Strategien gegen Armut suchen

PAPPENHEIM. Um die 9.000 Beratungen mit Arbeitslosen werden im Jahr in den Beratungszentren der Diakonie geführt. Auf ihrer Klausurtagung beschäftigten sich die Beraterinnen und Berater in Pappenheim mit einem Problem, das ihnen häufig und in vielen Facetten begegnet: Armut. Der kda stellte auf der Tagung seine Kampagne „Rente ohne Armut“ vor.

Armut ist kein Naturphänomen

Armutsphänomene wie (Miet-)Schulden, prekäre Beschäftigung oder niedrige Löhne und Renten begegnen den Berater*innen in der alltäglichen Arbeit ständig. Ihnen versucht der Sozialstaat mit Beratung, Qualifizierung, Wohngeld, Mindestlohn oder Grundsicherung zu begegnen und scheitert dabei regelmäßig, so Referentin Renate Dillmann, Dozentin an der Evangelischen Hochschule Bochum. Sie sieht Armut als in Kauf genommenen Kollateralschaden unseres Wirtschaftssystems. Freihandel, Globalisierung und Wettbewerbsstrategien haben nach ihren Worten Deutschland auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig gemacht. Diese Strategien nehmen aber die Existenz eines stetig wachsenden Niedriglohnsektors und einer ansteigenden (alters-) Armut in Kauf. „Armut ist kein Naturphänomen“, so Dillmann. Sie entsteht in unserem System, das auf Konkurrenz, ungleicher Verteilung von Mitteln und Rationalisierung basiert, quasi von selbst. Insofern bekämpft die Politik nicht die Ursachen von Armut, sondern mildert höchstens die Folgen von Armut ab. Damit toleriert die praktisch das Massen-Phänomen Armut, so die Sozialwissenschaftlerin.

Kleiner Lohn – kleine Rente

Wie es von der Care-Lücke über die Lohn-Lücke zur Renten-Lücke kommt, erklärte Hanna Kaltenhäuservom kda in ihrem Vortrag, der insbesondere einen Blick auf das deutsche Rentensystem wirft und klar macht: Auch eine Durchschnittsrente ist mit rund 1.400 Euro nicht hoch, die Hälfte aller Renten in Deutschland liegt bei höchstens 800 Euro und die Mehrzahl der Renten, die stark an die Erwerbsbiographie gekoppelt sind, verhindern Altersarmut nicht. Hier wiederum sind vor allem Frauen betroffen, die öfter alleinerziehend, in Teilzeit und Sorgeberufen tätig, wesentlich niedrigere Renten erhalten als Männer.

Lösungsansätze im Focus – Beitrag der Beratungsarbeit

Bei den Berater*innen stellt sich angesichts dieser Zustandsbeschreibung zuerst Wut und Ohnmacht ein. Übermächtige Interessen scheinen alles zu dominieren, es gibt nicht genügend Gegenkraft zur Kapitalisierung und ungerechten Verteilung von Chancen und Gütern. Trotzdem werden alternative Ideen diskutiert: Kooperation statt Konkurrenz etwa durch genossenschaftliches Handeln oder bedingungsloses Grundeinkommen. Als Handlungsoptionen für ihre Beratungspraxis sehen die Berater*innen zwei Handlungsoptionen: Zum einen, die Betroffenen zu befähigen und unterstützen, ihre Rechte selbstbewusst einzufordern.
Zum anderen haben die Beratungsstellen auch den Auftrag des anwaltlichen Handelns und fordern mit ihren sozialpolitischen Aktivitäten Menschenrecht für ihre Klienten ein. Dafür schließen sie sich wichtigen Netzwerken an, wie die Nationale Armutskonferenz oder der bayerischen kirchlich- gewerkschaftlichen Initiative „Rechte statt Reste“.

Titelbild: Arbeitslosenberaterin Susanne Wich (Mitte) im Gespräch mit Referentin Renate Dillmann (re.) und Diakonie-Referentin Efthymia Tsakiri (Foto: kda Bayern)

Armut, Arbeitslosigkeit

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