Im 19. Jahrhundert zu Beginn der Industrialisierung sah die Kirche zu sehr ihre eigenen Probleme. Sie wehrte sich gegen den Zusammenschluss der Arbeiterschaft und die Auseinandersetzung mit Karl Marx und seiner Lehre. Die sozialen Umwälzungen in der Gesellschaft erkannte sie zu spät. Sie glaubte, nur durch Fürsorgemaßnahmen helfen zu können. Der Arbeiterschaft fiel es schwer, eine Nähe zur Kirche zu finden, sich als von ihr verstanden und gerecht behandelt zu fühlen.
Dies ist ein wesentlicher Grund, das vor 70 Jahren im Jahr 1953 die Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern (afa) als Bewegung von ehrenamtlichen Arbeitnehmer*innen mit Unterstützung von Geistlichen wie Dekan Otto Ammler in Schweinfurt und Pfarrer Adolf Sommerauer gegründet wurde. Das bis dahin schwierige Verhältnis der Evangelischen Kirche zu organisierten Arbeitnehmer*innen sollte verbessert werden und eine Selbstverständlichkeit in Kirche und Gesellschaft darstellen.
In der afa bemühte sich die Kirche verstärkt um die Arbeitnehmer*innen, nicht um sie zu vereinnahmen, sondern sie auf Augenhöhe und anwaltschaftlich bei ihren Sorgen und Fragestellungen in der Lebens- und Arbeitswelt zu begleiten.
Die Frohe Botschaft verpflichtet Christinnen und Christen, den arbeitenden Menschen zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Dazu gehören: gerechte Löhne, menschenwürdige Arbeitsplätze, Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen, Beteiligung der Arbeiter*innen an der Vermögensbildung und den Produktionsmitteln und eine positive Einschätzung der Gewerkschaftsarbeit und Mitbestimmung.
Beim Kampf um die Erhaltung von Arbeitsplätzen ist die afa und der kda zusammen mit Betriebsräten und Gewerkschaftlern an Aktionen und Demonstrationen beteiligt.
Die afa ist mit ihrer Bauwagenkirche vor Ort, verkündigt das Wort Gottes und leistet Seelsorge, z.B. bei der Nacht der Kirchen in Würzburg oder bei Betriebsschließungen. Die afa kommt zu den Menschen.
Sie veranstaltet Seminare zu sozialpolitischen Themen wie Sonntagsschutz, Pflege oder Rente und möchte mitgestalten und Einfluss nehmen. Sie feiert Gottesdienste zum 1. Mai, zum sozialpolitischen Buß-und Bettag, zur “Aktion 1+1 – mit Arbeitslosen teilen”.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.” so lautet die Jahreslosung. (1. Mose 16,13)
Gott ergreift in der Bibel Partei für die Armen, Schwachen, Entrechteten. Er stellt sich auf ihre Seite, erhört ihre Rufe und schickt Boten, um miserable Zustände öffentlich anzuprangern. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen der afa wie die Hauptamtlichen des kda benennen Missstände mit dem Ziel, ungerechte Strukturen und Schieflagen zu beseitigen, Leben und Arbeiten zu verbessern. In guter Weise sehen, urteilen, handeln…
Arbeitnehmer*innen fühlen sich in unserer Gesellschaft häufig übergangen, benachteiligt, als Verlierer, als Bürger zweiter Klasse. Wenn sie aber Wertschätzung, Anerkennung und Zugehörigkeit nicht mehr durch die Kirche erfahren, dann werden sie diese woanders suchen.
Pfarrer Reinhold König / Diakon Klaus Hubert, afa Bayern