Was wurde aus den Versprechungen nach der Pleite von Lehman Brothers? – Teil 2

NÜRNBERG. Die Pleite von Lehman Brothers jährte sich am 15. September 2018 zum zehnten Mal. Ein Anlass, sich genauer mit dem Thema zu befassen: Die Teile 2 bis 6 dieser Serie beschäftigen sich mit den vorgenommenen Regulierungen seit der Pleite. Dieser Teil schaut insbesondere auf die Bankenunion.

Bankenunion

Die sogenannte Bankenunion besteht aus drei Säulen: die einheitliche Bankenaufsicht (SSM), einheitliche Bankenabwicklung (SRM) und harmonisierte Einlagensicherung (DGS).

SSM – einheitliche Bankenaufsicht

Die einheitliche Bankenaufsicht befindet sich unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese Aufsicht ist für die bedeutendsten Banken im Euroraum zuständig. Die Aufsicht aller anderen Banken verbleibt bei den nationalen Aufsichtsbehörden. Die drei größten Banken eines jeden Euro-Mitgliedslandes gehören in jedem Fall zu den bedeutendsten Banken im Euroraum. Banken, deren Bilanzsumme mindestens 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes beträgt, zählen ebenfalls zu diesem Kreis.

Eine Neuerung im Instrumentarium der Aufsichtsbehörden ist der sogenannte Stresstest. Er wird regelmäßig durchgeführt. Wenn eine Bank diesen nicht besteht, so muss sie innerhalb kurzer Fristen Auflagen erfüllen. Ansonsten droht im schlimmsten Fall der Entzug der Bankenlizenz. Der Stresstest ist wichtig. Jedoch kann er immer nur so gut wie seine Vorgaben sein. Negative Beispiele sind hier die Stresstest der Jahre 2010 und 2011. Hier mussten Staaten Banken wenige Monate nach dem Test retten, obwohl sie den Test bestanden haben.

Im Vergleich zu Deutschland, in dem die Aufsichtsbehörde Bafin sowohl die Aufsicht über Banken, Börsen und Versicherungen hat, sind auf europäischer Ebene verschiedene Behörden für diese Bereiche zuständig. Dies erhöht die Gefahr, dass verschiedene Verknüpfungen zwischen den Akteuren nicht entdeckt werden.

Nach 2008 wurde in Deutschland die Bafin organisatorisch umstrukturiert und bekam neue Kompetenzen. Zugleich hat sie ihr Personal um etwa 50 Prozent aufgestockt. Insgesamt gesehen stärkte Deutschland seine Aufsicht.

SRM – einheitliche Bankenabwicklung

Während die Bankenaufsicht der Schieflage einer Bank vorbeugen soll, greift die SRM, wenn eine grenzüberschreitende Bank dennoch in Schieflage geraten ist. Die SRM hat mehre Instrumente, die sie in einem solchen Fall nutzen kann. So könnte sie die schlechten Teile einer Bank in eine Bad Bank auslagern und abwickeln oder die systemrelevanten Teile einer Bank in eine Brückenbank überführen und den Rest abwickeln. Sie kann die Bank auch als Ganzes oder in Teilen verkaufen.

Bevor allerdings Steuergelder aufgewendet werden, tritt zunächst eine Haftungskaskade in Kraft. Als erstes haften die Eigentümer, dann die nachrangigen Fremdkapitalgeber und zuletzt die sonstigen Fremdkapitalgeber und Anleger bis zu einer Höhe von mindestens 8 Prozent der Bilanzsummer des Instituts. Der Beitrag der Anleger erfolgt unter strikter Beachtung der harmonisierten Einlagensicherung (siehe unten). Erst dann gibt es Gelder aus dem europäischen Abwicklungsfond. Banken finanzieren diesen. Erst wenn dies nicht ausreicht dürfen im Normalfall Steuergelder fließen.

Der europäische Abwicklungsfond soll bis 2023 eine Höhe von 1 Prozent der geschützten Einlagen haben. Diesem einen Prozent entsprachen 2014 etwa 55 Milliarden Euro. Bis 2017 wurden 17 Milliarden eingezahlt. Ein Vergleich hilft, die Summen einzuordnen. Der allein in Deutschland zustände Finanzmarktstabilisierungsfonds, welche den Banken in der Krise half oder sie abwickelte, benötigte laut Bundesfinanzministerium in der Spitze 168 Milliarden Euro an Garantieren und 29,4 Milliarden Euro an Kapitalhilfen. Dies macht deutlich, dass der europäische Fond sich für einzelne Banken oder kleinen Krisen eignen mag. Aber mit einer Krise im Ausmaß von 2007/2008 wäre er heillos überfordert.

Dennoch dürften die Belastungen der Steuerzahler in einem Krisenfall wie 2007/2008 drastisch niedriger ausfallen. Hierzu trägt vor allem die vorgeschriebene Beteiligung der Eigen- und Fremdkapitalgeber ihren Anteil. Allerdings entsteht im Krisenfall, wie auch in der letzten Krise, eine größere Belastung durch indirekte Kosten für die Allgemeinheit. Sie entstehen hauptsächlich durch die Auswirkungen auf die Realwirtschaft. So werden auch in der nächsten Krise die Steuereinnahmen sinken, sich die Sozialversicherungskosten erhöhen und Konjunkturprogramme des Staates notwendig werden. Diese Kosten ließen sich nur vermeiden, wenn es erst gar nicht zu einer solchen Krise kommt.

DGS – harmonisierte Einlagensicherung

2014 verabschiedete die EU die Richtlinie zur Einlagensicherung. Sie regelt, wie die Einlagensicherung auf nationaler Ebene zu organisieren ist. Zugleich legt sie den fest, dass weiter gehende Vorschriften auf nationaler Ebene nicht mehr zulässig sind. In Deutschland wurde diese Richtlinie 2015 mit dem Einlagensicherungsgesetzt umgesetzt. Seither sind in Deutschland pro Person Einlagen bei einer Bank bis 100.000 Euro sicher. Diese müssen innerhalb von 7 Tagen ausgezahlt werden. In besonderen Lebenssituationen sind bis zu 500.000 Euro abgesichert. Zu diesen besonderen Situationen zählen beispielsweise der Verkauf privat genutzter Wohnimmobilien, Renteneintritt, Ruhestand, Tod, die Heirat, Scheidung, Kündigung, Entlassung, Geburt, Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Invalidität, oder Behinderung. Dieser höhere Betrag ist jedoch maximal 6 Monate ab dem Zeitpunkt geschützt, ab dem auf rechtlich zulässige Weise darüber verfügt werden kann. Näheres regelt §8 Abs. 2 des Einlagensicherungsgesetzes (https://www.gesetze-im-internet.de/einsig/BJNR078610015.html). Nicht geschützt sind dagegen Einlagen von institutionellen Anlegern, wie Banken, Versicherungen oder staatlichen Stellen.

Die Teile der Serie:

  1. Versprechungen in und nach der Krise sowie Ursachen der Krise
  2. Bankenunion
  3. Eigenkapitalregulierung von Banken
  4. Makroprudenziellen Überwachung Anlegerschutz
  5. Regulierungen der Verbriefungen und Ratingagenturen
  6. Regulierungen der Derivatemärkte und Schattenbanken
  7. fehlenden beziehungsweise ausstehenden Regulierungen
  8. Abschluss der Reihe mit einem Ausblick

(Titelbild: “Where vision gets built.” So lautete der Slogan von Lehmann Brothers kurz vor der Krise 2008 am Times Square.

Bildrechte: David_Shankbone_CC_BY-SA_3.0)

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