„Macht der Medien“: Das war die Industriemeister-Tagung 2023

PAULUSHOFEN. „Wie Medien unser Leben prägen … und wir sie kompetenter nutzen.“ Dieses aktuelle Thema stand am ersten Novemberwochenende im Fokus der Industriemeister-Tagung 2023 in Beilngries-Paulushofen. Zur Kooperationsveranstaltung des bayerischen Industriemeisterverbandes (IMV) und des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (kda) kamen über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Bayern.

Zum mittlerweile 33. Mal fand die beliebte Kooperationsveranstaltung von Industriemeisterverband und evangelischer Kirche statt. Seit 2001 trifft man sich im familienbetriebenen Landgasthof Euringer in Paulushofen. Neben der gemütlichen Atmosphäre schätzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem die Vielfalt an Themen und Fachleuten.

„Ich war bisher jedes Mal überrascht, wie fesselnd es war.“

Mit China, Künstlicher Intelligenz, dem Nationalsozialismus oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz haben sich die Industriemeisterinnen und Industriemeister bereits beschäftigt. „Ich bin schon seit vielen Jahren dabei und denke manchmal, dieses Thema interessiert mich nun wirklich nicht“, so eine Teilnehmerin. „Aber: Ich war bisher jedes Mal überrascht, wie fesselnd es war.“

Generationenübergreifend ins Gespräch kommen

Bei der diesjährigen Tagung, die wieder von Bernhard Fürst (1. Vorsitzender IMV Bayern) , Dr. Markus Röhrig (IMV Niederbayern) und Philip Büttner (kda München) organisiert wurde,  standen die Medien im Fokus. Es ging um aktuelle Fragen wie Digital Overload, Fake News oder Künstliche Intelligenz. Das Publikum war auch 2023 eine bunte Mischung aus „alten Häsinnen und Hasen“ und neuen Gesichtern.

Ob Beschäftigte aus kleinen Betrieben oder aus großen Firmen wie Audi, BMW oder Siemens, ob Student in den 20ern oder Ausbilderin im Ruhestand: die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen in den Pausen schnell ins Gespräch. Dafür sorgten auch die abwechslungsreichen Vorträge.

Gespräch über Qualitätsjournalismus, Fake News und eine Medienwelt im Wandel

Los ging es mit einem Input des Straubinger Verlegers und Medienprofessors Dr. Martin Balle. Veranstalter Bernhard Fürst und Philip Büttner waren im Vorfeld der Tagung für ein Video-Interview zu ihm ins Verlagshaus gereist. Ihr Gespräch über Qualitätsjournalismus, Fake News und eine Medienwelt im Wandel bot einen guten Einstieg ins Tagungsthema.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

„Konstruktiver Journalismus“ statt greller Effekthascherei

Sonja Ettengruber, Leiterin der Redaktion „Freistunde“ des Straubiger Tagblatts griff als Referentin die Impulse aus dem Interview auf und vertiefte sie. Sie nahm die interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer mit in die Arbeitsweisen des Qualitätsjournalismus und die Herausforderungen ihres Berufs in Zeiten von Fake News und digitalem Wandel.

Vielen war die Arbeitsweise des „Constructive Journalism“ neu. Ettengruber zeigte, wie diese Schule des Journalismus dem durch Algorithmen im Netz noch befeuerten Konzept „Bad news are good news“ eine lösungsorientierte Berichterstattung entgegensetzt.

„Information Overload“ und seine Folgen

Die zweite Referentin, Prof. Dr. Christine Hennighausen, brachte Sichtweisen aus der Wissenschaft ein. Die digitalen Datenmengen steigen unaufhörlich und führen zu Informationsüberflutung, so die Medien- und Kommunikationspsychologin von der Technischen Hochschule Ingolstadt.

Unser Arbeitsgedächtnis und die „Magische 7“

Wie das menschliche Arbeitsgedächtnis funktioniert, zeigte sie mit Verweis auf unterschiedliche wissenschaftliche Experimente und Theorien. Als Auflockerung und Veranschaulichung gab es zwischendrin Abstimmungen und interaktive Versuche mit dem Publikum.

Die interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer lernten so spielerisch u.a. die „magische Zahl 7“ für menschliche Gedächtnisleistung beim Erinnern von Ziffern- und Buchstabenfolgen kennen.

Warum glauben wir Fake News?

Mit dieser Frage stieg Prof. Dr. Christine Hennighausen in den zweiten Teil ihres Vortrags ein und zeigte gut nachvollziehbar, wie sich Fake News die automatischen Prozesse menschlichen Denkens und Urteilens zu Nutze machen.

Die Bedeutung von Erklärungsansätzen wie der „Confirmation Bias“ (d.h. die Suche nach Informationen, die die eigene Meinung bestätigen) oder „Social Proof“ (d.h. die Orientierung am Verhalten anderer) wurden im Kontext von Fake News mit Beispielen anschaulich dargestellt.

Im letzten Teil blickte die Wissenschaftlerin auf die Gestaltung von Social Apps. Anhand des Hook-Modells (Hook= engl. für Haken) wurde deutlich, wie raffiniert sich viele Apps der Prozessfolge von Auslöser, Handlung, variabler Belohnung und Investment bedienen, um das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer zu beeinflussen.

Medien und Politik

Zu jeder Industriemeister-Tagung wird auch eine Persönlichkeit aus der Politik eingeladen. Dabei ist es dem Veranstalter-Team wichtig, dass jedes Jahr eine andere demokratische Partei vertreten ist, um ein breites Meinungsspektrum zu bieten und die politische Unbefangenheit zu erhalten.

In diesem Jahr war Tobias Gotthardt von den Freien Wählern zu Gast. Trotz vollem Termin-Kalender kam der kurz zuvor zum Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium ernannte Landtagsabgeordnete zu einem unterhaltsamen Nachmittags-Talk nach Paulushofen.

Im Gespräch mit Philip Büttner ging es u.a. um Gotthardts eigene Nutzung digitaler Medien in seiner politischen Arbeit, um die Förderung von Medienkompetenz, um die Regulierung der großen digitalen Plattformen wie Facebook oder X und auch um die medialen Themen des vergangenen Landtagswahlkampfs wie die umstrittene Erdinger Rede Hubert Aiwangers.

Medienbildung bereits in der Grundschule

In der anschließenden Diskussion gab es aus dem Publikum neben vielen Fragen auch konkrete Wünsche an den Politiker, z.B. was die Aufnahme von Medienbildung bereits in die Grundschul-Lehrpläne betrifft. Gotthardt sagte zu, die Ideen mitzunehmen und bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an, sich auch künftig mit Anliegen direkt an ihn zu wenden.

In lockerer Runde bei bayerischer Livemusik klang der erste Tag der Veranstaltung aus.

Vorfreude auf 2024

Am Sonntag gab Pfarrerin und Influencerin Sabrina Kielon aus Fürth wertvolle Impulse, „wie wir digitale Medien für mehr Miteinander nutzen können“ (s. Beitrag „Medial leben, Mensch bleiben“).

Zum Abschluss wurden bereits Themen für den kommenden Herbst gesammelt. Die Ideen reichten von der Energiewende bis hin zur Frage „Wie komme ich gesund durch chaotische Zeiten?“.

Denn eins steht bereits fest: Auch im November 2024 wollen sich Industriemeisterinnen und Industriemeister aus ganz Bayern in Paulushofen treffen und intensiv gemeinsam diskutieren, lachen, lernen und nachdenken.

Bilder: IMV Bayern, kda Bayern

Rückblick in Bildern:

Digitalisierung, Bildung, Führungskräfte, Wandel der Arbeitswelt

Meldungsarchiv

Vorheriger Beitrag
Sehen – Urteilen – Handeln – 70 Jahre evangelische Arbeitnehmerarbeit in Bayern
Nächster Beitrag
„Medial leben, Mensch bleiben“: Pfarrerin und Influencerin Sabrina Kielon

Ähnliche Beiträge