibel von Recht und Gerechtigkeit spricht, dann steht dahinter immer der Gott, der durch seine Treue dafür einsteht. So bedeutet das hebräische Wort für „Gerechtigkeit“ „Gemeinschaftstreue“. Und das biblische Recht, die Gebote Gottes, schöpfen aus Gottes Güte. Sie soll in der Gemeinschaft des Volkes gewahrt bleiben. Jedem und jeder soll Gottes Segen zuteilwerden. Und das soll auch das Miteinander im Volk prägen.

Insofern sind Arme und Elende ein Zeichen, dass sich Gottes Herrschaft, Gottes Wille, Gottes Güte und Gottes Segen unter uns noch nicht vollständig durchgesetzt haben. Daher ist ihnen Gottes Herrschaft, Wille, Güte und Segen besonders verheißen. Und es ist ein besonders wichtiger Auftrag, mit ihnen zu teilen, was man selbst von all dem geschenkt bekommen hat. So kommt Güte Gottes auch zu den den Armen und Elenden und damit kommen Gottes Wille, kommen Gottes Herrschaft auch bei ihnen zur Geltung.

Pfarrer Peter Lysy, Leiter kda Bayern

Foto: Canva, Ralf Geithe

Solidarität, Ethik, Geistliches, Arbeitslosigkeit, Gerechtigkeit

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