Politik und ihre Armee – ein Kommentar

NÜRNBERG. Gestern begann die zehntägige ökumenische FriedensDekade der christlichen Kirchen in Deutschland. Seit 1980 macht sie in den Tagen vor Buß-und Bettag das Friedensthema zu einem Schwerpunkt im (Kirchen-)Jahr. Frieden ist unabdingbar für unser gesellschaftliches Miteinander und wirtschaftliches Handeln weltweit.
Hier e
in Kommentar von Thomas Krämer vom kda Bayern zur aktuellen Debatte um Auslandseinsätze, Wehretat und NATO.

Gewandelt

Es hat sich doch manches gewandelt nach der Wiedervereinigung in Deutschland. Davor war allen in der Bevölkerung klar: Es soll nie wieder Krieg geben, der von Deutschland ausgeht. Die Bundeswehr war das, was der Name sagt. Eine Wehr gegen äußere Feinde im Verteidigungsfall. Das Grundgesetz macht das bis heute deutlich. Dort heißt es in Artikel 87a Absatz 1 Satz 1 „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Gemeint ist natürlich die Eigenverteidigung. Der Absatz 2 ergänzt „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Das ursprüngliche Grundgesetz sah nicht einmal eine Armee vor. Der Artikel 87a kam erst am 22. Mai 1956 ins Grundgesetz.

Damit lassen sich keine kriegerischen Auslandseinsätze rechtfertigen. Es lassen sich auch keine rechtfertigen, die nur der Unterstützung durch Aufklärung oder Logistik dienen. Hier gibt es eine indirekte Beteiligung an den Kriegshandlungen durch direkte Zuarbeit. Alle anderen Argumentationen versuchen letztlich nur Beruhigungstabletten zu verabreichen oder Sand in die Augen zu streuen.

Häufig wird noch der Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes herangezogen. Dieser lautet: „Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.“

Damit lässt sich beispielsweise der NATO-Verteidigungsfall grundgesetzlich legitimieren. Dann wäre es die Landesverteidigung auf dem Gebiet des Bündnispartners. Aber auch nur auf diesem. Alles andere wäre dann ein Angriffsfall. Einsätze wie in Syrien und woanders passen also weder so recht ins alte Verständnis einer Verteidigungsarmee noch so recht in den grundgesetzlichen Rahmen.

Alte Muster

Mit der Wiedervereinigung und dem Fall des Eisernen Vorhangs hatten ich und viele andere die Hoffnung auf dauerhaften Frieden in Europa, gesichert durch Verständigung, Wandel durch Annäherung und fortschreitende Abrüstung. Zunächst schien es auch in die richtige Richtung zu gehen. Heute stelle ich wieder einen Rückfall in alte Muster fest. Wir steuern in der Rhetorik, mit Aufrüstung und mit Manövern in eine Spirale des Schreckens und der Abschreckung. Wir sorgen für einen neuen Kalten Krieg. Doch die Geschichte lehrt: Wir standen mehr als einmal davor, dass der Krieg sonnenheiß geworden wäre. Richtig kalt war er ja auch nie. Er hatte Stellenweise mit seinen ganzen Stellvertreterkonflikten ganz schöne Temperaturen erreicht. Sie wirken übrigens bis heute nach. Wie vermessen ist es angesichts dieser Geschichte zu glauben, dass der neue Kalte Krieg wirklich kalt bleibt? Was denken sich die Kriegstreiber*innen und Aufrüster*innen nur?

Das Muster ist klar: Die einen sind die Guten, die anderen die Bösen – hier West, dort Ost. Aber wir sind nicht mehr die Guten, waren es wahrscheinlich auch nie. Wir wären es nur gerne und reden es uns daher selbst fleißig ein. Aber wie können wir die Guten sein, wenn wir das Völkerrecht mit den Füßen treten, wenn dieses uns nicht in dem Kram passt. Deutschland ist und war seit der Wiedervereinigung an völkerrechtswidrigen Kriegen beteiligt. Gleichzeitig halten wir es anderen vor, wenn es uns passt. Mit den sogenannten Menschenrechten machen wir es nicht anderes. Das ist opportunistisch. Und es ist falsch.

Wenn wir uns als eine Nation verstehen, die durch christliche Werte geprägt ist, dann bedeutet das auch: Liebet einander, auch und gerade eure Feinde. Überwindet das Böse mit dem Guten. Und im Zweifelsfall gilt es, auch mal die andere Wange hinzuhalten. Das ist schwer. Das ist hart. Aber es ist die Botschaft von Jesus. Und wir sollten sie ernst nehmen und zumindest versuchen danach zu leben.

Ende der Scheinheiligkeit

Ich sehe zwei Möglichkeiten. Erstens können wir so weiter machen. Dann bitte aber auch ohne Beschönigungen und mit aller Deutlichkeit. Dann muss die Bundeswehr in Bundesarmee, besser noch Bundeskriegsarmee umbenannt werden. Wir haben dann kein Verteidigungsministerium oder Verteidigungsetat mehr, sondern ein Kriegsministerium und einen Kriegsetat. Wenn diese Deutlichkeit schreckt, dann doch zumindest eine Umbenennung in Armeeministerium und ein Armeeetat.

Alternativ dazu könnten wir zweitens den politischen Wandel zurückweisen und die alten Muster ablehnen. Wir könnten gut christlich umkehren. Wir könnten eine Politik der Abrüstung betreiben und mit gutem Beispiel vorangehen. Zumindest aber nicht weiter aufrüsten. Wir könnten aufhören, wirtschaftliche Interessen mit kriegerischen Handlungen durchzusetzen. Wir könnten uns verpflichten, nicht mehr gegen das Völkerrecht zu verstoßen, auch wenn dies andere tun.

Meiner Meinung nach könnten wir nicht nur die 2. Alternative wählen. Wir sollten sie wählen. Ohne Frieden und Entspannung sind Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung undenkbar.

Politik, Kirche, Ethik

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