Mehrwertsteuererhöhung für das Tierwohl?

NÜRNBERG. Die Parteien beschäftigt gerade das Tierwohl, die Medien greifen dies im Sommerloch gerne auf. Häufig wird polemisiert und die Sache nicht sachlich betrachtet. Dies soll mit einem kritischen volkswirtschaftlichen Blick hier geschehen.

Es ist richtig, aktuell besteuert der Staat den Handel mit Fleisch nur mit 7 Prozent Umsatzsteuer. Die Idee ist nun, diesen reduzierten Satz auf die üblichen 19 Prozent anzuheben. Die Mehreinnahmen sollen dem Tierwohl zugutekommen.

Steuer der richtige Weg?

Das erste Problem besteht schon darin, dass es sich um eine Steuer handelt. Diese ist per Definition nie zweckgebunden. Die Einnahmen gehen in einen Staatshaushalt. Wie sie ausgegeben werden, ist damit das ureigene Recht der Parlamente. Eine dauerhafte Nutzung fürs Tierwohl kann so nicht sichergestellt werden. Anders wäre dies bei einer zweckgebundenen Abgabe. Ob und wie eine solche verfassungsrechtlich überhaupt möglich wäre, kann hier nicht erörtert werden.

Vorschlag: Mindestpreis und höhere Mindeststandards

Will man das Tierwohl erhöhen und ist bereit dafür Markteingriffe vorzunehmen, so wäre dies volkswirtschaftlich gesehen nur sinnvoll und zielführend machbar, wenn man einerseits Mindestpreise festlegt und gleichzeitig die Mindeststandards auf das Maß erhöht, welches vom Tierwohl her gewünscht ist. Zugleich wären höhere Mindeststandards in den Schlachthöfen, was Arbeitsbedingungen angeht, auch nicht verkehrt. Die höheren Einnahmen durch den Mindestpreis kommen direkt den Erzeugern und Verarbeitern zugute. Sie können damit dann die Maßnahmen finanzieren, die zur Erreichung der höheren Standards erforderlich sind.

EU-weite Lösung

Das wäre eine gute Lösung, wenn es keine Freihandelszone gäbe. Denn der deutsche Gesetzgeber kann alleine nur die Dinge in Deutschland ändern. Insofern würden alle Importeure und Erzeuger aus dem Ausland von den höheren Preisen profitieren, aber nicht die höheren Auflagen haben. Entsprechend müsste man die ganze Sache EU-weit angehen. Hier hat man dann auch wieder Außengrenzen, die kontrolliert werden können. Waren, deren Produzenten die Mindeststandards nicht einhalten, kann die EU durch einen höheren Zollsatz belasten. Damit wären sie preislich für die Konsumenten nicht attraktiver als die Waren, welche diesen Standard wahren.

Klimapolitik und Gerechtigkeit

Aus klimapolitischer Sicht würde ein solch höherer Preis sicherlich in Richtung einer Konsumveränderung wirken. Aus volkswirtschaftlicher Sicht spricht im Sinne einer Internalisierung der externen Kosten (= Kosten des verursachten Klimawandels durch Produktion und Konsum tierischer Produkte) dem nichts entgegen. Anders sieht es bei der Frage aus, wie sich die Belastung dieser höheren Preise auf die unterschiedlichen Schichten und Milieus der Gesellschaft verteilt. Sollten diese aus Gerechtigkeitsgründen unerwünscht sein, so müsste die Politik versuchen, diesen durch andere Maßnahmen gegenzusteuern. Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz stellt sich die soziale Frage ganz neu. Sie wird viel herausfordernder und muss daher auch deshalb dringend neu angegangen werden. Eine Individualisierung hilft hier auf jeden Fall nicht weiter.

Titelbild: Claudio Schwarz (purzlbaum)/ unsplash.com

Politik, Arbeitsbedingungen, Ökologie

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