Wer einmal lügt…

Heute schon gelogen? Nicht, dass ich Ihnen etwas unterstellen möchte, aber laut wissenschaftlichen Untersuchungen lügen wir alle im Durchschnitt zweimal am Tag. Lüge ist jedoch nicht gleich Lüge. So unterscheidet die Psychologie zwischen weißer und schwarzer Lüge.

Diese Unterscheidung liegt darin begründet, ob Lügen kitten oder killen. Wer der Arbeitskollegin beipflichtet, dass ihre Präsentation im Teammeeting heute „richtig gut“ war, auch wenn sie eigentlich nur das Prädikat „okay“ verdient, dem geht es vielleicht auch darum, das Gegenüber, das gerne mal von Selbstzweifel geplagt ist, ein wenig aufzurichten. Die Kollegin wird es einem in einem eigenen schwachen Moment mit einer ähnlich erbaulichen Schwindelei zu danken wissen.

Wer hingegen „lügt wie gedruckt“, um den eigenen Vorteil bedacht, ohne Rücksicht auf Verluste, der ist im schwarzen Spektrum der Lüge unterwegs. Perspektivisch pflastern Beziehungsleichen seinen Weg. Denn wer möchte mit einem Lügner zusammen arbeiten, gar befreundet sein, dessen Wort man auf keine Waage der Welt legen kann? Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, sagt der Volksmund.

Aber warum? Die Sozialpsychologie beschreibt uns Menschen als Beziehungswesen. Wir leben in einem Geflecht von Beziehungen, dessen Kitt das Vertrauen ist. Lüge jedoch zerstört Vertrauen.  Diese Erkenntnis ist so alt wie die Bibel, in der erzählt wird, dass der Mensch als Mann und Frau und damit eben als Beziehungswesen geschaffen wird.

Auf dieser Erkenntnis setzt auch Martin Luther auf, wenn er das Achte Gebot, in dem es ums Lügen geht, im Kleinen Katechismus wie folgt auslegt: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren.“

Wir Menschen leben von der Anerkennung unserer Gegenüber, von unserem Ruf, genauso wie vom täglich Brot. Wer lügt, missachtet dieses Grundbedürfnis nach Anerkennung oder beschädigt es gar mutwillig. Mit gutem Grund sprechen wir vom Rufmord. Wenn es ums Lügen geht, geht es also um viel mehr als um die Wahrheit. Es geht um die Achtung meines Gegenübers, um Respekt vor ihm. Es geht um Nächstenliebe.

Pfarrer Peter Lysy, stv. Leiter des kda Bayern

Bild: alphaspirit via Canva

 

Ethik, Geistliches

Meldungsarchiv

Vorheriger Beitrag
„Beim Bürgergeld geht es um Menschen in Not – da verbieten sich parteitaktische Spiele!“ Rehm zur Bundesratsblockade
Nächster Beitrag
Bürgergeld-Debatte – kda-Leiter Rehm fordert ein Digitales Existenzminimum

Ähnliche Beiträge